Donnerstag, 12. September 2013

"Entweltlichung" - was Kardinal Schönborn dazu meint

Im letzten Jahr hat Kardinal Dr. Christoph Schönborn beim St. Michael-Jahresempfang am 12. September 2012 in Berlin der versammelten Nomenklatur der deutschen Katholiken seine Erklärung präsentiert:
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Am letzten Tag seines Deutschlandbesuches, bei seiner Rede in Freiburg (25. September 2011) hat Papst Benedikt auf die Gefahr der „Verweltlichung“ der Kirche hingewiesen, auf die „Tendenz, dass die Kirche zufrieden wird mit sich selbst, sich in dieser Welt einrichtet, selbstgenügsam ist und sich den Maßstäben der Welt angleicht“. Der Versuch, den „christlichen Werten“ im Kanon der säkularen Gesellschaft Raum zu geben, scheitert meist schon daran, dass vieles in der Kirche schon soweit säkularisiert ist, dass es profillos und kaum zu unterscheiden ist. Dann hat die Kirche in die säkulare Gesellschaft nichts mehr einzubringen. „Wenn das Salz schal wird, taugt es zu nichts mehr“, hat Jesus gesagt (Mt 5,13). Das vieldiskutierte Wort Papst Benedikts von der „Entweltlichung“ ist das Gegenstück zur „Verweltlichung“ der Kirche.

Wie bei vielen anderen Gelegenheiten ermutigt Papst Benedikt die Christen heute, zur säkularen Gesellschaft ein positives Verhältnis zu gewinnen, nicht im Sinne der Anpassung. Vielmehr sollen die Christen in aller Freiheit in einer pluralistischen Gesellschaft das Eigene einzubringen.

Gerade in Staaten, die ein stark kooperatives Verhältnis zu den Kirchen haben – wie Deutschland oder Österreich – ist die Versuchung groß, mehr auf die eigene kirchliche Institution und Organisation zu schauen, als auf die ursprüngliche Berufung des Christen in der Welt. Gerade in einer säkularen Gesellschaft ist ein „verweltlichtes“ Christentum uninteressant, denn „weltlich“ sein, das können die Säkularen meist besser als die Kirchlichen. Papst Benedikts Aufruf zu einer „Entweltlichung“ der Kirche zielt, so sehe ich es, genau auf diese Situation eines „verweltlichten“ kirchlichen Lebens. Paradoxerweise ist eine „entweltlichte“ Kirche besser geeignet, weltoffen zu sein, wie es das Konzil wollte: „Sie öffnet sich der Welt, nicht um die Menschen für eine Institution mit eigenen Machtansprüchen zu gewinnen, sondern um sie zu sich selber zu führen“, indem sie sie zu Gott führt.

Mich beeindruckt immer wieder, wie sehr Papst Benedikt die Kirche dazu auffordert, zur säkularen Gesellschaft, zum „secular age“ (Charles Taylor) ein positives Verhältnis zu gewinnen. In Freiburg sagte er, durchaus überraschend: „Die Geschichte kommt der Kirche in gewisser Weise durch die verschiedenen Epochen der Säkularisierung zur Hilfe, die zu ihrer Läuterung und inneren Reform wesentlich beigetragen haben“.

Diese „Entweltlichung“ meint sicher nicht den Rückzug aus allen institutionellen, rechtlichen, gesellschaftlichen Vernetzungen der Kirche mit der zivilen Gesellschaft und dem Staat, wohl aber ein Freierwerden für das Eigentliche des Christentums, das Evangelium und seine Bezeugung. So kann der kontinuierliche Rückgang an Einfluss- und Bestimmungsmöglichkeit der Kirche auf die Gesellschaft, die Gesetzgebung, den Staat, durchaus nicht nur als Verlust gesehen werden.
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Es hat dem Christentum gut getan, dass es durch das Feuer der Kritik von Aufklärung und Säkularismus gehen musste. Es ist die Chance der Läuterung. Es ist die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit.
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Quelle: DBK http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse/2012-136b-St-Michael-Jahresempfang-Rede-K-Schoenborn.pdf

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1 Kommentar:



  1. Ich schließe aus den Aussagen - gerade im Kontext mit den September-Ereignissen der kath. Kirche Deutschlands - auch die Aufforderung: "Überlasst das Arbeitsrecht den Gewerkschaften (so, wie es die kath. Soziallehre vorsieht) - das würde der Glaubwürdigkeit der Kirche enorm dienen."
    (Ach ja, habt ihr schon gesagt, dass Caritas und Bistümer in Österreich ganz selbstverständlich Tarifverträge abschließen - und die Caritas an einem allgemein verbindlichen Tarifvertrag "soziale Dienste" beteiligt ist? Warum sollte das in Deutschland nicht möglich sein?

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