Mittwoch, 6. Februar 2019

Kirchenartikel im Grundgesetz - 100 Jahre Weimarer Verfassung

Vor einhundert Jahren sind die Kirchenartikel der Weimarer Verfassung (WRV) in Kraft getreten, die heute noch über das Grundgesetz das Miteinander von Kirche und Staat regeln.
 
In Art. 137 WRV ist unter anderem geregelt:
 
(1) Es besteht keine Staatskirche.
(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.
...
 
Gerade der dritte Absatz wird heute vielfach missverstanden. Er enthält drei Bestimmungen:
  1. Jede Religionsgesellschaft "ordnet und verwaltet"
  2. "ihre Angelegenheiten" selbständig
  3. "innerhalb der Schranken des für allge geltenden Gesetzes"
"Ordnen und verwalten" ist etwas weniger als heute unter dem umfassenderen Begriff "Selbstbestimmung" unterstellt wird.
Was heute jedem Verein zugestanden ist, war seinerzeit - gerade auch in Preußen ("Kulturkampf" unter Bismarck) - für die Kirchen höchst umstritten. Die Kirchen waren nämlich dem Staat eingegliedert, die Pastoren (bis hin zum "Reichsbischof") waren Staatsbeamte. Der Staat befand auch über die Einrichtung von Pfarreien und die Besoldung und Versorgung der "Kirchendiener" (Kleriker, Mesner ...), und das Vermögen der Kirchen wurde vom Staat verwaltet. 
 
"Ihre Angelegenheiten" bezieht sich auf die "eigenen Angelegenheiten".
Es gibt einen kirchlichen und einen staatlichen Rechtskreis. Beide Rechtskreise überschneiden sich.
Die eigenen Angelegenheiten betreffen nur die Angelegenheiten der Kirche selbst. Also das, was den Staat nichts angeht.
Sobald sich die Rechtskreise überschneiden - also sobald eine Regelung der Kirche auch in den staatlichen Gestaltungsraum eingreift und Geltung im staatlichen Rechtskreis beansprucht - handelt es sich um keine eigene Angelegenheit mehr.
 
"Innerhalb der Schranken..." heißt, dass auch die Kirchen nicht ausserhalb des Staates stehen.
Sie sind in den Staat integriert und damit an das für alle geltende Gesetz gebunden, ohne Sonderrolle. Auch kirchliche Einrichtungen unterliegen ggf. der Steuerpflicht und müssen etwa für ihre Mitarbeiter*innen Sozialabgaben abführen. Und es ist der Staat, der die "Schranken des für alle geltenden Gesetzes" festlegt. Der Staat legt die Grenzen des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts fest.
 
 
Die Regelungen der WRV wurden dann auch in wesentlichen Teilen im "Reichskonkordat" übernommen und dort ergänzt.
 
Manchmal tut es ganz gut, sich die Grundlagen unserer Tätigkeit wieder vor Augen zu führen.
 
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