Samstag, 8. Oktober 2022

Zum Stand der Debatte um das neue kirchliche Arbeitsrecht

hat das Domradio (Köln) gestern zwei Berichte gebracht:
Euphorie mit Einschränkungen

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Was in dem einen Bistum zur Kündigung führen kann, mag in dem anderen Bistum niemanden interessieren - man könnte das auch als Willkür auslegen. Doch die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen zu einem Leben gemäß der kirchlichen Sittenlehre sollen nun fallen. Das sorgt bei vielen für Erleichterung - wenngleich ein Rest Skepsis bleibt.
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(Quelle) und
Liebesleben der Angestellten reine Privatsache

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Denn bislang verknüpft die Kirche das Angestelltenverhältnis mit bestimmten Pflichten, die weit über das hinausgehen, was ein normaler Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern verlangen kann.
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Zwar stehen die Bischöfe unterschiedlich zur geplanten Lockerung, die einen begrüßen sie, andere finden sie problematisch. Aber einen "Flickenteppich" im kirchlichen Arbeitsrecht wollen offenbar die meisten vermeiden. Denn der würde dazu führen, dass etwa ein in zweiter Zivilehe lebender Arzt seinen Klinikjob im "sittenstrengen" Bistum A kündigt und ins "liberale" Bistum B wechselt.
Deshalb erwarten Beobachter, dass sich die Bischöfe bei ihrem Ständigen Rat Ende November trotz aller Meinungsunterschiede zum Thema Sexualmoral doch auf eine einheitliche Grundordnung einigen, in der künftig das Liebesleben der kirchlichen Angestellten außen vor bleibt.
(Quelle)

Zusammenfassend: Es droht ein offener Dissens, etwa entlang der Bistumsgrenze zwischen München-Freising und Regensburg, und damit bei Landshut entlang der Isar. Wie lässt sich da bei einer arbeitsgerichtlichen Klage erklären, dass im Bistum A ein Verhalten zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führt, das im Bistum B völlig problemlos akzeptiert werden kann?
Um einen offenen Dissens zu vermeiden werden die Bischöfe versucht sein, das übliche Konzept "Minimalkonsens" anzuwenden. Umgesetzt wird nur die Regelung, die auch jeder einzelne Bischof noch akzeptieren kann. Und damit sich möglichst alle in der Regelung wiederfinden, wird eine unpräzise Formulierung mit vielen unbestimmten Rechtsbegriffen gewählt.

Diese reformunwilligen Bischöfe und ihre willfährigen Haus- und Hofjuristen übersehen eines: die der Kirche insgesamt eingeräumte Regelungsbefugnis gilt nur für die "eigenen" Angelegenheiten. Und alleine schon die Zuständigkeit staatlicher (Arbeits-)Gerichte belegt, dass es sich bei den Streitfällen nicht um interne, eigene Angelegenheiten handelt, sondern zumindest um Angelegenheiten, in denen sich kirchlicher und staatlicher Rechtskreis überschneiden. Es sind keine "res sacrae" sondern "res mixta", die vor staatlichen Gerichten landen. Damit steht eine umfassende kirchliche Rechtsetzungsbefugnis auf sehr tönernen Füßen.

Der Staat kann zudem schon durch einfachgesetzliche Regelungen die Befugnisse der Kirchen durch "für alle geltendes Gesetz" begrenzen. So könnte jeder Landtag die Geltung des jeweiligen Personalvertretungsgesetzes auch auf die öffentlich-rechtlich verfassten Kirchen ausdehnen.
Viele Rechte der Beschäftigten sind jetzt schon verfassungsrechtlich garantiert. Dazu gehört das Koalitionsrecht, das entgegen Art. 7 Abs. 2 der Grundordnung /GrO) implizit das Streikrecht einschließt. Ein Recht, das im Übrigen auch durch die katholische Kirche sowohl in den eigenen Sozialenzykliken wie auch im Katechismus und über can. 1286 CIC weltkirchlich ausdrücklich anerkannt ist. Eine Ausnahme kann nur im Rahmen der tarifvertraglichen Friedenspflicht gelten.

Die spannede Frage wird sein, ob einzelne oder gar viele Bischöfe noch immer auf so hohem Roß sitzen, dass sie meinen, sich weiter über Grundrechte der Beschäftigten hinweg setzen zu können.

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