Mittwoch, 15. Mai 2024

Gewerkschaft bei der katholischen Kirche in Deutschland?

Man hört es immer wieder: in einer katholischen Einrichtung "darf es keine Gewerkschaft geben".
Uns verwundert das etwas, hat doch auch Papst Johannes Paul II. am 14. Januar 1983 auch in seiner ANSPRACHE AN DIE BISCHÖFE AUS DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES ausgeführt:
Die katholische Kirche selbst ist ja in Eurem Land einer der größten Arbeitgeber. Ich möchte Euch darin bestärken, auch weiterhin eine besondere soziale Verantwortung wahrzunehmen, wenn es darum geht, Arbeitsplätze auch unter eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten zu erhalten, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu geben oder behinderten Menschen Raum für eine ihnen mögliche Tätigkeit zu schaffen. Eine solche konsequente soziale Ordnung im eigenen Haus gibt Euch einen zusätzlichen Rechtstitel, um den kirchlichen Arbeitsbereich weitgehend selbst zu gestalten, bis hin zu eigenen Formen einer Arbeitnehmervertretung, die Ihr zu Recht als der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen betrachtet.
Leider ist diese Ansprache vielfach missverstanden worden.
Sie betont zunächst - auch und gerade gegenüber den Bischöfen - das Recht der Arbeitnehmer auf eine Arbeitnehmervertretung. In Deutschland ist dieses Recht ausdrücklich im Grundgesetz (Koalitionsfreiheit) verankert. Erst danach stellt sich die Frage, wie diese Arbeitnehmervertretung auch die besondere Natur des kirchlichen Dienstes berücksichtigen soll.
Fraglich ist dann also, was der Papst einerseits und die Bischöfe andererseits als "der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen" betrachtet haben. Wenn man die lehramtlichen Verlautbarungen auch nur dieses Papstes zum Gewerkschaftsprinzip (vgl. z.B. "Laborem Exercens" Nrn. 20 und 24 vom Sept. 1981) ansieht, dann dürfe dieser ein besonders intensives gewerkschaftliches Engagement mit entsprechend umfassenden Beteiligungsrechten als "angemessen" gesehen haben. Die deutschen Bischöfe scheinen gerade vom Gegenteil ausgegangen zu sein.
Die Akzeptanz einer "eigenen Form einer Arbeitnehmervertretung, die der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen" ist, kann aber nicht dazu führen, dass die anerkannten Rechte der Arbeitnehmervertretungen negiert werden. Es kann nicht darum gehen, im Kirchendienst sogenannte "christliche Gewerkschaften" zu verankern, die bekanntlich nur zu den Arbeitgebern besonderes christlich sind.

Aber unabhängig von der jeweiligen Sichtweise:
Eine "besondere Natur des kirchlichen Dienstes" verlangt einvernehmliche Regelungen zwischen den kirchlichen Repräsentanten, insbesondere den Bischöfen einerseits und der Arbeitnehmervertretung, insbesondere der für die Kirchen zuständigen DGB-Gewerkschaft andererseits. Dazu wäre am Besten und am Einfachsten eine Grundlagenvereinbarung zu verhandeln, die unter Berücksichtigung der gerechtfertigten Interessen beider Seiten einen Konsens findet.

Kath.pedia dokumentiert die Ad-limina-Ansprachen von Papst Johannes Paul II. an die DBK im Januar 1983. In seiner Ansprache an die zweite Gruppe deutscher Bischöfe am 21. Januar 1983 führte der Papst genau das unter Bezug auf seine große Sozialenzyklika auch ausdrücklich aus:
Rufer der Umkehr sein
Rufer der Umkehr zu sein, ist nicht bequem. Auch wenn noch so viele erkennen, das Umkehr not tut, dürfen wir uns nicht darüber wundern, das viele vor den konkreten Schritten zurückschrecken, die dafür erforderlich sind. Ich möchte euch in eurem schweren Dienst bestärken, Rufer der Umkehr zu sein, und im folgenden auf einige Richtungen hinweisen, die neu einzuschlagen sind, damit wahrhaft Umkehr geschehe und die Menschen sich wieder neu Gott zuwenden und öffnen.

Ein Kult des Gesprächs
Wir müssen umkehren von der Anonymität zum Bekenntnis. Umkehr gibt es nicht, wenn nicht jeder bei sich selbst anfängt. Der Mensch der industriellen Massengesellschaft ist versucht, sich in der Anonymität der Masse zu verstecken. Anderseits möchte er jedoch aus dem Bann der Namenlosigkeit ausbrechen; er möchte wieder einen Namen, ein Ich haben und erleben. Er gibt geradezu einen Kult des Gespräches, des Aussprechens aller Schwierigkeiten, Probleme und Empfindungen. Warum finden wir nicht auch wieder neu den Weg zu jenem Gespräch, das wahrhaft befreit?
....
Welch große Tradition haben katholische Soziallehre und sozialer Katholizismus in eurem Land! Lasst die Impulse nicht ungenutzt, die ich in meiner Enzyklika Laborem exercens in dieser Richtung gegeben habe. Wir müssen umkehren von Illusionen zur konkreten Verantwortung,
....
Die Kirche kann den Aufruf Christi zu Umkehr und Glaube nur dann überzeugend den Menschen als Heilsbotschaft verkünden, wenn sie ihn zuallererst selbst befolgt und beispielhaft vorlebt. ...
Und in seiner Ansprache an die bayerischen Bischöfe am 28. Januar 1983 nimmt Johannes Paul II. dann auch etwas vorweg, was sein Nachfolger später unter dem Stichwort "Entweltlichung" in Freiburg ausdrücklich gegenüber der Nomenklatur der katholischen Kirche ansprechen wird.
Eine Ortskirche, die über verhältnismäßig viele materielle Mittel verfügt wie die eurige, hat ihre besonderen Chancen, aber auch ihre besonderen Gefährdungen. Eine der Gefahren ist es, das der Apparat stärker wird als die Menschen. Aber für die Kirche ist das Prinzip persönlicher Verantwortung von grundlegender Bedeutung. Geistliche Führung liegt in der Kirche nicht bei einem Kollektiv, sondern immer bei Personen. Ich weiß, wie schwer es bei allen Verpflichtungen eines Bischofs in dieser Zeit ist, diesem Prinzip treu zu bleiben. Ich weiß, das man nie alle zufriedenstelIen kann. Aber ich bitte euch doch darum, ....

Dennoch haben die Bischöfe durch ihre eigenen Regelungen des kirchlichen Arbeitsbereiches vor allem dem Machterhalt des von ihnen gelenkten Apparates gedient. Und das in einer Art und Weise, die auch juristisch angreifbar war und den "Rahmen des für alle geltenden Gesetzes" weit überschritten hat. Das so entstanden kirchliche Arbeitsrecht ist nicht vorbildlich. Es ist ein schlechter Abklatsch der grundlegenden Anforderungen, die in der heutigen Gesellschaft gestellt werden. Gerade zum einseitig selbst geregelten kirchliche Arbeitsbereich haben die höchsten Gerichte Deutschlands und Europas inzwischen einige falsche Zähne gezogen. Das betrifft unter anderem das Streikrecht (es steht den Gewerkschaften zu) oder überzogene Loyalitätsanforderungen - auch da, wo es für die Tätigkeit selbst nicht erforderlich ist.
Die katholischen Bischöfe haben den von Johannes Paul II. angesprochenen Rechtstitel zur weitgehenden Gestaltung des kirchlichen Arbeitsbereiches verspielt. Aber das schreiben wir ja seit nunmehr fast 12 Jahren.

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