Montag, 29. Juli 2024

Klinikum Weimar: Demo und Warnstreik am 01.08.2024

Jetzt erst recht ! Am Mittwoch letzter Woche hatten wir darüber berichtet, dass Kirche und Diakonie in Mitteldeutschland - nach vergeblichen Demonstrationen der Mitarbeiter - zusammen mit dem Sophien- und Hufeland-Klinikums im Weimar die Aufforderung der Gewerkschaft, in Tarifverhandlungen einzutreten, als Anlass für eine eine Unterlassungsklage gegen ver.di gesehen haben.
Wer unsere ver.di kennt der kann sich an den Fingern einer Hand ausrechnen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen mit solchen Aktionen nicht einschüchtern lassen. Wer Verhandlungen "auf Augenhöhe" verweigert oder gar (mit gerichtlichen Unterlassungsklagen) verhindern will ist nicht nur mit seinem "Dritten Weg" auf dem Holzweg. Das kirchliche Recht zur Selbstordnung und Selbstverwaltung (nicht Selbstbestimmung !) der eigenen Angelegenheiten besteht nur in den Schranken der für alle geltenden Gesetze. Und niemand kann ernsthaft bestreiten, dass das verfassungsrechtlich geschützte Koalitionsrecht einschließlich des Streikrechts ein für alle geltendes Gesetz ist. Dies daraus begründeten Verhandlungen betreffen auch Arbeitnehmer, die nicht der jeweiligen Kirche angehören. Damit ist auch klar, dass Tarifverhandlungen keine interne, eigene Angelegenheit der Kirche sind, die nur die Kirche etwas angeht. 
Niemand kann unsere ver.di zum "kollektiven Betteln" (Bundesverfassungsgericht - 1 BvR 719/19 - und - 1 BvR 720/19 - unter Bestätigung des Urteils des BAG vom 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 -, juris, Rn. 96) verdonnern. Daher gilt "jetzt erst recht":
ver.di ruft im Klinikum Weimar zum Warnstreik auf

Demokratische Rechte gelten auch bei kirchlichen Trägern

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ruft die Beschäftigten der Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar am 1. August 2024 zu einem ganztägigen Warnstreik auf. Hintergrund ist die mehrfache Weigerung des Arbeitgebers, Tarifverhandlungen mit ver.di aufzunehmen. „Die Beschäftigten am Sophien- und Hufeland Klinikum haben sich in großer Zahl in ver.di organisiert und uns ein klares Mandat zu Tarifverhandlungen erteilt“, erklärt Bernd Becker, der bei ver.di in Thüringen für das Gesundheitswesen zuständig ist. „Sie wollen selbst auf ihre Arbeitsbedingungen Einfluss nehmen – in Tarifverhandlungen auf Augenhöhe.“

Bislang lehnt der Arbeitgeber Tarifverhandlungen mit Verweis auf den sogenannten Dritten Weg kircheninterner Lohnfindung ab. „Die Beschäftigten im Klinikum Weimar wollen raus aus der Zuschauerrolle und lehnen den Dritten Weg ab, bei dem hinter den Kulissen und ohne demokratische Beteiligung über ihre Arbeitsbedingungen entschieden wird“, betont Becker. Insbesondere langjährige Beschäftigte und Hilfskräfte seien in den kirchlichen Regelungen gegenüber den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes deutlich schlechter gestellt.

„Anders als beim Abschluss von Tarifverträgen erfüllt das vom Diakonischen Werk vorgesehene Verfahren zur innerkirchlichen Gestaltung von Arbeitsbedingungen nicht die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an einen „gleichgewichtigen Konfliktlösungsmechanismus“, erläutert der Arbeitsrechtler Daniel Stach von der ver.di Bundesverwaltung in Berlin.

Zum Versuch der Klinikleitung, Warnstreiks mit juristischen Mitteln zu verhindern, sagte der Gewerkschafter Becker: „Die Beschäftigten nehmen lediglich ihr demokratisches Grundrecht in Anspruch. Es ist ein Unding und völlig aus der Zeit gefallen, dass die Kirche im Jahr 2024 das immer noch bestreitet. Das Grundgesetz, welches in diesem Jahr sein 75. Jubiläum feiert, garantiert das Recht der Koalitionen, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen tariflich zu regeln und notfalls auch streikweise durchzusetzen“, ergänzt der für Arbeitskampfrecht zuständige ver.di Jurist Daniel Stach.

Die Klinikleitung reklamiere kirchliche Sonderrechte, handele im Alltag aber wie andere Wirtschaftsunternehmen. „Beschäftigte in den Bereichen Essensversorgung, Cafeteria und Reinigung sind in Tochtergesellschaften ausgegliedert, nur um die Löhne zu drücken“, berichtet Becker. Zudem seien Beschäftigte im Labor und die meisten Hebammen nicht mehr in kirchlicher Anstellung. Für alle diese Kolleginnen und Kollegen gelte das weltliche Arbeitsrecht, für andere nicht. „Das passt hinten und vorne nicht. Statt die Beschäftigten zu spalten und auf ihre Privilegien von anno dazumal zu pochen, sollte die Klinikleitung den Willen und die demokratischen Rechte seiner Beschäftigten respektieren. So kann der Arbeitgeber Streiks jederzeit verhindern.“

Warnstreikbeginn: 6 Uhr am Haupteingang des Klinikums

Demonstrationsbeginn: 8:30 Uhr

Für Rückfragen und vor Ort:

Bernd Becker, bernd.becker@verdi.de, Mobil: 0175 4324530
Quelle: ver.di Landesbezirk Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Es liegt nun am Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar, mit ver.di zu einer Notdienstvereinbarung zu kommen, um gemeinsam die wichtigen und unabdingbaren Gesundheitsleistungen im Klinikum zu gewährleisten.

Btw.: keine kirchlichen Mitarbeitenden sind gehindert, in ihrer Freizeit an Solidritätsaktionen teilzunehmen. Im Gegenteil: das ist gutes demokratisches Grundrecht!
Aktionen innerhalb kirchlicher Einrichtungen oder während der Arbeitszeit müssen aber mit den örtlich zuständigen GewerkschaftssekretärInnen abgesprochen werden.

weitere Quellen:
Pressemeldung der Diakonie Mitteldeutschland:
Gemeinsame Pressemitteilung: Trotz einer beim Arbeitsgericht Erfurt eingereichten Unterlassungsklage (vgl. Pressemitteilung vom 22. Juli 2024) hat die Gewerkschaft ver.di den Aufruf für einen Warnstreik veröffentlicht und dem Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar dessen Durchführung für den 1. August 2024 angekündigt.

Evangelische Zeitung: Landeskirche und Diakonie gehen gerichtlich gegen Streikaufruf vor

Radio LOTTE Weimar 106.6 MHz: "ver.di-Streik am Hufeland-Klinikum"
Es brodelt ordentlich im Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar. Die Beschäftigten wollen streiken, ver.di ruft dazu auch auf, aber die Klinikleitung, also die Diakonie, sieht darin ein illegalen Vorgang und zieht jetzt gegen ver.di vor das Arbeitsgericht. Die Arbeiter im Krankenhaus hätten kein Streikrecht, weil sie nach kirchlichem Recht eingestellt sein. Das sieht ver.di ganz anders. Die Fronten sind verhärtet.
Wie es weiter geht, besprechen wir mit Bernd Becker. Er ist Landesfachbereíchsleiter Fachbereich Gesundheit für Thüringen.

Radio Lotte: Verdi ruft Klinikum-Angestellte zum Streik auf

Reddit.com: Christliches Verständnis: Konsens statt Streik im Klinikum Weimar
(Anm.: nein, den Arbeitnehmern als den Schwächeren das Streikrecht als ultima ratio nehmen zu wollen ist kein christliches Verstädnis, sondern eine historisch zutiefst belastete unchristliche Handlungsweise zu Gunsten der ohnehin stärkeren Arbeitgeber.

Thüringer Allgemeine: Verdi ruft zum Warnstreik am Weimarer Klinikum auf (Kopie bei msn.com)

Meldungen aus der Politik:
DIE LINKE Thüringen:
📣"Das Streikrecht ist ein essenzielles Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aus gutem Grund ist es im Grundgesetz verankert. In der aktuellen Auseinandersetzung werden sich das Klinikum und die kirchliche Arbeitgeberseite bewegen müssen. Es wäre für alle Seiten gut, wenn es nun zu schnellen und konstruktiven Gesprächen kommt, um eine gute Lösung zu finden.“
____________________________________________

Nachtrag:
Thüringer Allgemeine: Freitag, 26. Juli 14.11 Uhr:
Verdi ruft zum Warnstreik am Weimarer Klinikum auf
Jetzt ging alles ganz schnell: Am Montag hatten die Evangelische Kirche Mitteldeutschlands (EKM), Diakonie sowie das Sophien- und Hufeland-Klinikum beim Arbeitsgericht Klage gegen mögliche Streiks an der Einrichtung eingereicht, den es da noch nicht gab. Am Freitag folgte die Reaktion der Gewerkschaft Verdi: Sie hat die Beschäftigten für den 1. August ab 6 Uhr zum ganztägigen Warnstreik aufgerufen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen




Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.

Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.