STREIT UM ÜBERSTUNDEN, ARBEITSSICHERHEIT UND ENTLOHNUNG(Über den Konflikt selbst berichtet heute auch n-tv: "Unwürdige Arbeitsbedingungen - Angestellte nehmen sich Staranwältin gegen den Vatikan", der Münchner Merkur (Kopie hier) und das Domradio: "Angestellte der Vatikanmuseen drohen mit Klage" mit der gleichen Aussage zur fehlenden Gewerkschaft im Vatikan. Der Inhalt des Konflikts ist uns hier einmal egal - uns geht es primär um das Thema "Gewerkschaft in kirchlichen Institutionen").
Schlechte Arbeitsbedingungen: Angestellte wollen gegen Vatikan klagen
.... Im Vatikan gibt es weder Gewerkschaften noch ein Arbeitsgericht. Arbeitgeber ist – in Vertretung des Papstes – der Präfekt der vatikanischen Stadtregierung (des "Governatorats"), der spanische Kardinal Fernando Vergez Alzaga. (KNA)
Auch die recht unbekannte Internetpräsend "Market screener" nimmt die Meldung auf und behauptet dann im Kontext mit unserem heutigen Blog-Thema sogar:
Gewerkschaften sind im Vatikan nicht erlaubt.Und sogar der "Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages" führt im April 2005 (Seite 9) zur Reform Pauls VI. vom 15. August 1967 aus:
...
An neuen Errichtungen kamen ferner hinzu
− die „Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls“,
− das „Zentralbüro für die Statistik der Kirche“ und
− das „Verwaltungsgericht“, das als Schiedsgericht für innervatikanische Verwaltungsbelange zuständig wurde – eine besondere Aufgabe, zumal es bis heute im Vatikan an einer Arbeitnehmervertretung fehlt.
Hier scheint das alte Ammenmärchen vom "Gewerkschaftsverbot in kirchlichen Einrichtungen" wieder aufzuflammen, und auch eine solche "Insider-Präsenz" wie katholisch.de scheint nicht ganz auf dem Laufenden zu sein. Denn schon bei WIKIPEDIA ist angegeben:
1981 wurde mit der „Arbeitnehmervereinigung der Laien im Vatikan“ eine Art Gewerkschaft gegründet. Im Vatikan gilt eine 36-Stunden-Woche, Tarifverhandlungen gibt es nicht.Nun kann man Wiki nicht unbedingt als Quelle verwenden. Allerdings wird 2008 auch im DOMRADIO zu dieser Gruppe ausgeführt:
Die "Vereinigung der Laienmitarbeiter im Vatikan" (ADLV), die seit 1981 die Rolle einer Gewerkschaft einnimmt ...Die Vertretung oder Gewerkschaft im Vatikan ist also unter Papst und Gewerkschaftsfreund Johannes Paul II. gegründet worden. Wundert das jemand?
Und diese Arbeitnehmervertretung war bis 2023 im "Grundgesetz" für den Vatikan ausdrücklich im Gesetzestext genannt. Die FAZ berichtete dazu:
Nicht mehr im Grundgesetz findet sich hingegen eine Institution, deren Wegfall bei einem Papst überrascht, der mit kapitalismuskritischen Aussagen wie „Diese Wirtschaft tötet“ von sich reden machte: Es ist die vatikanische Arbeitnehmervertretung.Dass eine Arbeitnehmervertretung nicht mehr explizit in einem Grundgesetz genannt wird, bedeutet aber nicht, dass es solche Vertretungen nicht mehr gäbe oder gar nicht mehr geben dürfe.
Vielleicht erfüllt die genannte "Arbeitnehmervertretung der Laien im Vatikan" ja auch nicht die hohen Ansprüche, die Papst Franziskus den Gewerkschaften stellt. Klar ist jedenfalls - und das ausdrücklich auch vom Papst bestätigt: Es gibt "Keine freien Arbeiter ohne Gewerkschaft" (nachzulesen im Sonntagsblatt). Das gilt überall, auch im Vatikan. Dort findet pikanterweise derzeit gerade mit internationalen Experten eine Konferenz zur Frage statt, wie der Vatikan Arbeitnehmerrechte, würdige Arbeitsbedingungen und Umweltschutz fördern will.
„Schlüsselthemen zur Zukunft der Arbeit, die sich herauskristallisiert haben, sind: .... menschenwürdige Arbeit; soziale Gerechtigkeit, Würde und Ungleichheit; der Schutz von Migranten, insbesondere von Wanderarbeitnehmern und sozial Schwachen; und der gerechte ökologische Wandel im Kontext von Wirtschaftskrisen und Klimawandel."
Zurück zum Thema:
Woher kommt nun die Aussage von katholisch.de und dem Domradio zu "keiner Gewerkschaft im Vatikan"- wobei das Domradio sogar seiner früheren Aussage widerspricht? Ist es Unkenntnis?
Richtig ist sicher: eine starke gewerkschaftlich organisierte Belegschaft würde solche Konflikte lösen, ohne dass "Staranwälte gegen den Vatikan" mobilisiert werden müssten. Aber vielleicht zählt ja beim "Domradio" und bei "katholisch.de" nur die Vereinigung als Gewerkschaft, die aktiv (und möglicherweise sogar ständig) zu Arbeitskampf und Streik aufruft. Das - mit Verlaub - wäre ein sehr beschränktes Gewerkschaftsverständnis. Auch für die Gewerkschafen in Deutschland gilt, dass der Arbeitskampf nur eine "ultima ratio" ist. Es ist wesentlich angenehmer (und schont die Streikkassen), wenn das gewünschte und notwendige Verhandlungsergebnis ohne einen intensiven Arbeitskampf erreicht werden kann. Allerdings kann und darf eine Gewerkschaft nicht auf das Streikrecht als ggf. notwendiges Druckmittel verzichten. Wenn, dann kommt nur die tarifvertragliche Friedenspflicht infrage.
1991 wurde die "Associazione Dipendenti Laici Vaticano", die Vereinigung der Laien-Mitarbeiter des Vatikans, auch offiziell als Arbeitnehmervertretung und damit als potentieller Verhandlungs- und Vertragspartner für deren Mitglieder im Vatikan anerkannt.
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