Montag, 13. September 2021

Zur Finanzierung der (kirchlichen) Zusatzversorgung

Heute findet in Köln ein Symposium mit Vertretern der Zentral-KODA zur Finanzierung der Zusatzversorgung im kirchlichen Dienst statt.

Bereits vor einigen Jahren hat die NEUE CARITAS verkündet:
Finanzierungslücke: Ursachen und Handlungsoptionen
Den Mitarbeitenden zugesagte Leistungen der kirchlichen Zusatzversorgung genießen Vertrauensschutz. Ihre Finanzierung muss aber wegen der langanhaltenden Niedrigzinsphase derzeit neu justiert werden.
(Quelle)

Um diese Aussage beurteilen zu können ist ein Blick in die Geschichte der Finanzierung der Zusatzversorgung nicht ganz uninteressant:
Nach dem Krieg galt es, die Zusatzversorgung der Angestellten des öffentlichen Dienstes entsprechend den Leistungen für die Beamten neu aufzubauen. Trotz der teils recht unterschiedlichen Leistungssysteme finanzierten sich die großen Zusatzversorgungskassen VBL, BVA und VAP sowie weitere kommunale Anstalten in den ersten Jahren nach dem Krieg einheitlich mit einem Beitrag i.H.v. von 6,9 % der versicherten Entgelte. Davon trugen die Arbeitgeber 4,6 und die Arbeitnehmer 2,3 Prozentpunkte.
Trotz der teils recht unterschiedlichen Leistungssysteme finanzierten sich die großen Zusatzversorgungskassen VBL, BVA und VAP sowie weitere kommunale Anstalten in den ersten Jahren nach dem Krieg einheitlich mit einem Beitrag i.H.v. von 6,9 % der versicherten Entgelte. Davon trugen die Arbeitgeber 4,6 und die Arbeitnehmer 2,3 Prozentpunkte.
(Dissertation Preller S. 145)

In den Jahren 1972/73 wurde schrittweise der Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen von den Arbeitgebern übernommen, so dass ab Mitte des Jahres 1973 die Zusatzversorgung bei der VBL vollständig von den Arbeitgebern finanziert wurde. Das war die Folge von Tarifverhandlungen, bei denen die Arbeitgeber anstelle einer "nicht vermittelbaren Lohnerhöhung" die Übernahme der kompleten Finanzierung der Zusatzversorgung angeboten und zugesagt hatten. Bei der Finanzierung der Zusatzversorgung handelt es sich also um erdienten Arbeitslohn, der lediglich aufgrund seiner Zweckbestimmung zur Altersversorgung nicht ausbezahlt wird (BAG, Urteil vom 16.03.1993, 3 AZR 399/92 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG TZ, im Anschluss an das Urteil vom 28.07.1992, 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG). Es ist im Endeffekt also Vermögen der Arbeitnehmer, das von den Arbeitgebern lediglich treuhänderisch verwaltet und den jeweiligen Zusatzversorgungskassen anvertraut wird.

Ab dem Jahr 1978 wurde die Finanzierung vollständig auf das Umlageverfahren umgestellt und der Umlagesatz auf 4 % der versicherten Entgelte festgelegt. Die bis dahin angewandte Trennung von Umlage- und Deckungsvermögen wurde aufgehoben, wobei das Vermögen aus dem Kapitaldeckungsverfahren dem Umlagevermögen zugeführt wurde. Die Finanzierung der "in fernerer Zukunft auftretenden" Versorgungslasten wurde in die Zukunft verschoben, die Bildung ausreichender Finanzierungsreserven wurde unterlassen. Bei der VBL-West gab es anlässlich der Wiedervereinigung sogar noch eine Prüfungsbeanstandung: "Der Staat habe mit den Kosten der Wiedervereinigung andere Aufgaben zu finanzieren als Rücklagen für spätere Versorgungsleistungen zu bilden."

In der Folge entwickelte sich ein "Beitragsreduzierungswettbewerb" zwischen den einzelnen Zusatzversorgungskassen. Die Kasse mit den geringsten Beitrags-/Umlagesätzen konnte "am Besten wirtschaften" und war somit auch bei der Neuaufnahme bzw. Übernahme von Mitgliedern präferiert. So wurde 1990 bei der VBL
der Deckungsabschnitt für das Abschnittsdeckungsverfahren ... von zehn auf fünf Jahre verringert. Die Intention dieser Modifikation bestand darin, den Umlagesatz kurzfristig künstlich niedrig zu halten. Der zehnjährige Deckungsabschnitt erfasste zu diesem Zeitpunkt bereits die zukünftig unvermeidlich steigenden Umlagebelastungen. Um den daraus resultierenden kräftigen Anstieg des Umlagesatzes zu vermeiden, wurde der Deckungsabschnitt auf fünf Jahre verkürzt, so dass der „Versorgungsberg“ jenseits des Deckungsabschnitts lag. Der Effekt einer solchen Maßnahme ist systembedingt sehr kurzweilig, da bereits im nächsten Deckungsabschnitt der Umlagesatz umso höher ausfallen muss.
(Zitat und Erklärung Deckungsabschnitt bei der Dissertation Preller, S. 147)
Ein konkretes Beispiel für diesen Wettbewerb unter den Kassen ist das Bistum Speyer, das von der VBL-West zur KZVK wechselte und ein Angebot für die Aufnahme seiner Einrichtungen bei der kommunalen Zusatzversorgungskasse aussschlug.
... Seit der Einführung der Gesamtversorgung im Jahr 1967 bis zu deren Ablösung im Jahr 2001 erhoben die meisten Zusatzversorgungskassen Umlagen, die weit unter dem Gegenwert der zeitgleich zugesprochenen Anwartschaften lagen. Damit wurden nicht nur die tatsächlichen Kosten des Gesamtversorgungssystems verschleiert, sondern es wurde auch bewusst eine Verschiebung von Finanzierungslasten auf zukünftige Generationen in Kauf genommen. Dabei war den Beteiligten durchaus klar, dass selbst unter der damals angenommenen demografischen Entwicklung und bei konstanter Finanzierungsbasis im sog. Beharrungszustand mindestens ein Umlagesatz von 8 % der versicherten Entgelte fällig werden würde – stattdessen erhob man aber lange Zeit nur 4 %.
(Dissertation Preller, S. 246 f).

Die seit einigen Jahren anhaltende Niedringzinsphase bringt nun auch die Kassen in Probleme, die für ihren Kapitalstock mit höheren Zinserträgen gerechnet bzw. kalkuliert haben, und die im "Punktemodell" garantierten Zinssätze - über 3 % in der Anspar-, über 5 % in der Auszahlungsphase - nicht mehr erwirtschaften können.
Wir müssen also über die Jahre hinweg eine Unterfinanzierung der Zusatzversorgungskassen feststellen. Die Arbeitgeber haben es entgegen der tariflichen Zusagen seit gut 50 Jahren unterlassen, den Zusatzversorgungskassen ausreichende Mittel zur Finanzierung der Altersvorsorge - auch für länger anhaltenden Zeiten einer Niedrigzinsphase - zu Verfügung zu stellen. Das wäre zu verantworten, wenn und solange diese Mittel zu einem späteren Zeitpunkt - also bei einem entsprechenden Bedarf - "nachgeschossen" werden würden. In der Betriebswirtschaft spricht man davon, dass entsprechende "Rückstellungen" gebildet werden müssten.

Stattdessen soll nun etwa (wie schon 1999) eine erneute Beteiligung der Arbeitnehmer (und damit faktisch ein Griff in deren Portemonnaie) erfolgen oder lediglich noch die Zahlung von Beiträgen zur Altersversorgung zugesagt werden (wir berichteten). Alle Risiken und Verantwortung würden danach also auf die Arbeitnehmer und damit auch auf die jungen Generationen verlagert. Denn wenn nicht einmal die eingezahlten Beiträge garantiert werden können, dann sind diese Systeme schlechter als die von der Finanzwelt so geschmähten umlagefinanzierten Systeme. Da frage man sich: wohin führt diese Argumentation in der deutschen Altersversorgung?
Klar ist: wenn die Arbeitnehmer auf eigenes Risiko (und entgegen der ursprünglichen Zusagen) erneut die Kosten der Altersversorgung übernehmen sollen, dann wird zwangsläufig die Forderung erhoben werden, diese Beiträge und Umlagen auch für andere (private) Altersvorsorgesystem wie Immobilienfinanzierungen oder private Lebensversicherungen verwenden zu können. Dann ist die Zusatzversorgungskasse ein Akteur am Finanzmarkt - wie jede Bank, oder eine (Bauspar-)Versicherung auch. Das führt zwangsläufig dazu, dass zumindest die neuen Arbeitnehmer nicht mehr bei den Zusatzversorgungskassen versichert werden - diese würden "austrocknen".

Persönlich finden wir es äußerst bedenklich, dass nicht einmal mehr die eingezahlten Beiträge garantiert werden können - außer die Verträge mit den Versicherern, Investmentgesellschaften laufen über 100 Jahre? In einem Jahr oder wie die Aktuare der BVK für die ZVK aufgrund deren Besonderheiten eines tarifvertraglich verpflichtenden Systems herausgearbeitet haben in 100 Jahren. Dies macht den entscheidenden Unterschied, Denn dadurch können Zeiten eines niedrigen Zinses auf den Kapitalmärkten genauso wie Veränderung im Bestand des tariflich festgelegten und bestimmten Kollektivs im Laufe der Zeit ausgeglichen werden. Ein starkes, großes Kollektiv, wie es die Tarifvertragsparteien in der ZV schaffen, kann bei einer gleichbleibenden Belastung über ca. 100 Jahre - dies sind je nach Definition 3-4 Generationen - auch Leistungen garantieren.
Das ist der Grund für die Stärke und Robustheit von mischfinanzierten Umlagekassen mit langen Deckungsabschnitten.


Die betriebliche Altersversorgung soll als 2. Säule die den Lebensstandard sichernde gesetzliche Rente ergänzen. Dafür sind die schon vor 50 Jahren zugesagten ausreichend hohe Beiträge der Arbeitgeber notwendig.

Zur Vertiefung:
Dissertation Preller: Nachhaltige Finanzierung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (https://dopus.uni-speyer.de/frontdoor/index/index/year/2016/docId/930 Link)
Rürup - Kommission: Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme (Link)

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