Der Deutschlandfunk (DLF) beschreibt unter der Überschrift
Religionsgemeinschaften und Koalitionsvertragallgemein ethische Aussagen, lässt aber das uns interessierende Thema unberührt. Abschließend stellt der DLF fest:
Mehr Licht oder mehr Schatten?
Die Deutsche Bischofskonferenz wollte sich zum neuen Koalitionsvertrag in einem Interview nicht äußern. Das höchste Laiengremium aber, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), begrüßt die Einigung. ZdK-Präsident Thomas Sternberg wörtlich: „Dieser Koalitionsvertrag ist besser als der Ruf, der ihm in den letzten Wochen in den Medien vorauseilte“.
Das Domradio bringt einen Aspekt in einem Interview mit Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Praktische Theologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, auf den Punkt:
Unsere Gesellschaft ist religionsplural geworden.und damit wird deutlich, dass kein Platz für kirchliche Sonderrechte wie etwa ein Sonderarbeitsrecht besteht - denn was mein den Kirchen zugesteht, darf man anderen Religionsgemeinschaften nicht verwehren.
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Die anderen großen Religionsgemeinschaften, die angesprochen werden, sind Judentum und Islam. Für letzteren geht es im Vertrag sehr darum, zur Integration zu kommen, zur Unterstützung muslimischer Gemeinden. Da findet sich nicht mehr das, was vorher ganz stark im Fokus war, nämlich islamistischer Extremismus und Terrorismus. Da findet sich gar nichts dazu. Und für die jüdischen Gemeinden geht es eigentlich sehr schnell um den Blick auf den Antisemitismus, was ein ganz wichtiger Punkt momentan ist.
Kirchen und Religionsgemeinschaften haben demnach einen wichtigen Platz - den der ethisch-moralischen Wertevermittlung. Sie vermitteln einen Wertekompass, eine ethische Richtschnur auf religiöser Grundlage. Das ist enorm viel, eine zentrale Basis der Gesellschaft. Aber das bedeutet gerade in einer "religionspluralistischen Gesellschaft" keine konkrete Machtzuweisung, keine rechtliche Sonderrolle.
Das evangelische Magazin "chrismon" nimmt wohl diesen Aspekt auf:
Da steht wenig C drauf
Aber es ist viel christliches Gedankengut drin im neuen Koalitionsvertrag, findet Michael Güthlein.
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Im neuen, 178 Seiten starken Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen" der Ampelparteien SPD, Grüne und FDP kommen die Wörter Kirche/kirchlich und Religion/religiös je acht Mal vor. Christentum gar nicht. Kirchen und Religionsgemeinschaften seien "ein wichtiger Teil unseres Gemeinwesens", "leisten einen wertvollen Beitrag für das Zusammenleben und die Wertevermittlung", Fazit der Koalitionäre: Religionsgemeinschaften werden geschätzt und geachtet. Tiefer geht die Zuneigung aber nicht. Thematisch geht es um das kirchliche Arbeitsrecht, das nach einer Prüfung dem staatlichen angeglichen werden könnte und die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, die die Regierung begleiten und fördern möchte. Außerdem ist eine Ablösung der Staatsleistungen angedacht, einer Zahlung in Höhe von einer halben Milliarde Euro, die die Kirchen jährlich als Ausgleich für entzogene Vermögenswerte während der Säkularisation erhalten. Und die eigentlich seit der Weimarer Verfassung schon eingestellt werden sollten. Das könnte nun tatsächlich geschehen.
Zunächst mag sich das alles aus kirchlicher Perspektive ernüchternd lesen, aber wer einen genaueren Blick auf die Vorhaben der neuen Koalition wirft, sieht, dass viele Pläne dem Ansinnen der evangelischen Kirche wesentlich näher kommen als in der vorherigen Regierung.
Aus juristischer Sicht hat die Anwaltskanzlei KUNZ eine Auswertung allgemeiner arbeitsrechtlicher Themen in's www gestellt, ohne aber auf die spezielle Problematik eines eigenständigen kirchen Arbeitsrechts einzugehen.
Die Regelungen zum Arbeitsrecht im KoalitionsvertragDie weiteren Aussagen - etwa zum Thema "Betriebsverfassung" - berühren das von den Kirchen beanspruchte Sonderarbeitsrecht nicht. Und die folgende kurze Aussage ist dann auch präzise:
Der mit Spannung erwartete Koalitionsvertrag der wohl zukünftigen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP enthält im Bereich Arbeitsrecht keine größeren Überraschungen. Auf der einen Seite finden sich zwar wenig Ansatzpunkte für angedachte Reformen, auf der anderen Seite damit aber auch wenig gesellschaftlicher Sprengstoff wie er von einigen erwartet worden war.
SonstigesVielleicht müssen wir wirklich noch etwas warten, bis dieses spezielle Thema die Medien im main-stream erreicht - oder bis sich die kirchliche Sonderrolle "ausläuft", weil in der künftigen Gesetzgebung keine Ausnahmen und Sonderrechte mehr zugestanden werden?
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Das kirchliche Arbeitsrecht soll in verkündungsfernen Bereichen dem staatlichen Arbeitsrecht stärker angeglichen werden. Wie dies umgesetzt werden soll, bleibt offen. Offenbar sollen hier zunächst Gespräche mit den Kirchen stattfinden.
Insgesamt enthält der Koalitionsvertrag daher viele, teils gute Absichten, aber wenig konkrete Neuerungen. Teilweise bleiben die Abmachungen sogar unter denen der Vorgängerregierung zurück. Zum Arbeitsrecht gibt es also aus Berlin nichts Neues.
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