Wegwerfware MitarbeiterDazu erst einmal ein unemotionaler Blick in die statistischen Zahlen:
Millionen Menschen haben nur befristete Jobs. Sie können ihr Leben kaum planen, nur damit Arbeitgeber minimal Flexibilität gewinnen.
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Nach Auswertung durch das Statischen Bundesamt ist der Anteil von befristeten Beschäftigungsverhältnissen für die Zeit von 1993 bis 2011 von 5,7 % auf 8,9 % gestiegen. Seither war der Anteil leicht rückläufig und lag 2015 bei 8,4 % sowie 2018 bei 8,0 %. Besonders verbreitet waren die befristeten Arbeitsverhältnisse in der Altersgruppe der 25- bis 34-jährigen. Dort ist der Anteil an befristeten Beschäftigungsverhältnissen mit 17,9 % (2015) bzw. 16,9 % (2018) mehr als doppelt so hoch als im Gesamtdurchschnitt. Das ist die Altersgruppe, die in der Gründungsphase für die eigene Familie stecken - diese Familien mit ihren Kindern wachsen in einer ständigen Unsicherheit auf. Und ein weiteres ist Bemerkenswert:
Mit 11,4 % waren in Deutschland die Befristungsquoten für Hilfsarbeitskräfte ... am höchsten. Auch bei Erwerbstätigen in Dienstleistungsberufen war der Anteil der befristet Beschäftigten mit 9,2 % überdurchschnittlich hoch.Wie kann das gerade bei den Dienstleistungsberufen sein? Heißt es nicht immer, es herrsche ein Fachkräftemangel - etwa im Pflegebereich oder bei den Sozial- und Erziehungsdiensten?
Ähnlich ist es bei den absoluten Zahlen der Arbeitsverhältnisse. Hier hat - ebenfalls nach Angabe des statistischen Bundesamtes - die absolute Zahl der befristenten Arbeitsverhältnisse von 2011 bis 2019 von 5,01 Millionen auf 4,56 Millionen reduziert. Gleichzeitig stieg die Zahl der unbefristeten Arbeitsverhältnisse im gleichen Zeitraum von 29,23 Millionen auf 33,65 Millionen an (Veröffentlicht 21.07.2020).
Die gesamte Dramatik zeigt sich bei den neuen Arbeitsverträgen. Nach einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 09.07.2020 (Seite 2) sind 2019 von insgesamt 4,016 Mio. Neueinstellungen nur 2,553 Mio. (64 %) unbefristet gewesen - aber 1,284 Mio. (32 %) waren befristet. Rund ein Drittel aller Neueinstellungen waren 2019 also befristet!
Und wie ist das bei den Kirchen?
Während allgemein seit 2011 die Anzahl der befristeten Arbeitsverhältnisse sowohl prozentual wie auch in absoluten Zahlen abnimmt, musste das Domradio im November 2015 eingestehen:
Kirchen stellen Beschäftigte zunehmend befristet einBei kirchlichen Arbeitgebern war 2015 also der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse bei Beschäftigten unter 35 Jahren etwa um die Hälfte höher als im bundesweiten Durchschnit - ein Viertel (also ca. 25 %) bei kirchlichen Einrichtungen gegenüber 17,9 % bundesweit.
Umfrage zeigt Trend auf
Die christlichen Kirchen und die Wohlfahrtseinrichtungen von Diakonie und Caritas stellen Beschäftigte zunehmend mit Zeitverträgen an. Die Ergebnisse wurden nach einer Umfrage der Fachzeitschrift "Arbeitsrecht und Kirche" veröffentlicht.
Demnach hat jeder vierte Arbeitnehmer unter 34 Jahren bei der Kirche ein begrenztes Arbeitsverhältnis. .... Der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bernhard Baumann-Czichon, bezeichnete es als skandalös, dass 57 Prozent der Zeitverträge ohne sachlichen Grund befristet sind, etwa wegen einer Elternzeitvertretung. "Hier wird ein arbeitsmarktpolitisches Instrument missbraucht, dessen Unwirksamkeit längst belegt ist", kritisierte der Anwalt. Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne einen sachlich rechtfertigen Grund ist nach seiner Auffassung mit kirchlichem Ethos nicht vereinbar...
2020: Auswirkungen von Corona?
Wir sind gespannt, wie sich im "Corona-Jahr 2020" die entsprechenden Zahlen entwickelt haben. Eigentlich, so könnte man meinen, sollte es beim Fachkraftmangel gerade in den Dienstleistungsberufen, vor allem in der Pflege, keine befristeten Neueinstellungen und eine deutliche Entfristung von befristeten Arbeitsverhältnissen gegeben haben.
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