Sonntag, 24. Juli 2022

Sonntagsnotizen - Heiliger Stuhl zeigt deutschem Synodalen Weg Grenzen auf (und erlaubt zugleich freiwillige Experimente)

berichtet RADIO VATIKAN an prominenter Stelle:
In einer Erklärung von diesem Donnerstag präzisiert der Vatikan, dass die Gesprächsinitiative des Synodalen Wegs in Deutschland „nicht befugt“ sei, „die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten“. Gleichzeitig wird die Einladung ausgesprochen, die Vorschläge des Synodalen Weges in den Synodalen Prozess der Weltkirche einzuspeisen.

...
Es wäre „nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden“, so die Mitteilung weiter, die in diesem Zusammenhang aus dem 2019 veröffentlichten Papstschreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland zitiert: „Die Weltkirche lebt in und aus den Teilkirchen, so wie die Teilkirchen in und aus der Weltkirche leben und erblühen; falls sie von der Weltkirche getrennt wären, würden sie sich schwächen, verderben und sterben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Gemeinschaft mit dem ganzen Leib der Kirche immer lebendig und wirksam zu erhalten”.
(Quelle und mehr: Radio Vatikan)
- weitere Quelle: Domradio
- weitere Quelle: Tagesschau
- weitere Quelle: t-online.de

Ist das eine "Kriegserklärung an das Reformprojekt der deutschen Katholiken" - wie Publik Forum kommentiert? *) Die Erklärung des Heiligen Stuhls hat eine doppelte Botschaft - dementsprechend "zwiespätig" sind - ja nach der Ausgangsbasis der Interpreten - die Reaktionen darauf. Diese bisweilen unreflektierten, widersprüchlichen und verwirrenden Reaktionen von Augsburg und Regensburg über die Schweiz bis nach Wien lassen uns eine eigene Einordnung der Erklärung geboten erscheinen:


1.
Schon die Veröffentlichung in deutsch und die direkte Ansprache der deutschen Katholiken ist bemerkenswert. Sie zeigen, wie ernsthaft der deutsche "Sonderweg" in Rom beobachtet wird. Ähnliche "Direktansprachen" kennen wir etwa aus der Enzyklika "Singulari quadam" zum deutschen Gewerkschaftsstreit, aus der Enzyklika "Mit brennender Sorge", aus dem Brief Pius XII. an Kardinal Faulhaber v. 01.11.1945 zur Frage der "Einheitsgewerkschaft" und aus den Ansprachen von Papst Benedikt 2006 bei seiner Abreise vom Flughafen Freising (Pastoralreise) und in Freiburg (Entweltlichung).
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass der deutsche "Sonderweg" mit einem eigenen kirchlichen Arbeitsrecht - auf Grundlage protestantischer Vordenker entwickelt und sowohl mit dem universellen Kirchenrecht, der Glaubenslehre (Katechismus Nr. 2435) wie mit der eigenen Soziallehre unvereinbar - nicht auch schon längst in der deutlichen Kritik aus Rom steht. Offenbar befindet sich dieser Sonderweg immer noch "unter römischer Beobachtung".

2.
in der Erklärung heißt es aber auch
wörtlich, der Synodale Weg dürfe "die Bischöfe und Gläubigen" nicht "zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtung der Lehre und Moral VERPFLICHTEN". Das bedeutet im Umkehrschluss, dass dergleichen überall dort legitim ist, wo es FREIWILLIG angenommen wird. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, auf teilkirchlicher Ebene Erfahrungen zu sammeln, die dann in den gesamtkirchlichen synodalen Prozess einfließen können.
so die Interpretation des promovierten Kirchenrechtlers Dr. Dr. W.F. Rothe auf Twitter.

Inwieweit dieser "Freiwilligkeitsvorbehalt" dann auch für verpflichtende Regelungen der Grundordnung wie etwa die (gegen die eigene Soziallehre) angeordnete Negierung von Gewerkschaften (Dritter Weg) zutrifft, haben wir noch nicht näher geprüft. Das dort auch gegenüber kirchlichen Arbeitgebern und Vermögensverwaltern ausgesprochene "Verbot von Tarifverträgen mit Gewerkschaften" ist jedenfalls mit der verfassungsrechtlich gewährleisten Koalitionsfreiheit - die auch kirchlichen Arbeitgebern zusteht - nicht vereinbar.



*)

Eine ausgewogenere Würdigung ist von "Kirche + Leben" (klick) nach Redaktionsschluss veröffentlicht worden.

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