Sonntag, 11. November 2018

Sonntagsnotizen zum November - Schicksalstage in Schicksalsjahren

Wir haben ja bereits darauf hingewiesen - vor einigen Wochen ist die "hundertjährige Sozialpartnerschaft" gefeiert worden. Historisch gesehen einige Tage zu früh.

Lasst uns einen Blick zurück werfen:
Der Kieler Matrosenaufstand begann am 3. November 1918 nachdem die Seekriegsleitung (SKL) für den 30. Oktober eine letzte militärische Aktion gegen die weit überlegene britische Grand Fleet geplant hatte. Kieler Matrosen und Arbeiter protestierten gegen die Verhaftung der "Meuterer". Der Aufstand entwickelte sich rasend schnell zu einer flächendeckenden revolutionären Bewegung, in der Arbeiter- und Soldatenräte vielfach die Kontrolle der Städte übernahmen.
Die Novemberrevolution entwickelte sich als Befreiungsschlag gegen die Gräuel des Weltkrieges und das millionenfache Sterben in den Schlachten um die Schützengräben und auf den Meeren.
Am 11. November 1918, ab 11 Uhr, ruhten die Waffen - der erste Weltkrieg war beendet *).

Bereits am 7. November 1918 wurde in München durch Kurt Eisner das Königreich Bayern als erster Bundesstaat des Reiches zum Freistaat – also zur Republik – erklärt.
Am 9. November 1918 erfolgte in Berlin gleich zweimal die "Ausrufung der Republik": durch den SPD-Politiker Philipp Scheidemann unter bürgerlich-demokratischen und 2 Stunden später durch den Führer des Spartakusbundes, Karl Liebknecht, unter sozialistischen Vorzeichen. Letztendlich hat die Erklärung Scheidemanns den Weg in die Demokratie bereitet. Es war "eine tiefgreifende Zäsur in der deutschen Geschichte", wie Bundespräsident Steinmeier in seiner Festansprache formulierte.
Die Revolution brachte allen deutschen Parlamenten das allgemeine und gleiche Wahlrecht - endlich, zum ersten Mal auch für die Frauen! Sie bahnte den Weg zur Weimarer Nationalversammlung, zu einer republikanischen Verfassung, zur parlamentarischen Demokratie, der ersten in der Geschichte unseres Landes. Auch die Fundamente des modernen Sozialstaats legte diese Revolution: Achtstundentag, Tarifpartnerschaft, Mitbestimmung durch Betriebsräte - all das steht für den sozialen Fortschritt, der damals inmitten der Nachkriegswirren begann.
Tatsächlich verkündete der "Rat der Volksbeauftragten" bereits am 12. November, dass zu den neuen Regeln auch das Wahlrecht der Frauen gehören würde - eine wahrlich revolutionäre Umwälzung.

In der Panik vor einer Enteignung entschlossen sich die Fabrikanten, die vorher die Gewerkschaften bekämpft hatten, schon am 15. November 1918 zum "Stinnes-Legien-Abkommen" und der Kooperation mit Gewerkschaften. Die Arbeitgeberverbände erkannten diese als Vertreter der Arbeiterschaft an (Nr. 1 der Vereinbarung) und vereinbarten die Arbeitsbedingungen durch Kollektivvereinbarungen (Nr. 6 der Vereinbarung; später Tarifverträge) zu regeln. Zugleich wurde damit von Arbeitgeberseite die Einrichtung von Arbeiterausschüssen in den Betrieben (Nr. 7 der Vereinbarung; später Betriebsräten) zugestanden.
Das Abkommen war die Vorlage für gesetzliche Normen in der Weimarer Republik (Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestellten-Ausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten vom 23. Dezember 1918) und das Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949.

In der die am 31. Juli 1919 in Weimar beschlossenen, am 11. August ausgefertigten und am 14. August 1919 verkündeten ersten effektiven demokratische Verfassung Deutschlands (Weimarer Verfassung) wurde im 5. Abschnitt das Wirtschaftsleben geregelt. Dieser Abschnitt zielte auch auf die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsrechts. Der Schutz des Koalitionsrechts (Art. 159) und von Arbeitnehmerrechten wurde garantiert, was auch die Bildung von Betriebsräten umfasste, zudem wurden auch „soziale Rechte“ (Art. 162) eingeräumt.

Es ist kein Zufall, dass Adolf Hitler ausgerechnet am 9. November 1923 in München den ersten Anlauf zum Sturz der Republik unternahm.

Nur wenige Jahre später wurde der Mohr, der seine Schuldigkeit getan hatte, mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zu Tode gehetzt (Zerschlagung der Gewerkschaften am 02.Mai 1933).
1. Merksatz:
Demokratie ist immer auch mit gewerkschaftlicher Betätigungsfreiheit verbunden. Beschränkungen der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit und Pseudogewerkschaften gibt es in autoritären, autokratischen und undemokratischen Systemen.

Die Zerschlagung der Gewerkschaften war der erste - für alle erkennbare - Schritt einer Entwicklung, die über die Reichspogromnacht am 09. November 1938 geradewegs in die Schoah und die Gräuel des nächsten Weltkrieges führte und jeden Widerstand - egal ob aus politischen oder religiösen Gründen - in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis ersticken wollte.
Wir zitieren dazu aus einem Interview mit dem Vorsitzenden des Diözesanrats im Erzbistum Berlin
"Antisemitismus ist mit Christentum nicht zu vereinbaren"

DOMRADIO.DE
: Vor 80 Jahren waren die Kirchen still, sie haben sich sehr zurückgehalten und diese grausamen Taten geschehen lassen. Heute stehen sie auf, zeigen Solidarität. Wie groß ist denn da die Resonanz?

Streich: Damals haben viele Menschen geschwiegen, viele haben weggesehen und das trifft leider auch auf die Kirchen zu. Aber es gab auch Ausnahmen wie Bernhard Lichtenberg, der hier in Berlin als Dompropst die Missstände offensiv benannt hat und das in seine Abendgebete eingebunden hat.
Schweigen und sich wegducken vor den Mächtigen - das ist der Grundstock für den Machtmissbrauch in allen Organisationen. Oder, um es mit Kardinal Lehmann zu sagen: "Ausweichen ist eine törichte Haltung"
2. Merksatz:
Es kann keine Neutralität geben. Wer im Konflikt zwischen den Schwachen und den Mächtigen "neutral" sein will, der steht auf der Seite der Mächtigen und drückt sich vor seiner eigenen Verantwortung.

Lasst uns zum Abschluss dieser Betrachtung noch ein weiteres Novemberdatum in Erinnerung rufen:
Am 9. November 1989 erfolgte der "Mauerfall". Das Grenzbefestigungssystem der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), das mehr als 28 Jahre, vom 13. August 1961 an, Westberlin isoliert hatte, wurde beseitigt.
Nunmehr gibt es auch in den neuen Bundesländern der ehemaligen DDR demokratische und unbeschränkte gewerkschaftliche Rechte.

Zurück zu den Gewerkschaften als "Zwillingsgeburt" der Demokratie in Deutschland.

Die Angriffe gegen gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit sind immer wieder aktuell:
Die Kirchen verweigern (mit Ausnahmen) seit Jahrzehnten die Kooperation und Zusammenarbeit, vielfach sogar Gespräche mit Gewerkschaften.
So hat die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern mit Wirkung vom 01.01.1977 ein Arbeitsrechtsregelungsgesetz in Kraft gesetzt, in dem das Verfahren zur Gestaltung der Dienstverhältnisse der Mitarbeitenden im kirchlichen und diakonischen Dienst festgelegt wird. Danach wird für die Ordnung und Fortentwicklung der Arbeitsbedingungen der Angestellten sowie der Arbeiter und Arbeiterinnen eine Arbeitsrechtliche Kommission gebildet, und damit die Kooperation mit starken Gewerkschaften ausgeschlossen.
Und was für die Diakonie gilt, gilt für Caritas und katholische Kirche - entgegen dem universellen Kirchenrecht und der katholischen Soziallehre - ebenso.

Und diese Verweigerungshaltung ist nicht nur auf die Kirchen beschränkt:
Anfang 2003 bezeichnete der FDP-Vorsitzenden Westerwelle die Gewerkschaften als "die wahre Plage in Deutschland".
Zeitgleich hatte der jetzige Kandidat zum CDU-Vorstand, Friedrich Merz, Aufsichtsratschef der weltgrößten Investmentfirma "Blackrock" einen Großangriff auf die Gewerkschaften propagiert und in einem Spiegel-Interview eine massive Beschränkung gewerkschaftlicher Rechte gefordert:
Zitat: Wenn man einen Sumpf austrocknen will, darf man nicht die Frösche fragen.
Was ist die Ursache für diese Bekämpfung von Gewerkschaften? Ich meine: das ist ein Zeichen für deren Stärke. Denn nur wirkmächtige Organisationen, nur Verbände, die Wirksamkeit entfalten, die tatsächlich Druck erzeugen und etwas erreichen können, müssen in so einer Form angegriffen werden.

Und es ist Aufgabe der Gewerkschaften, sich solidarisch für die Interessen Ihrer Mitglieder einzusetzen, eine Spaltung der Arbeitnehmerschaft zu verhindern und so einen Ausgleich gegenüber den übermächtigen Interessen der Arbeitgeber zu schaffen, denen einzelne Mitarbeiter sonst ausgeliefert wären. Es ist kein Zufall, dass zeitgleich mit der Demokratie auch die Koalitionsfreiheit verfassungsrechtlich garantiert wurde.

Wir möchten zur Aufklärung die Bundeszentrale für politische Bildung zitieren:
Gewerkschaften (G) sind auf Dauer angelegte, staats-, partei- und gegnerunabhängige Vereinigungen von und für Arbeitnehmer/n, die auf freiwilliger Mitgliedschaft basieren. Als etablierte Verbände organisieren sie abhängig Erwerbstätige (Arbeiter, Angestellte, Beamte) mit dem Ziel, deren wirtschaftliche, soziale, gesellschaftliche und politische Interessen zu vertreten. Im Mittelpunkt der Gewerkschaftstätigkeit steht die Regulierung der Arbeitsbedingungen (Entlohnung, Arbeitszeit, Urlaub etc.) durch kollektive Vereinbarungen (Tarifverträge) mit Arbeitgeberverbänden und – in geringem Umfang – mit einzelnen Unternehmen (sog. Haustarifverträge).

Einflussnahme und Interessenvertretung von G.en richten sich aber auch auf die Institutionen und Träger politischer Entscheidungsprozesse, insbesondere bei sozial- und wirtschaftspolitischen Themen.
...
Die rechtliche Grundlage für G.en findet sich im Art. 9 des → Grundgesetzes, der neben der Vereinigungsfreiheit als Staatsbürgerrecht (Art. 9 Abs. 1) in Abs. 3 die Koalitionsfreiheit "für jedermann und für alle Berufe" gewährt "zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen". Vergleichbare rechtliche Garantien sind auch mit den von der BRD ratifizierten ILO-Übereinkommen 87, 98 und 135 gegeben.

Als "katholischer Blog" können wir natürlich die Vorgaben des päpstlichen Lehramtes nicht unzitiert lassen. Statt vieler Verweise beschränken wir uns auf die Enzyklika "Laborem Exercens" vom 14. September 1981:
(Die Gewerkschaften) nehmen teil am Kampf für die soziale Gerechtigkeit, für die berechtigten Ansprüche der Arbeitenden in den verschiedenen Berufen. Es ist dies aber kein Kampf gegen andere. Wenn er bei umstrittenen Fragen auch den Charakter einer Opposition gegen andere annimmt, so geschieht das im Hinblick auf das Gut der sozialen Gerechtigkeit und nicht um des »Kampfes« willen oder um den Gegner auszuschalten. Es ist ein Kennzeichen der Arbeit, daß sie die Menschen vor allem eint; darin besteht ihre soziale Kraft: sie bildet Gemeinschaft. In dieser Gemeinschaft müssen sich letzten Endes alle irgendwie zusammenfinden, sowohl jene, die arbeiten, wie auch jene, die über die Produktionsmittel verfügen oder sie besitzen. Im Licht dieser grundlegenden Struktur jeder Arbeit - im Licht der Tatsache, daß schließlich in jedem sozialen System »Arbeit« und »Kapital« die unentbehrlichen Elemente des Produktionsprozesses sind - bleibt der arbeitsbedingte Zusammenschluß von Menschen zur Verteidigung der ihnen zukommenden Rechte ein positiver Faktor der sozialen Ordnung und Solidarität, von dem man nicht absehen kann.

Könnten wir uns jetzt noch einen Blick in die Zukunft erlauben?
Am 8. November 2018 hat Bischof Overbeck in einem bemerkenswerten Interview mit dem Domradio (Köln) zur Zukunft der Kirche festgestellt:
"Die alte Zeit ist zu Ende"

DOMRADIO.DE: Sie haben aktuell von einem "point of no return" gesprochen für die Kirche bei der Aufbereitung des Missbrauchs. Wohin darf die Kirche Ihrer Ansicht nach nicht wieder zurückfallen?

Bischof Franz-Josef Overbeck (Bistum Essen): Der "point of no return" bedeutet, dass nach einem solchen Ereignis wirklich alles anders ist als vorher. Ich habe den Vergleich gezogen mit dem Fall der Mauer: viele Themen gab es vorher, sie mussten dann anders und neu beantwortet werden. Und so glaube ich, dass wir uns gut nach vorne hin aufstellen müssen im Blick auf den Opferschutz. Und auch im Blick auf eine wirklich sehr konsequente Betrachtung dieser ungeheuerlichen Ereignisse und Verbrechen aus der Perspektive der Opfer und der Folgen für sie. Das darüber Hinausgehende und damit Verbundende ist, dass wir uns natürlich den Rechtsfolgen für die Kirche und damit der Frage nach der Macht und nach den Formen des Umgangs miteinander stellen müssen. Da müssen wir uns wirklich nach vorne entwickeln. Die alte Zeit ist zu Ende.

Aber wir müssen uns auch den großen damit verbundenen Fragen neu zuwenden, die sich daraus ergeben: der Umgang mit Sexualität, mit Geschlechtergerechtigkeit, dem Zölibat und auch den Fragen, was das bedeutet für die Rolle der Frau in der Kirche. Mir scheint, dass diese Fragen - weil sie nicht neu sind - jetzt nach diesem Skandal und mitten in seiner Aufarbeitung ein neues Gewicht gewinnen. Wir können und müssen uns dem stellen.

DOMRADIO.DE: Die Wissenschaftler haben gesagt, es sei ein strukturelles Problem. Auch die Machtfrage haben Sie angesprochen. Oft geben diejenigen, die Macht haben, sie nicht freiwillig ab. "Bei euch soll es nicht so sein", sagt die Bibel. Kann das das Motto sein?

Overbeck: Mir ist wichtig darauf hinzuweisen, dass Macht für jedes System gut auszunützen, für jede Institution bedeutsam ist und bleibt. Und das gilt auch für uns als Kirche. Hier sind Fragen der Machtkontrolle und der Machtteilhabe angesprochen, die in allen Punkten helfen zu verhindern, dass die Logiken, die zu diesem Skandal geführt haben, auf Dauer wirklich abgeschafft bleiben. ...
Daraus folgt:
3. Merksatz:
Macht verlangt Grenzen, auch und gerade wenn es unbequem für die Herrschenden ist.
Und große Macht - egal ob politische oder wirtschaftliche Macht - verlangt starke Begrenzung.
Dazu noch ein Kommentar im Domradio:
Führende Kirchenmänner wählen ihre Worte mit Bedacht. Gerade in diesen Tagen, da in vielen Bistümern der Ausnahmezustand herrscht, weil entschieden werden muss, wie man mit "Altlasten" umgeht. So setzt sich im Bistum Freiburg der amtierende Bischof Burger deutlich von seinem Vorgänger, Robert Zollitsch, ab, dem er Vertuschung von Missbrauchsfällen vorwirft.

Ruhrbischof Overbeck spricht aber nicht nur von der nötigen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, die ja erklärtes Ziel aller kirchlichen Verantwortungsträger ist. Hellhörig macht es, dass Bischof Franz-Josef im gleichen Atemzug auf das Bild vom Mauerfall in Deutschland verweist. Der Fall der Mauer am 9. November 1989 war das endgültige Ende der DDR. Das Regime hatte abgewirtschaftet. Das System des Sozialismus, so wie es real über Jahrzehnte in Ostdeutschland existiert hatte, war am Ende. Es vollzog sich ein unumkehrbarer Systemwechsel. Eine Systemveränderung ist nach Ansicht des Essener Bischofs auch in der Katholischen Kirche angesagt.

Die Frage der Macht, und wie Kirchenverantwortliche damit umgehen, der Umgang mit der breiten Palette der kirchlichen Problemthemen Sexualität, Homosexualität, Zölibat – all das gehört Overbecks Meinung nach auf den Prüfstand. **)
Ob diese "Machtfrage" auch die Kooperation mit Gewerkschaften einschließt?
4. Merksatz:
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Wir möchten ein Zitat von Bischof Kohlmann dazu etwas abwandeln:
Kleriker müssen von ihrem hohen Ross absteigen

Die Kirche möchte die christliche Botschaft wieder glaubhaft weitergeben und vorleben? Dann müsse so mancher Seelsorger zunächst von seinem hohen Ross herabsteigen, sagt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf.

Heute morgen, am 11. November 2018, begann mit einem Gottesdienst um 9:30 Uhr die EKD Synode in Würzburg. Seit 9:00 Uhr trafen sich Kolleginnen und Kollegen am Wilhelm Schwinn Platz, an der Kirche St. Stephan, um bei der EKD gewerkschaftliche Kooperation einzufordern.



Anmerkungen:
*)
Der 11. November 1918, also das Ende des Ersten Weltkriegs, gilt auch als Schlüsseldatum für die Entstehung der Zweiten Polnischen Republik. Preußen, Russland und Österreich-Ungarn hatten 1795 ganz Polen unter sich aufgeteilt, so dass Polen 1918 nach 123 Jahren wieder einen eigenen Staat bilden konnte.
Es ist ein schöner Zufall der Geschichte, dass Papst Johannes Paul II. mit seiner Enzyklika "Laborem exercens" gerade und zuerst in seiner polnischen Heimat die Gewerkschaftsbewegung "Soliarnosc" gestärkt hat. Und die Frage darf gestellt werden, wann das, was östlich von Oder und Neisse als selbstverständliches katholisches Ethos verstanden wird, auch westlich der beiden Flüsse als solches erkannt wird.

**)
Wenn wir hier exemplarisch für Machtmissbrauch die Missbrauchsdebatte der katholischen Kirche aufführen, die unsere Kirche tatsächlich auch "bis in's Mark erschüttert", dann möchten wir ausdrücklich betonen:
Missbrauch ist kein Spezifikum der katholischen Kirche.
Auch die Evangelische Kirche will auf Ihrer Synode den Missbrauch aufarbeiten, auch sie ist "anfällig für Missbrauch“. Auch dort "wurde vertuscht und versetzt", und das beklagen insbesondere auch die Frauen in der EKD.
Missbrauch findet sich auch in Vereinen und im familiären Umfeld. Es ist symptomatisch für ein völlig überzogenes Machtgefälle in einer Gruppe von Menschen. Sexueller Missbrauch oder auch Finanzskandale sind eine Erscheinungsform von Machmissbrauch.
Gewerkschaften schränken den Machtmissbrauch in wirtschaftlich tätigen Organisationen ein.
Es hilft nichts, als Gegenmittel den "Geist der Freiheit" nur zu beschwören, wie das der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm gleich zu Beginn der Synode getan hat. Freiheit schließ auch gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit ein. Nur daraus kann Kooperation entstehen.

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