Montag, 23. September 2013

Wen vertritt IGMiCK?

"IGMiCK" bezeichnet sich gerne als "InteressenGemeinschaft der Mitarbeiter iCaritas und Kirche". Sie tritt vor allem mit gemeinsamen Erklärungen des Sprechers der Zentral-KODA Mitarbeiterseite, des Pressesprechers der AK Caritas - Mitarbeiterseite und der BAG-MAV (Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen) in Erscheinung. Diese Sprecher von "IGMICK" und der BAG-MAV verbreiten gerne, sie würde aus den Einrichtungen der katholischen Kirche und der Caritas rund 650.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ca. 50.000 Einrichtungen (Quelle) vertreten. Alleine bei der Caritas würden 500.000 Beschäftige vertreten werden.
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Die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission (ak.mas) hat eine neue Geschäftsstelle in Berlin-Mitte eröffnet. Ziel ist, den 500.000 Mitarbeitenden der Caritas eine starke Stimme beim Arbeitsrecht und in der Tarifarbeit zu geben.
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(Quelle) und
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Gefragt, welchen Vorteil der Dritte Weg für die Beschäftigten denn habe, erklärte er (der Sprecher der BAG-MAV), dass die katholischen Mitarbeitervertretungen relativ gesehen mehr Arbeitnehmern eine Stimme geben als in jeder anderen Branche die Betriebsräte.
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(Quelle)
Der "kirchengesetzlich gebildete Konzernbetriebsrat" lässt also (angeblich) so manchen Wirtschaftskonzern und auch die großen Staatsbehörden klein aussehen.
Und das Ganze ist verknüpft mit der mehr oder weniger versteckten Botschaft, "IGMICK" würde ja viel mehr Beschäftigte vertreten als die Gewerkschaft - und mit der Stoßrichtung, dass IGMICK die kirchlichen Beschäftigten umfangreicher vertritt als die Gewerkschaft, dass es vielleicht sogar gar keiner Gewerkschaft bedürfe, weil IGMICK ja schon "die Vertretung" der Beschäftigten ist.

Aber ist das wirklich so?


1. LEGITMIATION DER BAG-MAV:
Klar ist zunächst:
Ohne MAV sind die Beschäftigten einer Einrichtung in der "Konzernstruktur BAG-MAV" nicht vertreten!
Und ein näherer Blick lässt erschreckende "Lücken" erkennen.

Faktencheck: 

Von der Caritas gibt es Zahlen: bei der Caritas liegt die höchste Quote mit 71,6 % bei Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die Quote in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe liegt bei 31,8 %. Der Durchschnitt liegt angeblich bei 50 %.
Siehe: http://www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2012/artikel/beimitarbeitervertretungenliegtdiebehind

Die Caritas-Zentralstatistik weist zum 31.12.2010 insgesamt 24.646 Einrichtungen *) aus. Dazu kommen die Einrichtungen der verfassten Kirche. Wieviele das sind, lässt sich nur andeutungsweise ermitteln. So bestehen im Erzbistum München und Freising - also nur einer von 27 Bistümern - rund 600 Pfarreien, rund 550 Kindertagesstätten *) und 21 kirchliche Schulen in Trägerschaft der Erzdiözese. Dazu kommen Bildungshäuser und Studentenwohnheime. Es dürfte also nicht falsch sein, wenn für die kath. Kirche noch bundesweit weitere 12.000 Einrichtungen *) zusätzlich geschätzt werden. Nach Eigenauskunft der BAG-MAV bestehen aber aktuell bei bundesweit 50.000 Einrichtungen nur rund 6.000 MAVen bei Caritas und verfasster Kirche (Quelle). Damit wird mit Sicherheit noch nicht einmal eine Quote von 25 % erreicht. Die von der BAG-MAV genannten Zahlen von 50.000 Einrichtungen und 6.000 MAVen ergeben noch eine deutlich niedrigere Quote - nämlich rund 12 %.

In den Branchen Bergbau, Energie, Wasserversorgung liegt die Quote bei 86 %, in der Kreditwirtschaft/Versicherungen bei 75 %. (Die Ursachen der Unterschiede in den Quoten der betrieblichen Mitbestimmung verdienen dabei durchaus eine interessierte kritische Betrachtung.)
Siehe: http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2009_17_gesamt.pdf

Lassen Sie uns diese abstrakte Aussage als "bayerischen Blog" an einigen südbayerischen Arbeitsgemeinschaften - also einem "urkatholischen Gebiet" - beispielhaft konkretisieren:
Im Bistum Eichstätt vertritt die DiAG-MAV-A (verfasste Kirche) von Nürnberg bis Ingolstadt derzeit 13 Mitarbeitervertretungen, die DiAG-MAV-B der Caritas Eichstätt vertritt derzeit 33 Mitarbeitervertretungen (nachzulesen auf der homepage des Bistums, "hier").
Im Erzbistum München-Freising mit rund 600 MAV-fähigen Einrichtungen im A-Bereich (verfasste Kirche) gibt es rd. 160 MAVen - bravo, aber auch das ist nur ein Vertretungsgrad von etwas über 26 % aller Einrichtungen.
Im Bistum Regensburg liegt im A-Bereich (verfasste Kirche) der Anteil der MAVen bei unter 10 %.

Diese beispielhafte "Lückenaufzählung" lässt sich durchgehend in allen 27 deutschen (Erz-)Diözesen fortführen. Von den "Allvertretungsphantasien" des Vorsitzenden der BAG-MAV bleibt - bei Licht betrachtet - nicht recht viel übrig.

2. LEGITIMATION DER ARBEITSRECHTLICHEN KOMMISSIONEN
Da die Mitglieder der Mitarbeiterseite der arbeitsrechtlichen Kommissionen des DCV (AK-MAS) über die MAVen bestimmt werden, macht schon die unvollständige MAV-Bildung deutlich, wie mager der Vertretungsanspruch der AK-MAS begründet ist.
Die Identifikation mit den Organen des 3. Weges wurde z.B. auch bei den Regional-KODA-Wahlen in Bayern deutlich: die Wahlbeteiligung  lag (trotz flächendeckend angebotener Briefwahl mit Übersendung der Wahlunterlagen und frankieren Rückantwortkuverts an alle Wahlberechtigten) in den einzelnen Bistümern zwischen 28 und 43,8 %. Insgesamt dürfte sich die bayerische Wahlbeteiligung auf maximal 1/3 belaufen (KODA-Kompass Nr. 51, S. 3).
Die Quote bei AK-Wahlen bewegt sich auch in dieser Größenordnung. (Über konkrete Zahlen wurden die Wähler nicht informiert.)
Sowohl in der Regional-KODA als auch in der AK sind die Wahlregularien und -ergebnisse so, dass die vollmundig behauptete demokratische Legitimation durch alle Beschäftigten gewisser Relativierungen bedarf:

  • ob mittelbar oder unmittelbar: nur eine Minderheit der betroffenen Beschäftigten beteiligt sich an den Wahlen
  • sowohl in der Regional-Koda als auch in der AVR-Caritas (in noch stärkerem Maße) gibt es sehr unterschiedliche Quoren, die für ein Mandat erforderlich sind
  • es handelt sich in der Regel um eine reine Persönlichkeitswahl, prägnante öffentlich präsentierte inhaltliche Positionen spielen in den Wahlkämpfen üblicherweise kaum eine Rolle; eine demokratische Kontrolle der Akteure ist aufgrund des hinter verschlossenen Türen praktizierte Kommissionsmodell kaum realisierbar


3. DAMIT WIR UNS RICHTIG VERSTEHEN:
Es gibt sehr viele engagierte Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Engagement, Herzblut und Sachverstand für die Beschäftigten von Caritas und Kirche engagieren - auch und gerade in den vielen Mitarbeitervertretungen und deren Arbeitsgemeinschaften. Deren Arbeit soll keinesfalls diskreditiert werden. Sie ist nicht zu ersetzen.
Und deshalb ist das Bemühen der Gewerkschaft, einen allgemein verbindlichen Sozialtarifvertrag mit den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden zu erreichen, auch nicht gegen die BAG-MAV gerichtet - selbst wenn sich dieser "kirchliche Konzernbetriebsrat" offenbar über diesen Dritten Weg und der Verweigerung von Tarifverträgen identifiziert (Quelle: BAG-Info Nr. 97).
Wichtig ist aber auch zu bemerken, dass selbst ein Konzernbetriebsrat in der Privatwirtschaft - mit seinen wesentlich umfangreicheren Rechten - die Gewerkschaft nicht ersetzen und erst recht nicht verdrängen kann. Und an der gegensätzlichen "Allmachtsphantasie" von einzelnen Berufsfunktionären üben wir ständig und deutlich immer dann Kritik, wenn die "Allmachtsphantasie" mal wieder Überschläge macht.
Und es ist schlicht anmaßend und hanebüchen, wenn der Vorstand der BAG-MAV meint, in einem Monat darüber befinden zu können, ob und wie sich eine Gewerkschaft in kirchlichen Einrichtungen koalitionsmäßig betätigen darf. So eine Anmaßung erwartet man nicht einmal mehr von den Arbeitgebern der Privatwirtschaft - und erst recht nicht vom Vorstand eines "Konzernbetriebsrates", der von sich behauptet, für alle kirchlichen Beschäftigten zu sprechen.

Ein kleiner Tipp noch unter uns "Pfarrerstöchtern":
Das BAG hat in seiner "Streik-Entscheidung" vom November letzten Jahres gemeint, ein Streikverbot könne es (unter anderen Punkten) erst geben, wenn der Gewerkschaft eine "koalitionsmäßige Betätigung" möglich sei. Was "koalitionsmäßige Betätigung" umfasst, hat der Gesetzgeber u.a. im Betriebsverfassungsgesetz ausführlich festgelegt. Darunter, liebe Sprecher der BAG-MAV, geht wohl gar nichts.
Aber das ist eine Überlegung, die sich vor allem die Bischöfe stellen müssen.

*) wir unterstellen zugunsten der Quote, dass manche Einrichtungen sowohl in den Statistiken der Caritas wie auch bei der verfassten Kirche aufgeführt sind

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