Dienstag, 1. September 2020

Krankenhausträger verzichten auf Personalzuschüsse - ist die nicht ausreichende Versorgung gewollt?

Diese Frage stellt sich, wenn man den RND-Bericht vom Freitag letzter Woche liest:
RND exklusiv Gesundheitspolitik Krankenhäuser
Trotz Personalnot – Kliniken lassen Fördergeld für Pflegestellen verfallen

Seit Jahren wird über den Personalnotstand in der Krankenpflege geklagt.
Durch ein per Gesetz aufgelegtes Förderprogramm der Krankenkassen konnten in den Kliniken zusätzlich rund 7500 Stellen geschaffen werden.
Doch es hätten mehr sein können.


Berlin. Die Krankenhäuser haben trotz der akuten Personalnot in den vergangenen vier Jahren mehr als 200 Millionen Euro Fördermittel zur Einstellung von Pflegekräften verfallen lassen. Das ergibt sich aus einem Bericht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen an das Bundesgesundheitsministerium, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.
Danach wurden von den Kliniken zwischen 2016 und 2019 aus dem Pflegestellen-Förderprogramm insgesamt rund 800 Millionen Euro abgerufen. Es stand aber knapp über eine Milliarde Euro zur Verfügung.

Von den in Anspruch genommenen 800 Millionen Euro entfällt laut Bericht mehr als die Hälfte auf das Jahr 2019. Mit den Fördermitteln wurden schließlich zusätzlich insgesamt 7403 Vollzeitstellen für Pflegefachkräfte in 684 Krankenhäusern geschaffen.

das heißt doch dann auch:
wenn von 800 Millionen Euro über 7.400 Vollzeitstellen geschaffen werden konnten, dann hätten mit den weiteren - nicht beanspruchten - über 200 Millionen Euro rund 1.900 weitere Stellen geschaffen werden können. Offensichtlich scheint die in Teilen immer noch desolate Personalsituation gewollt.

Wir können nicht umhin, in dem Zusammenhang den ver.di Personalcheck vo Anfang 2013 anzusprechen, der neben den Pflegediensten auch die anderen Abteilungen in den Krankenhäusern - etwa im Bereich der Küchen - im Blick hatte:
Kliniken fehlen 162.000 Beschäftigte
Nicht nur den Pflegekräften und dem ärztlichen Personal, sondern auch den Beschäftigten in den Klinikküchen und Wäschereien, den Reinigungs- und den Technikkräften. Insgesamt müssten, so das Ergebnis, in den deutschen Kliniken rund 162.000 Kräfte mehr eingestellt werden. …
Insgesamt wurden bei der von ver.di erhobenen Stichprobe rund 3.900 Krankenhausabteilungen erfasst, Beschäftigte, Personal-, Betriebsräte sowie Mitarbeitervertreter/innen zu Auslastung und Arbeitsbedingungen befragt. Vom Gesamtbedarf an zusätzlichen Vollzeitstellen entfielen 70.000 auf den Pflegesektor. 92.000 Stellen fehlen demnach in den Bereichen ärztlicher Dienst, Funktionsdienste medizinisch-technischer Dienst, Service und Verwaltung.
Die Untersuchung wurde von mehreren - sicher nicht gewerkschaftsnahen - Medien aufgegriffen.
Das "Manager-Magazin" schrieb noch im Jahr 2018 - als das Förderprogramm bereits lief: In Krankenhäusern fehlen 80.000 Pflegekräfte
Und die ZEIT meldete zeitgleich: Für eine gute Versorgung fehlen rund 80.000 Pflegekräfte
Dabei richtete sich der Fokus der Medien - im Gegensatz zu ver.di - lediglich auf die Pflegekräfte. Deren Fehlen war in den letzten Monaten in Zeiten von Corona auch besonders augenfällig - während die ergänzenden Funktionsdienste, medizinisch-technische Dienste, Service und Verwaltung mangels "Patientenkontakt" leider von den Medien eher nicht wahrgenommen werden.
Begründet wird dies alles von den Krankenhausträgern mit dem "fehlenden Geld". Das ist eine "faule Ausrede", denn mit dem Fördergeld für Pflegestellen hätte wenigstens der Pflegebereich besser ausgestattet werden können.

Aber die "faule Ausrede", dass nicht genug Geld für mehr Personal da ist, zählt nicht mehr. Wir zitieren dazu auch noch einmal den RND-Bericht:
Ab diesem Jahr ist eine gesonderte Förderung überflüssig, weil durch eine Reform des Finanzierungssystems alle Pflegekräfte in Krankenhäusern gesondert von den Krankenkassen bezahlt werden. Davor mussten die Kliniken die Pflege aus den sogenannten Fallpauschalen für die Behandlung der Patienten finanzieren. Das hatte dazu geführt, dass aus Kostengründen insbesondere bei der Pflege gespart worden war.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.