Hierzu ein Beispiel: Alle Lohnansprüche, die im Jahr 2016 fällig geworden sind, verjähren zum 31.12.2019. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die im Jahr 2016 entstanden sind, können nur bis zum 31. Dezember 2019 geltend gemacht werden. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus dem Jahr 2016 beginnt also mit Ablauf des 31.12.2016 und beträgt dann 3 Jahre.
Allerdings hat der Gesetzgeber in Arbeitsverhältnissen eine Verkürzung dieser Frist zugelassen - die sogenannte "Ausschlussfrist" 1).
Mit solchen Ausschlussfristen bzw. Verfallfristen soll die lange Verjährungsfrist von drei Jahren vielfach auf wenige Monate reduziert werden. Aufgrund von rechtswirksamen Ausschlussfristen können arbeitsvertragliche Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb der bestimmten Frist nach Fälligkeit geltend gemacht werden, nach Ablauf der kurzen Frist nicht mehr geltend gemacht werden.
Der Anspruch erlischt schlicht durch Fristablauf. Mit dem Erlöschen kann der Anspruch weder verlangt noch gerichtlich durchgesetzt werden. In einem Rechtsstreit prüft das Arbeitsgericht von Amts wegen, ob der Anspruch innerhalb der Ausschlussfrist formgerecht geltend gemacht wurde.
Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist ist nun nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Und ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist gerichtlich nachprüfbar.
Üblicherweise sind es Arbeitnehmer, die Ansprüche gegen ihre Arbeitgeber - etwa auf ausstehende Löhne, auf Überstundenvergütung und andere Leistungen - geltend machen. Die Ausschlussfrist verkürzt die Zeit, in der solche Ansprüche erfolgversprechend geltend gemacht werden können. Dementsprechend waren tarifliche Ausschlussfristen vielfach Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Man unterscheidet:
Da eine Betriebsvereinbarung den Tarifvorrang nach § 77 Abs. 3 BetrVG oder auch § 38 Abs. 3 MAVO beachten muss, so dass sich Ausschlussfristen in einer Betriebsvereinbarung nicht auf tarifliche Ansprüche erstrecken dürfen, sind solche Betriebsvereinbarungen sehr selten. Wesentlich wichtiger sind die tarifvertraglichen Ausschlussfristen, die sich dann auch in kirchlichen Regelungen finden, und genau diese kirchlichen Regelungen hat nun das BAG "gekippt".1. Tarifvertragliche Ausschlussfristen2. Ausschlussfristen in einer Betriebsvereinbarung und3. Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen
Rechtsgrundlage für tarifliche Ausschlussfristen
Der Gesetzgeber hat solche Fristen ausdrücklich in Tarifverträgen zugelassen, (§ 4 Abs. 4 Tarifvertragsgesetz - TVG)
Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.Das ist wohl so, weil der Gesetzgeber den starken Gewerkschaften mit ihren spezialisierten Juristen zutraut, ihren Mitgliedern einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Und auch, weil auf tarifvertragliche Ansprüche nur mit Zustimmung der Vertragsparteien verzichtet werden kann.
Allerdings sind auch die Befugnisse der Tarifvertragsparteien beschränkt. Auch die Tarifvertragsparteien können nicht gesetzlich geregelte Ansprüche ausschließen. So kann eine tarifliche Ausschlussfrist für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht den gesetzlichen Mindestlohn umfassen
(Beck-Verlag zu BAG , Urteil vom 20.06.2018 - 5 AZR 377/17)
Auch der TVöD, der vielfach als "Blaupause" für kirchliche Regelungen aus dem "Dritten Weg" dient, sieht entsprechende Ausschlussfristen vor (§ 37 Abs. 1 TVöD).
Aus der bereits zitierten Regelung in (§ 4 Abs. 4 TVG)
Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.haben wir uns allerdings schon gefragt, wie das denn für die kirchlichen Regelungen des "Dritten Weges" ist - dann dabei handelt es sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung 2) gerade nicht um Tarifverträge, sondern um "Allgemeine Geschäftsbedingungen".
Mit einer brandaktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nun im Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 AZR 465/18 - erneut über die Geltung einer Ausschlussfrist entschieden - nun über eine Regelung, die in einer solchen kirchlichen Norm vereinbart war, und entschieden:
Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen genügt nicht zum Nachweis einer AusschlussfristNach der Pressemitteilung des BAG war die folgende Überlegung maßgeblich:
Die Ausschlussfrist ist jedoch eine wesentliche Arbeitsbedingung iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG. Die bloße Inbezugnahme der Arbeitsrechtsregelung als solche genügt für den danach erforderlichen Nachweis nicht. Auch ein sog. „qualifizierter Nachweis“ nach § 2 Abs. 3 Satz 1 NachwG, wonach sich die Ausschlussfrist nach der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung richtet, ist nicht ausreichend, weil der abschließende Katalog dieser Bestimmung Ausschlussfristen nicht erfasst. Weist der kirchliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Ausschlussfrist nicht im Volltext nach, kann der Arbeitnehmer ggf. im Wege des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, als ob er die Frist nicht versäumt hätte.Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts
…
Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche als „ähnliche Regelungen“ nach dem Willen des Gesetzgebers nur im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 9 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie gemäß § 3 Satz 2 NachwG bei Änderungen der kirchlichen Regelungen erleichterten Nachweismöglichkeiten unterliegen sollen. Der Nachweis der Ausschlussfrist bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses wird von diesen Erleichterungen nicht erfasst. …
Im Ergebnis bedeutet das nichts anderes als:
Ausschlussfristen in kirchlichen Regelungen des "Dritten Weges" sind nur rechtswirksam, wenn sie ausdrücklich (auch) im Arbeitsvertrag vereinbart werden. 3)Katholisch.de berichtet inzwischen:
Arbeitsverträge von Kirchenmitarbeitern fehlerhaft
Kirchliche Arbeitgeber informieren nach einem höchstrichterlichen Urteil ihre Beschäftigten oft fehlerhaft über sogenannte "Verfallsklauseln" – etwa, in welcher Frist sie nachträglich einen höheren Lohn nachfordern können. Geklagt hatte ein Küster. ...
Beschränkungen für einzelvertragliche Ausschlussfristen:
Nun könnte man auf den Gedanken kommen, die Regelung zur Ausschlussfrist auf Grundlage der "Vertragsfreiheit" einfach standardmäßig in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Allerdings hat auch die Vertragsfreiheit ihre Grenzen. Nicht alles, was Arbeitgeber gerne vereinbaren würden, ist zulässig.
Mit Urteil vom 18.09.2018, Az: 9 AZR 162/18, hat das Bundesarbeitsgericht eine weitere übliche Ausschlussfristregelung für unwirksam erklärt. Der DGB Rechtsschutz hat dazu bemerkt:
Arbeitsvertragliche Verfallklauseln, die der Arbeitgeber vorformuliert hat, müssen transparent sein. Das sind sie nicht, wenn sie pauschal alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den gesetzlich garantierten Mindestlohn erfassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Parteien den Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen haben.
und weiter ausgeführt:
Begründet wurde die Entscheidung des BAG im Ergebnis wie folgt: Die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel verstößt gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Sie ist nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 Satz 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) den ab dem 1. Januar 2015 zu zahlenden gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Die Klausel kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden (§ 306 BGB). § 3 Satz 1 MiLoG schränkt weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck nach die Anwendung der §§ 306, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.
Anmerkungen:
1) vgl. Wikipedia
2) z.B.
Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 11.11.2004, 6 Sa 260/04
BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 – 6 AZR 160/05 (lexetius.com/2005,3737)
BAG, Urteil vom 23. 11. 2017 - 6 AZR 739/15 (juris)
BAG, Urteil vom 24.05.2018, 6 AZR 308/17 (Hensche)
3)
Bei der Gelegenheit übermitteln wir einen Geburtstagsgruß nach Köln zum 80. Geburtstag des ehemalige Generalvikars und Dompropst Prälat Norbert Feldhoff, dessen Engagement auch den AVR Caritas galt. "Die Kirche wird bleiben bis zum Ende. Auch wenn sie noch so einen Mist macht."
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