Freitag, 26. November 2021

Koalitionsvertrag: Reaktion der kirchennahen Medien

Inzwischen liegen die ersten Reaktionen der kirchennahen Medien vor.
Radio Vatikan meldet:
Kirchliche Organisationen loben Aspekte des Koalitionsvertrag
Kirchliche Organisationen haben den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP in bestimmten Bereichen weitgehend als positiv bewertet.
Allerdings wurde auch Sorge um den Schutz der Religionsfreiheit weltweit laut.
Das Domradio bringt ein Interview mit der neuen Caritas-Präsidentin, deren Bewertung aus kirchlicher Sicht wohl unserem gestern geposteten ersten Eindruck entspricht:
Caritas-Präsidentin erleichtert über Koalitionsvertrag
"Die Sorge ist deutlich geringer geworden"
Welche Konsequenzen wird der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP für kirchlich Angestellte haben? Und wie sieht es mit den Themen Soziales oder Migration aus? Die Caritas freut sich, dass Änderungen "im Dialog" erarbeitet werden sollen.
und weiter:
DOMRADIO.DE: Thema kirchliches Arbeitsrecht. Die Ampelkoalition plant, das kritisch in den Blick zu nehmen. Es heißt dort: Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Was wird das denn insbesondere für die Caritas bedeuten?

Welskop-Deffaa: Es war ja schon den Wahlprogrammen der Parteien zu entnehmen, die jetzt koalieren, dass das kirchliche Arbeitsrecht Thema werden würde. Wir freuen uns, dass hier letztlich ein Gesprächsangebot an die Kirchen gemacht wird. Es steht ja ausdrücklich drin "gemeinsam mit den Kirchen" soll darüber nachgedacht werden. Und es ist ja so, dass auch wir selbst als katholische Kirche im Augenblick damit beginnen, unsere Grundordnung zu evaluieren, noch mal zu schauen: Hat sich das bewährt, was wir hier vor sechs Jahren verabredet haben in Bezug auf die Loyalitätsobliegenheiten und ähnliche Regulierungen? Und von daher bin ich zuversichtlich, dass wir einen Dialog gestalten können, der am Ende gute Arbeit für alle in der Caritas und darüber hinaus weiter befördert.
Katholisch.de meint:
Ampel-Koalition: Mehr Trennung zwischen Staat und Kirche wagen
Analyse - Die Katze ist aus dem Sack: Am Mittwoch legten SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vor. Der mutet den Kirchen einiges zu. Was erwartet sie ohne Beteiligung der traditionell christlich geprägten Unionsparteien in der Bundesregierung? Eine Analyse.
und führt dann aus:
Der Abschnitt zu Kirchen und Religionsgemeinschaften wird mit einem wertschätzenden Absatz eingeleitet: "Kirchen und Religionsgemeinschaften sind ein wichtiger Teil unseres Gemeinwesens und leisten einen wertvollen Beitrag für das Zusammenleben und die Wertevermittlung in der Gesellschaft. Wir schätzen und achten ihr Wirken." Das reicht aber auch an Nettigkeiten – danach geht es zur Sache. Die Koalitionäre kündigen ein zusammen mit den Ländern und Kirchen entwickeltes "Grundsätzegesetz" an, das einen "fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen" schaffen will. Grundsätzlich haben sich in der Vergangenheit auch die Kirchen offen gezeigt für eine Ablösung der Staatsleistungen. Zugleich gibt es aber innerkirchlich Bedenken, wie angesichts sinkender Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuereinnahmen die Folgen eines solchen Gesetzes getragen werden können. Gerade die kleineren Bistümer und Landeskirchen im Osten bestreiten einen größeren Teil ihres Jahreshaushalts aus Staatsleistungen als die mitgliederstarken Kirchen im Westen.

Staat-Kirche-Verhältnis auf den Prüfstand
Generell stehen die Zeichen auf größeren Abstand zwischen Staat und Kirche: Das Religionsverfassungsrecht soll "im Sinne des kooperativen Trennungsmodells" weiterentwickelt werden.
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Geplant ist auch, das kirchliche Arbeitsrecht kritisch in den Blick zu nehmen: "Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann", heißt es im Kapitel über betriebliche Mitbestimmung, fast wörtlich aus dem SPD-Wahlprogramm übernommen. Verkündigungsnahe Tätigkeiten sollen dabei aber ausgenommen werden. Wieviel Konfliktpotential hier besteht, ist noch nicht abzusehen. Den Kirchen selbst ist im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der das in Deutschland traditionell hochgehaltene Selbstverwaltungsrecht der Kirchen weniger beachtet als die deutschen Gerichte, klar, dass hier Änderungen unvermeidlich sind.
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Auf die Kirchen kommt eine spannende Legislaturperiode zu: Jahrelang hatte sie in der Bundesregierung eine Verbündete, die am Status quo des Verhältnisses von Staat und Kirche nichts Großes ändern wollte. Auf europäischer Ebene warb die unionsgeführte Regierung für das besondere Verhältnis in Deutschland und verhandelte beispielsweise Ausnahmen für Religionsgemeinschaften in Verordnungen, in denen man sie nicht erwartet hätte – etwa beim EU-Datenschutzrecht. Solche Zugeständnisse können die Kirchen nun nicht mehr erwarten. Bisher konnte man sich bequem auf den Standpunkt stellen, dass man einer Ablösung der Staatsleistungen offen gegenüber stehe – nun gibt es ein Gegenüber, das das auch tatsächlich will.

Für das kirchliche Arbeitsrecht drohten Einschnitte bisher hauptsächlich vom Europäischen Gerichtshof – nun kommt das auch in der deutschen Politik auf die Tagesordnung. Im Staatskirchenrecht kann die neue Bundesregierung einen jahrelangen Reformstau auflösen und der in Deutschland deutlich bunter gewordenen religiösen Landschaft einen angemessenen religionsverfassungsrechtlichen Rahmen geben.
Katholisch.de greift auch noch einen anderen Aspekt auf:
Koalitionsvertrag – Wenn Sport mehr Raum einnimmt als Religion
- aber ist das nicht längst in allen Medien so? Man vergleiche nur den Umfang der Berichterstattung von BILD bis Tagesschau, und weiß, welchen gesellschaftlichen Stellenwert der Sport gegenüber religiösen Themen hat.

Kirche und Leben titelt:
Ampel-Koalition stehe für einen starken Sozialstaat
Caritas, BDKJ und Missio loben Aspekte des Koalitionsvertrags
Auch die KirchenZeitung (Hildesheim) schreibt:
Lob für Koalitionsvertrag
Kirchliche Organisationen haben den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP in bestimmten Bereichen weitgehend als positiv bewertet.
Das evangelische Sonntagsblatt hat nur eine schmale Anmerkung:
Koalitionsvertrag
Christlich ohne CDU? Das steht im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP zu Religion und Kirche
Von Oliver Marquart | 25. November 2021
Mit der Vorstellung des Koalitionsvertrags durch die Ampel-Parteien rückt eine Bundesregierung ohne die Unionsparteien immer näher. Hat das Einfluss auf die Rolle und Bedeutung von Christentum und Kirche? Wir haben uns den Koalitionsvertrag genauer angeschaut.
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Schauen wir uns zunächst an, welche Rolle die Ampel-Parteien den Kirchen zuordnen. Es lässt sich festhalten: Eine relativ große. "Kirchen und Religionsgemeinschaften sind ein wichtiger Teil unseres Gemeinwesens und leisten einen wertvollen Beitrag für das Zusammenleben und die Wertevermittlung in der Gesellschaft", heißt es. Man schätze und achte ihr Wirken.
Allerdings heißt Wertschätzung nicht, dass man nicht dennoch Änderungsbedarf im Verhältnis sieht. "Wir schaffen in einem Grundsätzegesetz im Dialog mit den Ländern und den Kirchen einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen", geht es nämlich weiter.

Das bedeutet schlicht: weniger Geld für viele Gemeinden, zumindest vom Staat.

Auch das Privileg des kirchlichen Arbeitsrechts soll nach dem Willen von SPD, Grünen und FDP fallen. "Gemeinsam mit den Kirchen prüfen wir, inwiefern das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann."
und das war's dann auch - beim Sonntagsblatt. Wir haben gestern den tweet des vielfach für die Kirchen tätige Professor Joussen zitiert: "Dann lasst uns mal prüfen ..."

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