Dienstag, 15. April 2014

Gute Pflege. Gute Arbeit in der Pflege - Ohne starke Gewerkschaften geht es nicht schnell genug voran!

Gute Pflege. Gute Arbeit in der Pflege.


Mit einem großen Pflege-Fachkongress machte die CDA Deutschlands kurz vor Ostern (am 11. April 2014 in Berlin) aufmerksam auf die drängenden Aufgaben der Pflegepolitik. In einer Gesellschaft des langen Lebens werde die Gestaltung guter Pflege zu einer der zentralen gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Herausforderung, so das einhellige Fazit. 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung habe sich diese als wichtige Säule des Sozialversicherungssystems etabliert. Mit der anstehenden Pflegereform werde das System zukunftsfest gestaltet, die Bundesregierung packe wesentliche Verbesserungsaufgaben an.


Für ver.di nahm Eva Welskop-Deffaa, im Bundesvorstand zuständig für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, an der Veranstaltung teil. Sie unterstrich: Die geplante Pflegereform ist aus Sicht von ver.di dringend überfällig. Welskop-Deffaa hob aber auch die Bedeutung guter Tarifverträge für die Pflegekräfte hervor: Der aktuelle TVÖD-Abschluss bringe mit seinem Sockelbetrag von 90 Euro Plus eine echte Verbesserung für Krankenschwestern und Pflegekräfte.

Pflege in Deutschland ist weiblich: über 80 Prozent der Beschäftigten in Pflegeheimen sind Frauen, in den ambulanten Pflegediensten sind es fast 90 Prozent. Die meisten von ihnen arbeiten in Teilzeit: knapp zwei Drittel in den Pflegeheimen, etwa 70 Prozent bei den ambulanten Pflegediensten. Diese Wirklichkeit müsse bei der Gestaltung der Pflegepolitik umfassend berücksichtigt werden, so Welskop-Deffaa. Viele der Beschäftigten litten unter Doppelbelastung und Vereinbarkeitsproblemen. Sie verwies dabei auf Ergebnisse des ver.di-Index "Gute Arbeit" aus dem letzten Jahr: Nur 20 Prozent der in der Pflege Beschäftigten glauben, dass sie bis zur Rente durchhalten können, 74 Prozent gehen ausdrücklich davon aus, dass sie das nicht schaffen werden.
ver.diEva Welskop-Deffaa

Gute Arbeit in der Pflege sei aber die Voraussetzung für gute Pflege: 47 Prozent der im Index "Gute Arbeit" befragten Pflegekräfte gingen davon aus, dass sie oft oder sehr oft Abstriche bei der Qualität machen müssen, um ihr Pensum zu schaffen. Diese Qualitätseinbußen gehen zulasten der Pflegebedürftigen.

Bedenklich ist aus Sicht von ver.di auch, dass 87 Prozent der in der Pflege Beschäftigten angeben, seit Jahren in der gleichen Zeit immer mehr leisten zu müssen. Der Arbeitsdruck wird immer größer, die Komplexität der beruflichen Anforderungen steigt.

Auf der Wunschliste der Pflegekräfte an Politik und Arbeitgeber stehen daher drei Erwartungen ganz oben: Mehr Personal, mehr Zeit und mehr Einflussmöglichkeiten. Mit der Forderung nach gesetzlicher Personalbemessung im Krankenhaus konkretisiert ver.di diese Erwartungen der Pflegekräfte.

Die Verbesserung der Betreuungsrelation in stationären Pflegeeinrichtungen, wie sie jetzt im Referentenentwurf des Pflegereformpakets vorgesehen ist, unterstützt ver.di mit Nachdruck.

Karl-Josef Laumann hatte als CDA-Bundesvorsitzender und Beauftragter der Bundesregierung für die Pflege zu Beginn der Fachkonferenz den Gesetzentwurf umfassend erläutert. Die Flexibilisierung und der Ausbau von Leistungen zur Stabilisierung der häuslichen Pflege habe für ihn eine herausragende Bedeutung. Die Verbesserungen bei der Kurzzeit- und Verhinderungspflege, die Möglichkeit der Umwidmung des halben Sachleistungsbudgets für Hilfen zur Weiterführung des Haushalts und der Ausbau der Zuschüsse für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen seien für die Situation der häuslichen Pflege deutliche Verbesserungen, so Laumann.

Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates, unterstrich in seinen Ausführungen die Notwendigkeit, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zügig umzusetzen. Die Empfehlungen des Expertenbeirats seien praxistauglich, ihre Umsetzung überfällig.

In drei Podiumsrunden mit Praktikern und politisch Verantwortlichen diskutierte Hermann-Josef Arentz über Ausbildung und Arbeitsbedingungen in der Pflege, über regionale Pflegeinfrastruktur und die Rolle der Kommunen. Es wurde deutlich, dass nur dann, wenn alle Akteure ihre Hausaufgaben machen, die großen pflegepolitischen Aufgaben wirklich bewältigt werden können. Ohne starke Gewerkschaften, die die Interessen der in der Pflege Beschäftigten wirksam vertreten, geht es nicht schnell genug voran! - auch darin waren sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einig.

aus: http://arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de


siehe auch:

(aus: http://arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de)

Pflege zuhause

Erste Stufe der Pflegereform bringt längst überfällige Leistungsverbesserungen in der Pflegeversicherung

Eine Pflegereform mit Verbesserungen für Pflegebedürftige, für professionell und für informell Pflegende hat der Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode versprochen. Nun liegt der Referentenentwurf des ersten Teils der Pflegereform vor und setzt mit einem Gesamtvolumen von 2,4 Milliarden Euro wichtige im Regierungsprogramm angekündigte Maßnahmen um. Bei den Verbesserungen der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bleiben aber noch große Lücken: Die zehntägige Pflege-Auszeit für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist „zeitnah“ in einem eigenen Gesetz angekündigt, die Zusammenführung und Weiterentwicklung von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz steht noch aus. ver.di fordert diese Vorhaben ohne Verzögerungen umzusetzen. Das Reformpaket wird erst mit diesen Verbesserungen und der Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs die Hoffnungen einlösen, die mit dem Koalitionsvertrag geweckt wurden.
Die demographische Entwicklung bringt eine stetig wachsende Zahl hochaltriger Pflegebedürftiger mit sich. Die meisten von ihnen werden über viele Jahre in den eigenen vier Wänden gepflegt. Zwei Drittel derer, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, leben zuhause. Auf ihre Angehörigen und Freunde, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinnen im erwerbsfähigen Alter, kommen  in zunehmendem Maße Pflegeaufgaben zu. Gleichzeitig sind sie es, die durch stärkere Erwerbsbeteiligung, mehr Arbeitsstunden und mehr Arbeitsdruck den demographischen Wandel am eigenen Leibe erfahren. Ohne Unterstützung sind pflegende Angehörige dieser Doppel- und Dreifachbelastung nicht gewachsen. Die Leistungen der ambulanten Pflege werden immer wichtiger und damit auch die Arbeitsbedingungen der in der ambulanten Pflege Beschäftigten.
Bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der ambulanten Pflege und Entlastung der informell Pflegenden stützen sich gegenseitig. Die „erste Stufe der Pflegereform“, die Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe jetzt in seinem Referentenentwurf vorgestellt hat, geht in die richtige Richtung. Die geplante Flexibilisierung der Kurzzeit- und Verhinderungspflege und die erhöhten Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen zählen zu den wichtigen Bausteinen des Reformpakets. Gerade durch Wohnumfeldverbesserungen im Haushalt der Pflegebedürftigen können oft drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Der Pflegebedürftige selbst erfährt eine Erweiterung seines Aktionsradius’ und  für professionelle ebenso wie für informelle Pflegekräfte ergeben sich spürbare Erleichterungen
Durch die mit dem Gesetz vorgesehene Möglichkeit, das halbe Sachleistungsbudget umwidmen zu können für Hilfen zur Weiterführung des Haushalts, kann die Situation der häuslichen Pflege in vielen Einzelfällen verbessert werden.
Die geplante Vereinfachung der Antragsvoraussetzungen bei der Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohnformen kann sich als Impuls für Strukturverbesserungen vor Ort erweisen.
Das alles kann aber nur der erste Schritt sein. 
Häusliche Pflege ist weiblich
Pflegende Angehörige sind weiblich, über 50 Jahre alt und erwerbstätig – das ist die Kurzformel der Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die Anfang April veröffentlicht wurde. Sie bestätigt die Notwendigkeit der Umsetzung aller (!) im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen. Fast jede achte Frau im Alter zwischen 55 und 64 pflegt einen pflegebedürftigen Angehörigen oder nahestehenden Menschen. Für sie ergibt sich damit im letzten Jahrzehnt vor der eigenen Rente eine gravierende Doppelbelastung durch Pflege und Beruf. Das DIW  weist auf, dass gerade bei den informell pflegenden Frauen dieser Altersgruppe in den letzten zehn Jahren die Erwerbsquote deutlich gestiegen ist: sie liegt heute bei fast zwei Dritteln. Der Anteil der erwerbstätigen pflegenden Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren ist seit 2001 von 37 auf 61 Prozent gewachsen. Studien belegen zugleich, dass die meisten dieser Frauen zwischen drei „Arbeitsorten“ pendeln: der Dienststelle, dem eigenen Haushalt und dem Haushalt der zu pflegenden Person.
Die im Koalitionsvertrag angekündigte zehntägige Auszeit für Angehörige, die kurzfristig Zeit für die Organisation einer neuen Pflegesituation benötigen und die damit verbundene Lohnersatzleistung nach dem Vorbild des Kinderkrankengeldes für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die für pflegebedürftige nahe Angehörige in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte pflegerische Versorgung sicherstellen müssen, ist im vorliegenden Referentenentwurf noch nicht enthalten. Das Gesetz kündigt diese Leistung allerdings an: „Zeitnah“ soll die Pflege-Auszeit in einem gesonderten Gesetz geregelt werden. Diese Verbesserung ist dringend überfällig und darf keinesfalls auf die lange Bank geschoben werden.
Häusliche Pflege ist weibliche Pflege: Fast 90 Prozent der in der ambulanten Pflege professionell Tätigen sind Frauen, etwa 70 Prozent von ihnen sind teilzeitbeschäftigt. Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf ist ein Thema, das die informell und formell in der häuslichen Pflege tätigen gleichermaßen betrifft. Es ist entscheidend, bei den weiteren Reformschritten diese Wirklichkeit nicht auszublenden. ver.di wird in seinen verschiedenen Bereichen – von der Berufspolitik, über den Arbeitsschutz bis zur allgemeinen Sozialpolitik – die Berücksichtigung der gleichstellungspolitischen Aspekte einfordern, die mit diesen Fakten einhergehen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Prüfung einer verbesserten Anrechnung von Pflegezeiten in der Rentenversicherung ist unter diesem Gesichtspunkt besonders wichtig: Noch immer liegen die durchschnittlichen Frauenrenten um mehr als 50 Prozent unter denen der Männer.
Demenz
20 Jahre nach Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung steigen – das respektiert der Referentenentwurf – die Herausforderungen gerade auch der häuslichen Pflege.
Der besonderen Belastung der Pflegenden, die sich um dementiell erkrankte Angehörige kümmern, allerdings kann nur Rechnung getragen werden, wenn endlich der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff kommt, der für diese Legislaturperiode angekündigt ist. Der Bundesgesundheitsminister hat zusammen mit dem Referentenentwurf dem Spitzenverband der Pflegekassen „grünes Licht“ für die im Koalitionsvertrag verabredete praktische Erprobung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gegeben. Die Schulung der Gutachterinnen und Gutachter der Medizinischen Dienste beginnt nun im Sommer 2014. ver.di pocht mit Nachdruck darauf, dass sich diese Erprobung als wirklicher Start und nicht als weitere Verzögerung der Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs erweist.

Die Ergebnisse der DIW-Studie zur informellen Pflege in Deutschland sind im DIW-Wochenbericht 14/2014 erschienen (http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.441653.de/14-14.pdf).

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