Freitag, 22. November 2013

Auf dem Bundesparteitag der SPD wurden Beschlüsse zum Kirchlichen Arbeitsrecht gefasst:

"Allgemeine Arbeitnehmerrechte müssen auch für Einrichtungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften gelten. Das betrifft insbesondere das Streikrecht und die betriebliche Mitbestimmung" wird dazu der Vorsitzende der SPD Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, MdB Klaus Barthel, in EPD Sozial Nr. 47 vom 22.11.2013 zitiert. Wir dokumentieren die Beschlüsse im Wortlaut:
Berlin, 15. November 2013
Ordentlicher Bundesparteitag in Leipzig vom 14. – 16. November 2013
Beschluss - Nr. 36

Tarifliche Gleichstellung für kirchliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Die SPD-Abgeordneten im Bundestag und in den Landesparlamenten sowie die sozialdemokratischen Vertreterinnen und Vertreter in den Landesregierungen werden deshalb aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Sonderbestimmungen für das ArbeitnehmerInnenrecht in kirchlichen Einrichtungen, die zum Beispiel die Zulässigkeit des "Dritten Weges" in der ArbeitnehmerInnenvertretung regeln, aufgehoben werden. Der “Dritte Weg“ darf Tarifverträge nicht verhindern.
Für alle Beschätigten in kirchlichen Einrichtungen muss das Betriebsverfassungsgesetz in vollem Umfang gütig sein. Für alle nicht direkt glaubensbezogenen Tätigkeiten von kirchlichen Beamtinnen und Beamten muss das Personalvertretungsgesetz gelten.

Quelle: "klick"
 


Berlin, 15. November 2013
Ordentlicher Bundesparteitag in Leipzig vom 14. – 16. November 2013

Beschluss - Nr. 37
Gleiche Rechte für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in der BRD

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die entsprechenden Gesetze – insbesondere das Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG § 118, Abs. 2: „Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen ..“) so weit zu ändern bzw. aufzuheben, dass Beschäftigte in Einrichtungen, die unter religiöser Trägerschaft stehen, die gleichen Rechte haben wie Beschäftigte in jedem anderen Unternehmen.
Quelle: "klick"

Ordentlicher Bundesparteitag in Leipzig vom 14. – 16.November 2013

Beschluss - Nr. 38
Arbeitnehmerrechte in kirchlichen Einrichtungen

Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland sind mit ihren Einrichtungen eine tragende Säule im Sozial- und Gesundheitswesen. Insgesamt arbeiten rund 1,3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Bereich, darunter rund 900.000 bei Caritas und Diakonie.
Die Kirchen und ihre Einrichtungen haben ein vom Grundgesetz geschütztes Recht, die überbetrieblichen Arbeitsbedingungen auf eine besondere Weise zu gestalten. Die Kirchenautonomie ist innerhalb der Schranken der allgemein geltenden Gesetze garantiert. Die Kirchen hatten es zwar bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt, den Weg der freien Ausgestaltung arbeitsrechtlicher Bedingungen in Tarifverträgen zwischen gleichberechtigten und voneinander unabhängigen Vertragsparteien mitzugehen (Zweiter Weg). Auf der Grundlage ihres vom Grundgesetz geschützten Selbstbestimmungsrechts entschieden sie sich für einen Dritten Weg. Auf die Zusage hin, vorbildliche Arbeitsverhältnisse einrichten zu wollen, wurde ihnen eine eigene Regelungskompetenz zugesichert. Die im Dritten Weg für die Lohn- und Arbeitsbedingungen zuständigen Arbeitsrechtlichen Kommissionen verzichteten allerdings für lange Zeit auf eine eigene Regelungskompetenz, sondern übernahmen regelmäßig den Bundesangestellten- Tarifvertrag (BAT).

Wettbewerb und Kostendruck im Bereich sozialer Arbeit

Der Sozial- und Gesundheitsbereich in Deutschland wurde ab Mitte der 1990er Jahre grundlegend umgestaltet. Bis dahin war er ein Teil der politisch gewollten Daseinsvorsorge, die von gemeinnützigen und öffentlichen Trägern umgesetzt wurde. Die Kosten wurden innerhalb bestimmter Grenzen, so wie sie anfielen, refinanziert. Maßgebliches Instrument für die Bezahlung der Personalkosten war der Bundesangestelltentarif (BAT). Dieser regelte meist über genehmigte Stellenpläne auch die Finanzierung staatlicher Institutionen oder von Sozialkassen. Auf diese Weise wurde der gesellschaftliche Preis der sozialen Dienstleistungen bestimmt. Der BAT galt zwar unmittelbar nur für den öffentlichen Bereich; von einigen Besonderheiten abgesehen, wurde er im Ergebnis vom gesamten organisierten Wohlfahrtssektor übernommen. Das galt namentlich auch für die Caritas und die Diakonie, die vor allem bis Ende der 1990er Jahre enorm expandierten.
Im Kern der politischen Neugestaltung der sozialen Dienste stand die Refinanzierung der Dienstleistungen. Nunmehr wurden nicht mehr die effektiv anfallenden Kosten der Träger erstattet, sondern u.a. Leistungs- und Fallpauschalen eingeführt. Zudem soll bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen nur noch der preisgünstigste Anbieter zum Zuge kommen. Das Kostendeckungsprinzip wurde vom Wettbewerbsprinzip abgelöst. Es war absehbar, dass im stark personalintensiven Sozialsektor der Konkurrenzdruck zwischen den Wohlfahrtsverbänden sowie den neu hinzugekommenen privaten Trägern zu bislang nicht gekannten Belastungen bei den Patienten und Hilfebedürftigen, aber auch bei den Beschäftigten führen musste.
Auf die Neuausrichtung der Finanzierung, die Einführung von Wettbewerb und Kostenkonkurrenz, haben viele kirchliche Einrichtungen damit reagiert, wie gewöhnliche, betriebswirtschaftlich gesteuerte Wirtschaftsunternehmen zu agieren. Der Kostendruck wurde, wie bei anderen Arbeitgebern auch, an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weitergegeben. Ausgründungen, Leiharbeit, Flucht aus den ‒ kircheneigenen ‒ Lohnregelungswerken (Arbeitsvertragsrichtlinien) haben Einzug gehalten. Das Management setzt auf Unternehmenswachstum und Fusionen. In den vergangenen fünfzehn Jahren sind viele kirchliche Großeinrichtungen mit tausenden Beschäftigten entstanden, häufig in der Form von Kapitalgesellschaften bis hin zur ersten kirchlichen Aktiengesellschaft (Agaplesion gAG).
Der Sonderstatus der Arbeitnehmerrechte bei Kirchen hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Angesichts der Wettbewerbsorientierung führt dies zu wachsenden Spannungen in der kirchlichen Arbeitswelt und Nachteilen für kirchliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Zerklüftung der Tariflandschaft

Ein verbindlicher und allseits akzeptierter Flächentarifvertrag für den Wohlfahrtsbereich existiert schon lange nicht mehr. Als Nachfolger für den BAT gibt es zwar den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD). In der Anwendungsbreite aber reicht er bei weitem nicht an den BAT heran. Viele Kommunen haben sich in den letzten Jahren aus dem Wohlfahrtssektor zurückgezogen. Das gilt insbesondere für Pflegeheime und Krankenhäuser. Hinzu kommt, dass bei den gewinnorientierten privaten Trägern kaum kollektive Regelungen vorhanden sind. Zwar orientieren sich viele Träger der Caritas immer noch in erheblichem Maße am Regelwerk des TVöD. Umso unübersichtlicher und chaotischer ist die Lage im Bereich von EKD und besonders der Diakonie. Hier stehen in einem stark zerklüfteten System höchst verschiedene Regelungen nebeneinander. So vergüten einige Landeskirchen und Diakonische Werke nach wie vor auf dem Niveau des TVöD, andere haben eigenständige Regelungen eingerichtet, wiederum andere die Entgelte abgesenkt oder Beliebigkeitsklauseln eingeführt, um ggf. das jeweils kostengünstigste Arbeitsrecht anwenden zu können. Schließlich existieren, wie zum Beispiel in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) und in Nordelbien seit langem und erfolgreich Tarifverträge mit Gewerkschaften.
Die katholische Seite reagierte im Juni 2011 auf das Ausgründen von Einrichtungen und die Flucht aus den kollektiven Regelungswerken der Caritas und der Diözesen mit einem neuen Grundsatz, der ab 2014 gilt: „entweder ganz kirchlich oder ganz weltlich“. Katholische Einrichtungen, die kein kirchliches kollektives Regelungswerk anwenden, nehmen nicht mehr am Selbstverwaltungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG teil.

Strukturelle Benachteiligung der Arbeitnehmerseite

In den kirchlichen Arbeitsrechtlichen Kommissionen, in denen die Arbeitsbedingungen beschlossen werden, sind die Vertreter/innen der Arbeitnehmerseite nur formal paritätisch vertreten. Strukturell sind sie unterlegen. Die soziale Mächtigkeit der kirchlichen Arbeitgeber geht über die anderer Arbeitgeber noch hinaus, denn die Leitungsgremien von Caritas und Diakonie legen selbst die Verhandlungs- und Zutrittsbedingungen fest, unter denen die Vertreter/innen der Arbeitnehmerseite Lohnverhandlungen führen. Sie können sogar festlegen, wer an diesen Verhandlungen teilnehmen kann und wer nicht.
Das Landesarbeitsgericht Hamm bewertet die Festlegung von Arbeitsbedingungen in Arbeitsrechtlichen Kommissionen als nicht gleichwertig zu der Regelung von Arbeitsbedingungen nach Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz (Tarifvertragssystem/Tarifautonomie). Im Übrigen schließe die Regelung in den arbeitsrechtlichen Kommissionen, wonach zwei Drittel der Arbeitnehmervertreter in kirchlichen Einrichtungen tätig sein müssen, eine gewerkschaftliche Verhandlungsführung aus und beschränke diese auf Beratungsfunktionen, ohne dass hierfür die Eigenheiten des kirchlichen Dienstes eine Rechtfertigung bieten.

Arbeitnehmerrechte sind nicht teilbar

Die SPD respektiert das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften und weltanschaulichen Vereinigungen ein, das sich aus Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung ergibt.
Die politisch gewollte Wettbewerbsorientierung im Bereich der sozialen Dienstleistungen hat aber dazu geführt, dass sich kirchliche Unternehmen wie gewöhnliche Unternehmen im Markt verhalten. Die Aushandlung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung muss daher auch bei Diakonie und Caritas auf gleicher Augenhöhe zwischen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite erfolgen. Aus dem Sonderstatus der Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Bereich darf keine Wettbewerbsverzerrung entstehen.
Das Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften und damit auch der Kirchen und ihrer Einrichtungen in Caritas und Diakonie findet seine Schranken in den Grundrechten. Soweit die Kirchen und ihre Einrichtungen in Caritas und Diakonie Arbeitgeber sind, muss die Grenze ihres Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts als Arbeitgeber deshalb von den Grundrechten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer her bestimmt werden und nicht umgekehrt.
Gleiche Arbeitnehmerrechte für Beschäftigte bei Kirchen sind vereinbar mit dem kirchlichen Selbstverwaltungsrecht. Gleiche Arbeitnehmerrechte sind ein Gebot der Demokratie in der Arbeitswelt. Das Streikrecht ist elementares Grundrecht aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und muss auch im kirchlichen Bereich gelten.
Tarifverträge zu verhandeln und frei in der Wahl der Mittel zu ihrer Durchsetzung zu sein, sind also mit dem so genannten Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht vereinbar. Gute Arbeit ist immer auch mitbestimmte Arbeit. Auch für die Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen muss das Betriebsverfassungsgesetz gelten.

Gute Arbeitsbedingungen im Bereich sozialer Arbeit herstellen

Es ist eine zentrale Aufgabe der Politik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Schaffung von guten Arbeitsbedingungen und Lohngerechtigkeit im Bereich sozialer Arbeit zu schaffen.
Gute Arbeit verdient guten Lohn. Lohndumping in Krankenhäusern und Pflegeheimen darf sich nicht lohnen. Im Vordergrund müssen die Qualität und die Versorgung der Patienten stehen. Wettbewerb, der über die schlechtesten Arbeitsbedingungen und die niedrigsten Löhne ausgetragen wird, gefährdet die gute Versorgung und Sicherheit der Menschen. Deshalb ist es eine politische Aufgabe, Fehlanreize in Richtung eines Lohnsenkungswettbewerbs im Bereich der sozialen Arbeit zu beseitigen. Die Fallpauschalen und Pflegesätze müssen so bemessen sein, dass gute Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne bei der Refinanzierung berücksichtigt werden.
Die Flächentarife sind ein elementarer Eckpfeiler des deutschen Sozialgefüges. Seit vielen Jahren geht jedoch die Tarifbindung zurück und das bewährte Tarifvertragssystem droht zu erodieren. Das Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen wird kaum noch genutzt, die Blockadehaltung der BDA im Tarifausschuss des BMAS hat dazu geführt, dass nur noch 1,5 Prozent aller Tarifverträge allgemeinverbindlich sind. Deswegen setzen wir uns für eine Vereinfachung der Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen ein.
Für den Tarifbereich der sozialen Arbeit sollten die geltenden Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes allgemeinverbindlich werden.
Quelle: "klick"

2 Kommentare:

  1. hervorragende Beschlüsse. Die SPD weiß, was sie will. Jetzt geht es darum, die Mehrheiten für die Umsetzung zu finden - weiter so!

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  2. Man erinnere sich an die Parteitage 1988 ff. Wie steht es um die Arbeitnehmerrechte der Abgeordneten-Mitarbeiter? Wer nach 25 Jahren erneut Beschlüsse fassen muss, obwohl er es in der Hand hat, braucht anderen keine guten Ratschläge zu geben. Ratschläge sind auch Schläge. Folget meinen Worten, nicht meinen Taten! Wer horrende Rednerhonorare bei Volksbanken und Sparkassen nimmt, die fast keine Sparzinsen mehr zahlen, hat eine Glaubwürdigkeitslücke.

    Soviel zu den hervorragenden Beschlüssen!

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