Freitag, 27. Februar 2015

Kann Gewerkschaft Sünde sein? Teil 2: Das sagt das (Kirchen-)Recht!

Am letzten Freitag hatten wir rudimentär eine theologische und kirchenrechtliche Begründung gegeben, warum "Versuche kirchlicher Arbeitgeber", den eigenen Mitarbeitern "die Gewerkschaft auszureden" nicht auf dem Boden der katholischen Lehre stehen.
Heute möchten wir - analog der Reihenfolge im dort verlinkten can. 1286 CIC
Die Vermögensverwalter haben:
1° bei der Beschäftigung von Arbeitskräften auch das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens gemäß den von der Kirche überlieferten Grundsätzen zu beachten;
....
- dem von der Kirche ausdrücklich anerkannten "weltlichen Arbeitsrecht" einige Zeilen widmen:

Ausdrücklich anerkannt? Ja - denn die Konkordatsvereinbarungen sind eine authentische Quelle:
Und im I. Buch des CIC ist in Can. 3 ausdrücklich festgelegt:
Die Canones des Codex heben die vom Apostolischen Stuhl mit Nationen oder anderen politischen Gemeinschaften eingegangenen Vereinbarungen weder ganz noch teilweise auf; diese gelten daher wie bis jetzt fort ohne die geringste Einschränkung durch entgegenstehende Vorschriften dieses Codex.
Damit kommt aus kirchlicher Sicht namentlich der Regelung des Reichskonkordats eine besondere, überragende Bedeutung zu. Und dort ist im Artikel 1 ausdrücklich vereinbart:
Das Deutsche Reich gewährleistet die Freiheit des Bekenntnisses und der öffentlichen Ausübung der katholischen Religion.
Es anerkennt das Recht der katholischen Kirche, innerhalb der Grenzen des für alle geltenden Gesetzes, ihre Angelegenheiten selbständig und zu ordnen und zu verwalten und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre Mitglieder bindende Gesetze und Anordnungen zu erlassen.
Es ist also der Staat, der mit dem für alle geltenden Gesetz die Grenzen des kirchlichen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts festlegt. Auf dieser Grundlage war die Kirche (wie wir am 29.10.2013 unter B) ausgeführt hatten, auch entgegen der eigenen Überzeugung) ab 1938 gezwungen, die faschistischen Arbeitsordnungen (TOA) für ihre eigenen Mitarbeiter zu übernehmen.
Heute sollte das Grundgesetz als wichtigste Rechtsquelle des "für alle geltenden Gesetzes" anerkannt sein. Und in Artikel 9 des Grundgesetzes ist klar und unmissverständlich geregelt:
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Die kirchlichen Arbeitgeber, für die das Grundgesetz doch wohl auch gelten sollte, dürfen eine gewerkschaftliche Betätigung somit nicht verhindern.
Im Gegenteil: sie sind nach dem "für alle geltenden Gesetz" sogar verpflichtet, gewerkschaftliche Betätigungen zu fördern. Das ergibt sich aus den von Deutschland ratifizierten IAO Abkommen. Diese haben
gemäß Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) in Deutschland grundsätzlich den Rang von einfachen Bundesgesetzen.
.Alle Abkommen sind unter www.ilo.org verfügbar. In unserer Frage sind drei Abkommen von besonderer Bedeutung. Es handelt sich um das IAO-Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts Nr. 87 aus dem Jahr 1948 (am 4. Juli 1950 in Kraft getreten) und um das IAO-Übereinkommen über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen Nr. 98 aus dem Jahr 1949 (am 18. Juli 1951 in Kraft getreten).
Im Übereinkommen Nr. 135 ist darüber hinaus geregelt:
Artikel 1:
Die Arbeitnehmervertreter im Betrieb sind gegen jede Benachteiligung, einschließlich Kündigung, die auf Grund ihrer Stellung oder Betätigung als Arbeitnehmervertreter oder auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder ihrer gewerkschaftlichen Betätigung erfolgt, wirksam zu schützen, sofern sie im Einklang mit bestehenden Gesetzen oder Gesamtarbeitsverträgen oder anderen gemeinsamen vereinbarten Regelungen handeln.

Artikel 2
1. Den Arbeitnehmervertretern sind im Betrieb Erleichterungen zu gewähren, die geeignet sind, ihnen die rasche und wirksame Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen.
...

Artikel 3
Als „Arbeitnehmervertreter" im Sinne dieses Übereinkommens gelten Personen, die auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis als solche anerkannt sind, und zwar
a) Gewerkschaftsvertreter, d.h. von Gewerkschaften oder von deren Mitgliedern bestellte oder gewählte Vertreter, oder
b) gewählte Vertreter, d.h. Vertreter, die von den Arbeitnehmern des Betriebs im Einklang mit Bestimmungen der innerstaatlichen Gesetzgebung oder von Gesamtarbeitsverträgen frei gewählt werden und deren Funktionen sich nicht auf Tätigkeiten erstrecken, die in dem betreffenden Land als ausschließliches Vorrecht der Gewerkschaften anerkannt sind.
gewerkschaftliche Verterter - die sogenannten "Vertrauensleute", aber auch externe Mitarbeiter der Gewerkschaften selbst - werden also den Betriebs- und Personalräten sowie den Mitarbeitervertretern zumindest gleich getellt. Dort, wo es beide Gremien gibt, gilt
Artikel 5
Sind in einem Betrieb sowohl Gewerkschaftsvertreter als auch gewählte Vertreter tätig, so sind nötigenfalls geeignete Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, daß das Vorhandensein gewählter Vertreter nicht dazu benutzt wird, die Stellung der beteiligten Gewerkschaften oder ihrer Vertreter zu untergraben, und um die Zusammenarbeit zwischen den gewählten Vertretern und den beteiligten Gewerkschaften und ihren Vertretern in allen einschlägigen Fragen zu fördern.
Nun könnte man behaupten, die Kirche sei aufgrund der "kollektiven Religionsfreiheit" von allen weiteren Bestimmungen der "für alle geltenden Gesetze" befreit. Der Staat habe der Kirche das Recht zugestanden, sich aus religiösen Gründen über die Koalitionsfreiheit hinweg zu setzen. Nur gälte dann immer noch der eingangs bereits zitierte can. 1286 CIC, der die kirchlichen Vermögensverwalter auch und gerade verpflichtet, die katholische Soziallehre zu beachten (darüber nächste Woche mehr). Gewerkschaftliches Engagment ist also auch nach eigenem, kirchlichen Recht zu akzeptieren.

Aber selbst wenn das nicht so wäre, und die Kirche sich nicht dem Koalitionsrecht beugen müsste - sondern rechtswirksam davon befreit, also priveligiert wäre:
"Doch setzt sie (die Kirche) ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden. Sie wird sogar auf die Inanspruchnahme legitim erworbener Rechte immer dann verzichten, wenn feststeht, daß sonst die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage gestellt ist, oder wenn veränderte Verhältnisse eine andere Regelung erfordern."
(Pastoralkonstitution)


Bisherige Beiträge in der Reihe:
"Kann Gewerkschaft Sünde sein?" 1. Teil: allgemeine Ausführungen


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