Die Kündigung eines katholischen Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen erneuter Eheschließung nach Scheidung kann eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstellen
Hier - auf der homepage des EuGH - gibt es auch schon das Urteil:
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass
– zum einen eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht und die eine in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründete Klinik betreibt, nicht beschließen kann, an ihre leitend tätigen Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne dieses Ethos zu stellen, ohne dass dieser Beschluss gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein kann, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie genannten Kriterien erfüllt sind, und
– zum anderen bei Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten im Sinne des genannten Ethos eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten in leitender Stellung je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit nur dann mit der Richtlinie im Einklang steht, wenn die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, was das nationale Gericht zu prüfen hat.
2. Ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht ist, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts wie insbesondere dem nunmehr in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten Verbot der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit der sich daraus ergebenden Rechte zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt.
Mit Spannung hatte die katholische Welt in Deutschland das für heute 09:00 Uhr angekündigte Urteil des EuGH (Chefarzt) erwartet - geht es doch um nichts anderes als den Anspruch der Kirche, auch bei normalen Arbeitnehmern intensive Anforderungen bis in das Privatleben hinein zu stellen.
Wir haben auf die Problematik immer wieder hingewiesen. Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmer aus religiösen Gründen diskriminiert werden. Wir haben uns dazu schon früh gegen die von Rechtfertigungsjuristen aus dem klerikalen Umfeld geprägte herrschende Meinung gestellt.
So hat noch am 18. April der vom Kirchenamt geschätzt Professor Thüsing die letzte Entscheidung des EuGH, wonach man nicht zwangsläufig einer Konfession angehören müsse, wenn man sich bei einem kirchlichen Arbeitgeber bewirbt, als "überraschende Entscheidung" bezeichnet.
Quelle: Domradio 18.04.2018: "Eine unerwartete Entscheidung", findet der Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing
Dabei genügt ein unvoreingenommener Blick in die verfassungsrechtlichen Normen *), um zu einer anderen Bewertung zu kommen. Auch die Religionsgemeinschaften und besonders die Kirchen sind in das staatliche Gemeinwesen integriert. sie dürfen weder rechtswidrig noch - auch das ist eine besondere Form der Rechtswidrigkeit - willkürlich handeln.
Bei der Gelegenheit erinnern wir an unseren Beitrag vom 20. April des Jahres - besondere Anforderungen mögen bei der Besetzung kanonischer Ämter gerechtfertigt sein. Aber ansonsten gilt, was das deutsche Verfassungsgericht schon 1985 (-- 2 BvR 1703, 1718/83 und 856/84 -- ) festgestellt hat. Wenn sich die Kirchen infolge einer Rechtswahl für die Anwendung des weltlichen Arbeitsvertrags-/Dienstrechts entscheiden, dann ist auch das für alle geltende weltliche Arbeitsvertragsrecht uneingeschränkt anzuwenden bzw. genauestens zu beachten, wie es im CIC steht.
Die Entscheidungen des EuGH sind alles andere als unerwartet.
Medienberichte zur Entscheidung des EuGH:
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/eugh-kuendigung-wegen-wiederheirat-kann-diskriminierung-sein,R3K5zVR
EuGH: Kündigung wegen Wiederheirat kann Diskriminierung seinhttps://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2018-09-11/zwischenstopp-im-rechtsstreit-eugh-kuendigung-durch-kirche-wegen-wiederheirat-kann-diskriminierung
Wenn ein katholischer Arbeitgeber einem Mitarbeiter wegen dessen zweiter Ehe kündigt, kann das nach EU-Recht eine verbotene Diskriminierung darstellen. Das entschied der EuGH im Fall eines deutschen Chefarztes.
EuGH: Kündigung durch Kirche wegen Wiederheirat kann Diskriminierung seinhttp://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/bischofe-kritisieren-eugh-urteil-zum-arbeitsrecht
Zwischenstopp im Rechtsstreit
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Die Kündigung eines Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen Wiederheirat kann eine "verbotene Diskriminierung" aufgrund der Religion darstellen. Der Fall ist aber noch nicht beendet.
Bischöfe kritisieren EuGH-Urteil zum Arbeitsrechthttp://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/eugh-urteil-schrankt-kirchliches-arbeitsrecht-ein
Der Europäische Gerichtshof sagt: Die Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat kann "verbotene Diskriminierung" sein. Das sieht die Deutsche Bischofskonferenz anders - und beruft sich auf die verfassungsrechtliche Position der Kirche.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.
Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.