Die Aufgaben eines Betriebsratsvorsitzenden und eines Datenschutzbeauftragten können danach typischerweise nicht durch dieselbe Person ohne Interessenkonflikt ausgeübt werden. Personenbezogene Daten dürfen dem Betriebsrat nur zu Zwecken zur Verfügung gestellt werden, die das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich vorsieht. Der Betriebsrat entscheidet durch Gremiumsbeschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen er in Ausübung seiner gesetzlichen Aufgaben welche personenbezogenen Daten vom Arbeitgeber fordert und auf welche Weise er diese anschließend verarbeitet. In diesem Rahmen legt er die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten fest. Inwieweit jedes an der Entscheidung mitwirkende Mitglied des Gremiums als Datenschutzbeauftragter die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten des Datenschutzes hinreichend unabhängig überwachen kann, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls die hervorgehobene Funktion des Betriebsratsvorsitzenden, der den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse vertritt, hebt die zur Erfüllung der Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten erforderliche Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG aF auf.Auch wenn das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht weniger Mitwirkungsmöglichkeiten als das Betriebsverfassungsgesetz bietet: die Interessenlage ist vergleichbar, zumal das BAG auch noch auf die europarechtliche Grundlage verweist:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. Juni 2023 – 9 AZR 383/19 –
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2019 – 9 Sa 268/18 –
Ein abberufungsrelevanter Interessenkonflikt ist anzunehmen, wenn der Datenschutzbeauftragte innerhalb einer Einrichtung eine Position bekleidet, die die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Diese vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH 9. Februar 2023 – C-453/21 – [X-FAB Dresden]) zu einem Interessenkonflikt iSv. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorgenommene Wertung gilt nicht erst seit Novellierung des Datenschutzrechts aufgrund der DSGVO, sondern entsprach bereits der Rechtslage im Geltungsbereich des BDSG aF.Daher ist die Entscheidung des BAG auch für die Vorsitzenden einer kirchlichen MAV von Bedeutung. Abweichende kirchliche Regelungen könnten gerade vor dem Hintergrund der europarechtlichen Grundlage und einer zwingenden europarechtskonformen Auslegung von Rechtsnormen keinen Bestand haben.
ergänzend:
Unsere Auffassung wird auch von Felix Neumann, Herausgeber und Kommentator des Blog "Artikel 91" geteilt. Dort schreibt er:
Nach Jahren gibt es eine höchstrichterliche Entscheidung dazu, ob Betriebsratsvorsitzende Datenschutzbeauftragte sein können. Das Bundesarbeitsgericht sagt nein (BAG, Urteil vom 6. Juni 2023 – 9 AZR 383/19). Im kirchlichen Arbeits- und Datenschutzrecht gibt es keinen Grund, das nicht analog zu sehen. Weiterhin offen sind Konflikte bei einfachen Mitgliedern und stellvertretenden Vorsitzenden.
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