Montag, 2. Januar 2023

Zum neuen Jahr - eigene Kirchengerichte und kirchliche Strafjustiz

Am 1. Januar nimmt ein neues kirchliches Gericht seine Arbeit auf: Die französischen Bischöfe haben ihre Strafjustiz zentralisiert.
berichtete "katholisch.de" und ging in einem Interview mit Astrid Kaptijn (seit 2010 Professorin für Kanonisches Recht an der Universität Fribourg - Schweiz) der Frage nach, ob das französische System ein Vorbild für die deutsche Kirche sein könne.
Nun hat das Staatskirchenrecht in Deutschland die merkwürdige Tendenz, die eigene Justiz zurück zu nehmen, wenn es in irgendeiner Form sogenannte "kirchliche Gerichte" gibt, die sich eines Sachverhalts annehmen. Wir erinnern an die früheren Schlichtungsstellen und die jetzigen kirchlichen Arbeitsgerichte in Streitigkeiten des kircheneigenen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts oder an die kirchlichen Datenschutzgerichte. Der Grundsatz der staatlichen Justizgewährleistungspflicht scheint da keine Rolle mehr zu spielen. Reichlich "fragwürdig" ist auch, ob diese speziellen Kirchengerichte den europarechtlichen Anforderungen genügen. Denn in den verbundenen Rechtssachen C-181/21 und C-269/21 | G. u. a. (Ernennung von Richtern an ordentlichen Gerichten in Polen) hat der Generalanwalt Collins die folgenden Schlussanträge des gestellt:
Das Erfordernis der vorherigen Errichtung durch Gesetz gilt für alle Gerichte der Mitgliedstaaten
Dieser Grundsatz gelte unabhängig davon, auf welcher Ebene diese Gerichte in einer nationalen Rechtsordnung Recht sprächen
(Pressemitteilung Nr. 202/22 des EuGH)

Und auch die verfassungsrechtliche Norm des Art. 101 Grundgesetz scheint irrelevant zu sein. Dort heißt es:
(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.
Wir kennen jedenfalls kein staatliches Gesetz - weder auf Bundes-, noch auf Länderebene - das die Errichtung entsprechender Kirchengerichte vorsieht. Zumal die Urteile dieser Kirchengerichte dann etwa bei unserer katholischen Kirche auch für Nichtkatholiken gelten sollen. Die Regelung des Art. 1 RKonk wie auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Aus dieser Pflicht zur religiösen und konfessionellen Neutralität folgt, daß der Staat einer Religionsgesellschaft keine Hoheitsbefugnisse gegenüber Personen verleihen darf, die ihr nicht angehören..
(BVerfG, 14.12.1965 - 1 BvR 413/60, 1 BvR 416/60, C.I.2. der Begründung) werden schlicht nicht beachtet.

Wir möchten daher hier auf die Einleitung von katholisch.de verweisen:
Die Kirche hat ein eigenes Strafrecht – nicht, um das weltliche Recht zu ersetzen, sondern um besondere kirchliche Straftaten zu ahnden und kirchliche Strafen zu verhängen.

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