Donnerstag, 25. Oktober 2018

Breaking news zur BAG Entscheidung von heute - 8 AZR 501/14 - "Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung bei der Bewerberauswahl aufgrund der Religionszugehörigkeit"

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt: Diskriminierungsverbot gilt in seiner europäischen Ausformung auch für kirchliche Einrichtungen in Deutschland. Es handelt sich um "für alle geltendes Recht".

hier "klick mich" findet sich die Pressemitteilung Nr. 53/18 des Bundesarbeitsgerichts zu dem Urteil.
Der Beklagte (also der Arbeitgeber aus der Diakonie) ist verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung iHv. 3.915,46 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung war nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG scheidet aus. § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG ist einer unionsrechtskonformen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG** nicht zugänglich und muss deshalb unangewendet bleiben. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG liegen nicht vor. Nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG - in unionsrechtskonformer Auslegung - ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt. Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung. Jedenfalls ist die berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Dies folgt im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin - wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich - in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden war und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig handeln konnte. Der Höhe nach war die Entschädigung auf zwei Bruttomonatsverdienste festzusetzen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 - 4 Sa 157/14, 4 Sa 238/14 -


In der Terminvorschau des Bundesarbeitsgerichts wurde u.a. auf die Vorentscheidung des EuGH hingewiesen
(Zitat):
Auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 17. März 2016 hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 17. April 2018 (C-414/16) entschieden, dass einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen muss, wenn eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Entscheidung, wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle, geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation. Bei der nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung handle es sich um eine solche, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht der Kirche auf Autonomie umfassen darf. Sie müsse zudem mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Ein nationales Gericht habe in einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen und sei verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus Art. 21 und 47 der Charta erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lasse.
 
Wir haben die EuGH- Entscheidung (Fall "Egenberger") unter der Überschrift:
EuGH Urteil näher betrachtet: Diskriminierungs- und Willkürverbot auch bei Kirche - staatliche Gerichte zur Kontrolle berufen
schon analysiert, und

- sowohl die Stellungnahme von ver.di
EuGH zur Kirchlichen Einstellungspraxis: ver.di begrüßt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das den Kirchen Grenzen setzt

- wie auch die amtskirchliche Stellungnahme wiedergegeben:
EuGH-Urteil vom 17. April 2018 - Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz


Nachtrag:
Inzwischen liegen erste Medienmeldungen vor.
katholisch.de: Kirche muss konfessionslose Bewerberin entschädigen
Spiegel online: Kirche darf bei Einstellungen nicht auf Religionszugehörigkeit pochen
Süddeutsche Zeitung: Kirchen als Arbeitgeber - Willkommen im Rechtsstaat
Tagesschau: Konfession darf keine Pflicht sein
ZDF - heute: Bei Stellenvergabe ist Religion egal

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