Montag, 16. Dezember 2019

Bischöfe in Bayern - auf dem Weg zum Kamikaze-Kurs?

Bisher gab es unter den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern einen Konsens:
bei Betriebsrenten kommt eine Reduzierung der Arbeitgeberverpflichtung auf eine reine Beitragszusage nicht infrage
Wenn der Arbeitgeber den Lohn der Beschäftigten einbehält, um aus dem so vorenthaltenen Geld eine Betriebsrente zu finanzieren, dann muss er auch für die Leistung der Betriebsrente gerade stehen. Das gilt bei der "ganz normalen" Betriebsrente wie der Zusatzversorgung (die gerade nicht vom Arbeitgeber finanziert wird sondern aufgrund eines Tarifvertrages aus einbehaltenem Lohn finanziert ist, der für die Leistungszusage der Betriebsrente einbehalten wurde *) - vgl. BAG, 28.07.1992 - 3 AZR 35/92 - ). Und das gilt auch bei der so genannten "Entgeltumwandung", bei der die Beschäftigten individuell mit dem Arbeitgeber vereinbaren, dass ein Teil des Lohnes nicht ausbezahlt sondern für die Betriebsrentenansprüche "umgewandelt" wird (§ 1 Abs 2 Nr. 3 BetrAVG). Denn schließlich bestimmt der Arbeitgeber (im kirchlichen Bereich ggf. durch bischöfliches Gesetz in seiner Auswahlmöglichkeit beschränkt), bei welcher (Pensions-)Kasse diese Gelder zweckgebunden angelegt werden.
Wie wichtig diese Leistungszusage ist, zeigt sich aktuell bei den Kölner Pensionskassen der Caritas. Aufgrund auch eigener Fehler - und mangelhafter Aufsicht der zuständigen Diözesankurie - müssen dort die Rentenbezüge massiv gekürzt werden. Es ist gut, dass dann die Arbeitgeber eintreten und für die entsprechende Leistung gerade stehen müssen. Diese originäre Haftung der Arbeitgeber schützt auch die Bischöfe, die sich sonst fragen lassen müssten, ob sie aufgrund der zwingenden Verweisung auf die Caritas Pensionskasse einerseits und der offensichtlich mangelhaften Aufsicht über diese Kasse andererseits auch Ersatzpflichtig wären. **)
Bei der reinen Beitragszusage haftet der Arbeitgeber dagegen lediglich für die Zahlung der Beiträge an die sogenannten durchführenden Einrichtungen – also Pensionskassen, Pensionsfonds oder Lebensversicherer –, nicht aber für eine bestimmte Höhe der Leistung.
(Definition: BaFin)
Im Falle von Zahlungsengpässen und Insolvenzen - z.B. durch Fehlanlagen wie Spekulationen - ist bei einer reinen Beitragszusage das Geld weg. Und auch beim Arbeitgeber ist dann nichts zu holen, denn der hat ja seine primäre Pflicht - die Beitragszahlung - erfüllt.

Mit dem sogenannten "Betriebsrentenstärkungsgesetz" wurde die Möglichkeit geschaffen, in der betrieblichen Altersversorgung eine reine Beitragszusagen zu erteilen. Die Regelung trat am 1. Januar 2018 in Kraft. Und das entsprechende Gesetz sieht dazu zwei ganz wichtige Voraussetzungen vor:
1. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird.
(§ 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG i.V. mit §§ 21 ff BetrAVG)
Der Gesetzgeber traut offenbar nur den Gewerkschaften, die echte Tarifverträge abschließen zu, das Risiko einer solchen Beitragszusage abzuwägen und zu bewerten.
Eine einzelvertragliche Vereinbarung oder eine Reduzierung der Arbeitgeberhaftung aufgrund "Allgemeiner Geschäftsbedingungen" (wie im "Dritten Weg") erfüllt diese erste Voraussetzung nicht. Und obwohl etwa ver.di über entsprechende Fachleute verfügt - ver.di weigert sich wie andere Gewerkschaften auch, entsprechende Tarifverträge abzuschließen. Das Risiko ist viel zu groß.
"Arbeitgeber müssen dabei nur die Zahlung der Beiträge an einen externen Versorgungsträger (Pensionskasse, Direktversicherung oder Pensionsfonds) garantieren. Sie haften nicht mehr bei Insolvenz und müssen auch keine Mindestrente mehr garantieren. Die Beiträge selbst zahlen wie bisher die Arbeitnehmer – im Regelfall über die Bruttoentgeltumwandlung" (Quelle).
"Da das Kapitalmarktrisiko bei der reinen Beitragszusage allein beim Arbeitnehmer liegt, wollen die Tarifpartner auf Nummer sicher gehen. Sollte sich irgendwann herausstellen, dass ein Arbeitnehmer mit dem neuen Modell schlechter abschneidet als mit bisherigen Garantiemodellen, wäre das insbesondere für die Gewerkschaften nur schwer verkraftbar" (Quelle).
Diese Vorbehalte gelten selbst bei den bestgeführten Zusatzversorgungskassen. Denn auch diese Kassen sind den Problemen und Risiken der global agierenden Finanzmärkte und der Weltwirtschaft unterworfen. Wetten gegen kollabierende Euro-Staaten wie Griechenland, Brexit, Handelskrieg zwischen China und den USA, Zollkrieg zwischen USA und Europa, Embargo für seltene Erden oder mangelhafte Erdgasversorgung, eine globale Klimakatastrophe mit austrocknenden und brennenden Wäldern (das Portfolio nennt sich dann "Timber"), Überschwemmungen der Meeresküsten (an denen die wichtigsten Wirtschaftszenten der Welt liegen), Bürgerkriege und Flüchtlingsströmen - nichts davon ist von einzelnen Kassen beeinflussbar. Und je länger die Zeiträume für die Geldanlage werden, desto mehr Unsicherheiten treten auf. Wir wissen nicht, was passieren wird - nur das ob wird mit zunehmendem Zeitablauf immer wahrscheinlicher. Geldanlage für die Rente ist nun eine der langfristigsten Anlagen, die denkbar sind.
Deshalb darf keine Gewährleistung ausgeschlossen werden und deshalb hat der Gesetzgeber eine zweite Vorrausetzung vorgesehen:
2. Voraussetzung ist, dass im Tarifvertrag vereinbart werden soll, dass der Arbeitgeber einen Sicherungsbeitrag zur Absicherung der reinen Beitragszusage leistet. Dieser soll ein Ausgleich dafür sein, dass der Arbeitgeber nicht für eine bestimmte Höhe der Leistungen haftet.
(§ 23 Abs 1 BetrAVG - das Wort "soll" im Gesetzestext ist im Kontext der "muss-soll- und kann-Vorschriften" als zwingend zu verstehen, solange es nicht unmöglich ist).
Der Verzicht auf den Sicherungsbeitrag ist schon beim derzeitigen Zustand der Finanzmärkte nicht mehr nur "Mut zum Risiko". Das grenzt schon an grobe Fahrlässigkeit - und das alles mit dem Geld der Beschäftigten, das für deren Altersvorsorge bestimmt ist.  ***)

Und was setzen die Bischöfe nach Vorberatung durch die KODA (am 17./18. Juli), die gar keine Tarifverträge regeln darf, in Kraft?
ABD Teil D 10 d (neu)

(2) Sehen die Regeln des Tarifvertrages keinen durch Arbeitgeberbeiträge finanzierten Anspruch vor, haben die Beschäftigten Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung … in Form der Beitragszusage … nach den folgenden  Maßgaben:
(2.2.) Die Beiträge des Arbeitgebers (und was ist mit den Beiträgen der Arbeitnehmer)? sind an die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden … zu zahlen. ****)
(2.4.) Sicherungsbeiträge des Arbeitgebers sind nicht zu erbringen ...
Noch ist die Zahlung primär an die Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden vorgesehen. Aber was, wenn eine kirchliche Kasse ebenfalls "bedacht" werden möchte? ****) Wie kann einer Kirchenkasse verweigert werden, was man der kommunalen Kasse zugesteht?
Schon dieser erste Schritt der Bischöfe ist mutig - wenn man die finanziellen Desaster von Caritas-Pensionskasse und anderen kirchlichen Finanzinstituten bis hin zur eigenen Finanzverwaltung in einzelnen Diözesen in Betracht zieht. Denn im Endeffekt ist das jetzt nichts anderes als die Eigenvorsorge mit möglichen Zuschüssen durch die Arbeitgeber, nur ohne Insolvenz-Sicherungsbetrag.

Ja sagt denn da niemand die Bischöfe, dass die KODA-Regelungen ausdrücklich keine Tarifverträge sein dürfen (Art. 7 Abs. 2 der Grundordnung)? 
Und sagt denn niemand, welche Risiken sich die Bischöfe damit auferlegen, eine Regelung zu normieren, die ausdrücklich (und aus guten Gründen) nur den Tarifvertragsparteien zugestanden ist? Und dass diese bisher aus sehr guten Gründen vor der Öffnungsmöglichkeit zurück geschreckt sind!
Und  sagt niemand den Bischöfen, dass sie ggf. auch für ihre Rechtsetzung die Verantwortung tragen müssen? **)
Die fragwürdige Regelung ist jetzt promulgiert worden und soll (rückwirkend) zum 1. September in Kraft treten.



Anmerkungen:
*)
Maßgeblich sind schon die BAG-Urteile vom 16. März 1993, 3 AZR 389/92 im Anschluss an das BAG-Urteil vom 28.Juli 1992, 3 AZR 173/92. Das BAG hatte damals klargestellt, dass die Zusatzversorgung - anders als die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung - ein vom Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis erdientes und nur wegen der Zweckbestimmung als Versorgung nicht frei verfügbares Entgelt für die erbrachten Dienste darstellt.
Im Jargon der Arbeitgeber hat sich dagegen der Begriff von der "Arbeitgeberleistung" geprägt, weil die Umlagen bzw. Beiträge zur Zusatzversorgung gar nicht erst an die Arbeitnehmer ausbezahlt sondern unmittelbar vom Arbeitgeber an die Kasse überwiesen werden.

**)
vgl. schon Can. 128 CIC: "Jeder, der widerrechtlich durch eine Rechtshandlung oder auch durch eine andere mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit vorgenommene Handlung einem anderen Schaden zufügt, ist verpflichtet, den Schaden wiedergutzumachen." Wie anders als "Fahrlässig" kann man es bezeichnen, wenn einerseits von den Bischöfen nur bestimmte (kirchliche Pensions-) Kassen für die Altersvorsorge zugelassen werden, obwohl bekannt sein müsste, dass es der Diözesankurie des zuständigen Diözesanbischofs an der Kompetenz mangelt, diese Kassen ordnungsgemäß zu beaufsichtigten?
Müsste da für solche Fehler der Bischöfe nicht auch der "Bischöfliche Stuhl" entsprechend eintreten?
Im Gegensatz zu den Kirchenkassen sei hier an die Zusatzversorgungskasse der bayer. Gemeinden in der Bayerischen Versorgungskammer erinnert. Die eigenen Aufsichtsorgane sind paritätisch von Arbeitnehmervertretern (durch die starken Gewerkschaften aufgrund ihrer Fachkompetenz vorgeschlagen) und die Arbeitgebervertreter (wegen deren Gewährleistungspflicht) besetzt. Dazu kommt aber auch eine intensive staatliche Aufsicht, zumal die Bayer. Versorgungskammer auch eine Oberbehörde des Freistaates Bayern ist und der Freistaat daher deren Gewährleistungsträger. Und darüber hinaus werden die Jahresabschlüsse durch wechselnde renommierte Prüfungsgesellschaften auf Herz und Nieren durchleuchtet.

***)
Can. 231 CIC: "Laien, die auf Dauer oder auf Zeit für einen besonderen Dienst in der Kirche bestellt werden … haben … das Recht auf eine angemessene Vergütung, die ihrer Stellung entspricht und mit der sie, auch unter Berücksichtigung des weltlichen Rechts, für die eigenenen Erfordernisse und für die ihrer Familie in geziemender Weisung sorgen können; ebenso steht ihnen das Recht zu, daß für ihre Zukunft, die soziale Sicherheit und die Gesundheitsvorsorge gebührend vorgesorgt wird."
Can. 1286 CIC: "Die Vermögensverwalter haben … denjenigen, die aufgrund eines Vertrages Arbeit leisten, einen gerechten und angemessenen Lohn zu zahlen, so dass sie in der Lage sind, für ihre und ihrer Angehörigen Bedürfnisse angemessen aufzukommen."
Der "gerechte Lohn" ist ein Begriff der katholischen Soziallehre. Er bezeichnet einen Lohn, der lebenslang für die Bedürfnisse des Arbeitnehmers und seiner Familie ausreicht. Mit anderen Worten: der Begriff "Altersarmut" müsste für kirchliche Mitarbeiter ein lebenslanges "Fremdwort" sein.

****)
Wir haben nicht geprüft, ob der KODA-Beschluss vom Juli d.J. der Beschlussfassung der Zentral-KODA vom 8. November 2018 entspricht, und welche Folgen ein Widerspruch hätte. Unser Beitrag bezog sich ausschließlich auf das Thema "Beitragszusage statt Leistungszusage" und "Verzicht auf den Sicherungsbeitrag" -- und das alles im Dritten Weg, also durch Allgemeine Geschäftsbedingungen statt auf der Grundlage von "Tarifverträgen auf Augenhöhe" mit starken Gewerkschaften.

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