Sonntag, 28. Juni 2020

Sonntagsnotizen - kann ein Konkordat das kirchliche Arbeits- und Datenschutzrecht retten?

Mit einer etwas anderen Überschrift hat sich katholisch.de mit dem Staatskirchenrechtler Prof. Heinig, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Kirchenrecht und Staatskirchenrecht an der Georg-August-Universität Göttingen und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland über das Spannungsverhältnis zwischen dem EuGH und dem Bundesverfassungsgericht unterhalten mit dem Schwerpunkt des kirchlichen Selbstorganisationsrechts unterhalten
Staatskirchenrechtler Heinig: EuGH "religionskulturell unterbelichtet"

Kann ein Konkordat die Religionsfreiheit in der EU stärken?


Die Richter am Europäischen Gerichtshof kennen sich mit Wirtschaft und Warenverkehr aus – aber was Religionen angeht, fehlt ihnen Feingefühl, sagt der Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig – obwohl die EU die Religionsfreiheit achten will. Gibt es eine Lösung dafür?


Heinig: Die jüngsten Entscheidungen zum kirchlichen Arbeitsrecht zeigen, dass es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine hohe Sensibilität dafür gibt, dass kirchliches Arbeitsrecht immer die komplexe theologische Fragestellung mitverhandelt, was die Kirche zur Kirche macht. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht stets einen Sensus gehabt, anders als der EuGH, dem diese Sinndimension völlig abgeht.

Frage: Konkordate auf nationaler Ebene gibt es bereits. Ist dadurch die katholische Kirche in der Rechtsprechung bisher besser gefahren als andere Religionsgemeinschaften ohne Staatskirchenverträge?
Heinig: Nein. Es gab einen Fall in Spanien, in dessen Fallkonstellation der EuGH auch mit konkordatsrechtlichen Aspekten zu tun hatte. Die haben aber letztlich für das Gericht keine Rolle gespielt. Deshalb ist mein Vorschlag, über ein EU-Konkordat nachzudenken, sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Es wäre immerhin ein Unterschied, einen Staatskirchenvertrag direkt auf EU-Ebene abzuschließen statt nur in den Mitgliedsstaaten.
Frage: Gibt es konkrete Bestrebungen, einen Vertrag zwischen der EU und dem Vatikan zu schließen?
Heinig: Mir sind keine bekannt. Ich sehe auch keine realistische Aussicht auf den Abschluss eines solchen Vertrags.
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Quelle: katholisch.de

Hintergrund der Diskussion scheint auch zu sein, dass die nationalen Konkordatsvereinbarungen als völkerrechtliche Regelungen, die in nationales Recht umgesetzt wurden, der Rechtskontrolle durch den EuGH entzogen scheinen. Auf diesem Weg vermeint man, die Sonderrolle der Kirchen als "Staat im Staat" mit eigener Rechtsetzungsbefugnis retten zu können.

Wer sich da Hoffnungen macht, wird bei näherer Sicht auf die Konkordate - ein Blick ins Gesetz erleichtert gemeinhin die Rechtsfindung - schwer enttäuscht sein. Denn im Reichskonkordat (und beispielhaft im Bayerischen Konkordat nicht anders) ist schon im Artikel 1 geregelt, dass die Rechtsetzungsbefugnis der Kirche auf die eigenen Mitglieder beschränkt ist. Mit welcher Anmaßung dann kircheneigene Regelungen etwa zum Arbeitsrecht oder auch dem Datenschutzrecht ganz selbstverständlich auch für Nichtkatholiken und Nichtchristen gelten sollen - da bleibt den Verfechtern der "Kirche als Staat im Staat Lehre" jeder Erklärungsversucht stecken.
Diese Beschränkung der kirchlichen Rechtsetzungsbefugnis ist auch zwingende Auswirkung des religionspolitischen Neutralitätsgebotes staatlicher Akteure:
Das Grundgesetz verbietet dem Staat einer Religionsgesellschaft hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner Religionsgesellschaft angehören
(3. Leitsatz im Urteil es Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 1965 auf die mündliche Verhandlung vom 13. und 14. Juli 1965 - 1 BvR 413/60-)

Und was die in der Überschrift bemühte "Religionsfreiheit" betrifft … wir denken nicht, dass die Religionsfreiheit in Italien oder Frankreich beeinträchtigt wäre, nur weil der Kirche dort nicht die gleichen weltlichen Kompetenzen zugestanden sind, die von den Kirchen in Deutschland beansprucht wurden.

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