Montag, 12. August 2013

Countdown zum 31.12.2013 - Teil II.

bis zum 31.12.2013 müssten kirchliche Träger rechtsverbindlich die Grundordnung in ihrer Satzung übernehmen, wenn weiterhin das kirchliche Arbeitsrecht angewendet werden soll. Ansonsten sind die Vorgaben des weltlichen Arbeitsrechts anzuwenden, und ein Betriebsrat (bei juristischen Personen des privaten Rechts wie einer GmbH, einer gGmbH, einem e.V. usw) oder ein Personalrat (bei juristischen Personen wie Körperschaften oder Stiftungen des öffentlichen Rechts) zu bilden.
Die Abgrenzung erfolgt ausschließlich anhand der Rechtsnatur des Arbeitgebers. Gem. § 130 BetrVG findet das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung auf Verwaltungen und Betriebe ... der Körperschaften Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Eine Überschneidung der unterschiedlichen Mitbestimmungsgesetze ist daher ausgeschlossen.

Die erste Meldung (wo wäre eigentlich jetzt schon ein Betriebs- oder Personalrat zu bilden?) haben wir Ende Juli gebracht: "klick"

Heute gehts um die Frage, ob der 31.12.2013 abgewartet werden muss, und ob es möglich ist, vorab entsprechende Vorarbeiten zu leisten:

Der 31.12.2013 ist ein "Enddatum" - kein Arbeitgeber ist aber gehindert, bereits vorher seiner MAV mit zu teilen, dass die Grundordnung nicht in der Satzung oder den Statuten übernommen wird. Und kein Arbeitgeber muss bis zum letzten Tag warten. Er kann auch vorher schon die Anwendung des weltlichen Arbeitsrechts - und die Nichtanwendung des kirchlichen Arbeitsrechts - erklären.

Eine durchgängie Vertretung der Arbeitnehmer sollte aber in jedem Fall ermöglicht werden. Das gebieten sowohl die kath. Soziallehre (z.B. Mater et magistra, 91) wie auch europarechtliche Vorgaben (Art. 1 Abs. 1 c mit Art. 6 der Richlinie 2001/23/EG).

Im Folgen wird ausgeführt, ob diese Regelungen als anwendbare Rechtsnormen in Betracht kommen.

Tatsächlich sind beide Regelungen nicht unmittelbar geltendes Recht.

1.
Eine mittelbare kirchenrechtliche Bindung an die kath. Soziallehre könnte über c. 1286 1° CIC abgeleitet werden. Diese Regelung des Codex gilt für alle "eigentumsrechtlich" kirchlichen Betriebe und Einrichtungen. Der Canon verpflichtet insofern zwar die kirchlichen Vermögensverwalter - er gewährt aber kein "individuell einklagbares Recht".

2.
Die EU-Richtlinien gelten erstmal nur gegenüber den Nationalstaaten, die dadurch verpflichtet sind, nationales Recht zu schaffen, mit dem die Richtlinien in nationales Recht transformiert wird. Richtlinien gelten auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zu Lasten Privater (EuGH, 26.2.1986, Rs. 152/84, Slg. 1986, 723 Rn. 48 - Marshall I).

Die RL als "weltliche Rechtsnorm" entfalten Drittwirkung daher allein durch eine europarechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts, nachdem die Umsetzungsfrist abgelaufen ist. Richtlinien entfalten ansonsten keine horizontale Drittwirkung. Unabhängig davon, ob die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, binden die Richtlinien grundsätzlich allein den Staat. Dieser ist zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtet. Das hat die BRD mit dem BetrVG sicherlich getan. Und das BetrVG gilt in den Einrichtungen, die die GrO nicht anerkennen, ab diesem Moment. Ziel der Richtlinie ist es aber, sicherzustellen, dass die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer durchgängig vertreten werden. Es soll verhindert werden, dass bis zur Neubestellung des Vertretungsorgans eine vertretungslose Zeit eintritt. Die Richtlinie soll gem. Art. 1 Abs. 1 c sowohl für private als auch für öffentliche Unternehmen zur Anwendung kommen.

Tatsächlich sehen die staatlichen Regelungen den Wechsel vom kirchlichen Arbeitsrecht (MAV) zum weltlichen Arbeitsrecht (Betriebs- /Personalrat) nicht vor, während es für den Wechsel zwischen Betriebs- und Personalrat (und anders herum) einen "Flickenteppich von Detailregelungen" gibt.
Genau eine solche "vertretungslose Zeit" läge also vor, wenn der Arbeitgeber für seine kirchliche Einrichtung bis zuletzt die Wahl eines Betriebs- oder Personalrats unterbindet, weil erst ab dem 01.01.2014 die Grundlage für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Personalvertretungsgesetze besteht, während gleichzeitig die Anwendbarkeit der MAVO durch das Ausscheren aus dem kirchlichen Arbeitsrecht nicht mehr möglich wäre.
Denn mit der Geltung der staatlichen Gesetze ist noch kein Betriebs- oder Personalrat gewählt und konstituiert. Bis zu diesem Zeitpunkt kann noch eine ganz erhebliche Zeit verstreichen.
Es besteht also eine - wohl planwidrige - Regelungslücke, die zu füllen ggf. eine Heerschar von Juristen beschäftigen könnte.

Daher liegt es auch im Interesse eines Arbeitgebers, gerichtliche Auseinandersetzungen weitestgehend zu vermeiden. Und ein fürsorglicher und vernünftiger Arbeitgeber wird deshalb bereits vorher unterstützend tätig werden, um rechtzeitig einen Betriebs- oder Personalrat zu bilden.

Dementsprechend sollte ein fürsorglicher und vernünftiger Arbeitgeber keine Einwände dagegen haben, wenn eine bestehende MAV die Vorbereitungen für eine schnelle Betriebs- oder Personalratswahl trifft. Im Gegenteil:
Warum soll es nicht möglich sein, die Anwendung der Grundordnung nur solange zu erklären, bis die Voraussetzungen für einen möglichst nahtlosen Übergang von MAV zu Betriebs- oder Personalrat gegeben sind?
Oder anders herum: wenn ein Arbeitgeber beabsichtigt, zum 31. Dezember die Grundordnung nicht zu übernehmen, dann könnte er bereits vorher schon die Grundlagen für die Wahl eines Betriebs- oder Personalrats schaffen.

Essentiell dafür ist zunächst die Erstellung einer möglichst vollständigen Wählerliste, die schon jetzt aus dem Anspruch auf einen Ist-Stellenplan (= Stellenbesetzungsplan) erarbeitet werden kann, und bei Personalveränderungen laufend zu aktualisieren ist. Es macht auch nichts, wenn zunächst eine fehlerhafte, weil z.B. unvollständige Wählerliste ausliegt. Jeder kann Einspruch einlegen und so eine Korrektur ermöglichen.

Möglicherweise lässt sich der Arbeitgeber auch dazu bewegen, einen "pactum de non petendo" zu schließen. In diesem Fall würde schon vorzeitig ein Wahlvorstand in analoger Anwendung der künftig geltenden Regelungen gebildet werden, dem dann auch die Teilnahme (incl. Freistellung und Kostenübernahme) an entsprechenden Wahlvorstandsschulungen ermöglicht werden könnte. Denn was passiert, wenn schon die MAV den Wahlvorstand bestellt? Dann hat der Falsche das Richtige getan und das dürfte nach Ansicht von Juristen wohl kaum zu einer wirksamen Wahlanfechtung führen.

Dazu kennt das Bayer. Personalvertretungsgesetz in Art. 25 noch ein besonderes "Bonmot":
"Bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und bis zur Feststellung des Wahlergebnisses bei der Wiederholungswahl führt der Personalrat die Geschäfte weiter. Wird die Wahl für ungültig erklärt, so bleiben die vorher gefassten Beschlüsse des Personalrats in Kraft."

Jetzt (vor dem 31.12.) würde also die MAV oder (noch viel besser) die Gewerkschaft die Wahl einleiten. Die Gewerkschaft kann das auch ohne scheinbaren Widersprüche im eigenen Verhalten machen, wenn es noch eine MAV gibt. Die Gewerkschaft kann nämlich jetzt schon behaupten, die Einrichtung stehe nicht zur GrO, sie sei "Welt". Dann kann der Arbeitgeber versuchen, die Wahl durch eine einstweilige Verfügung zu stoppen. Dazu müsste er aber erklären, dass und warum er jedenfalls jetzt noch Kirche ist. Je näher wir am Jahresende sind, um so schwerer wird ihm das ohne die verbindliche Erklärung zur Grundordnung werden. Mit der Ankündigung der Wahl eines Betriebs- oder Personalrats kann die Gewerkschaft den Arbeitgeber daher auch zu einer vorgezogenen Erklärung über die Geltung der GrO zwingen.

Die Rechtsgrundlage für eine solche "vorgezogene Neuwahl" steht aber auf "tönernen Füßen". Man könnte sie mit einer analogen Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen (europarechtskonforme Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Landespersonalvertretungsgesetze i.V. mit der Art. 1 Abs. 1 c mit Art. 6 der Richlinie 2001/23/EG) begründen. Da - wie oben ausgeführt - eine planwidrige Regelungslücke für den Übergang vom kirchlichen zum staatlichen Betriebsverfassungs- / Personalvertretungsrecht besteht, wäre wohl die Voraussetzung für eine Analogie gegeben. Ob die örtlich zuständigen Arbeitsgerichte (Betriebsrat) oder Verwaltungsgerichte (Personalrat) das auch so sehen, ist zunächst nicht abschätzbar.
Daher gilt auch hier: "Vor Gott und auf hoher See ..." sowie zur Sicherheit: "Wo kein Kläger, da kein Richter" und daher sollte ein solcher Weg soweit möglich nur mit Einverständnis des Arbeitgebers oder umfassender rechtliche Begleitung (Gewerkschaftssekretär, Fachanwalt für Arbeitsrecht ...) begangen werden.


Literaturhinweise:
Dr. Pawlak, Dr. Leydecker "Die Privatisiegung öffentlicher Unternehmen: Übergangsmandat des Personalrats und Fortbestand kollektiver Regelungen"
Schlenker-Rehage: "Das Übergangsmandat des Betriebs- und Personalrats und die Bedeutung der Richtlinie 2001/23/EG"


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