Donnerstag, 1. August 2024

Sonntagsnotizen - was ist "kirchenfeindliches Verhalten" (aus aktuellem Anlass schon am heutigen Donnerstag)

Der Begriff "kirchenfeindliches Verhalten" in der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" hat uns schon länger gestört. Es ist ein dehnbarer - "unbestimmter" - Rechtsbegriff, dem konkrete arbeitsrechtliche Folgen anhängen. Wir haben dann etwas provokant - aber nicht ohne erläuterten Hintergrund - gefragt:
Kann es noch so weit kommen, dass die verfassungsrechtlich garantierte gewerkschaftliche Betätigung als "kirchenfeindliches Verhalten" bezeichnet wird?
Die Rechtswissenschaft oder Juristerei bietet eine Fülle von Möglichkeiten an, diesen Begriff zu interpretieren. Eine der Möglichkeiten ist die sogenannte "systematische Interpretation". Dabei schaut man, ob der Begriff auch in anderen Normen vorkommt - und dort vielleicht sogar näher beschrieben ist.
Das Bistum Dresden-Meißen hat jüngst die Wahl- und Gremienordnung für Ortskirchen- und Pfarreiräte angepasst, damit Ehrenamtliche, die extremistische Positionen vertreten, künftig von den Gremien ausgeschlossen sind.
"Kirche+Leben" berichtet darüber dann auch:
Demnach ist eine "kirchenfeindliche Betätigung, die nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen" ein Ausschlusskriterium. Dazu zählten insbesondere öffentliche extremistische Äußerungen und eine - ebenfalls öffentlich wahrnehmbare - Mitgliedschaft in extremistischen Parteien oder Organisationen.

Außerdem fielen darunter Kandidaturen für Parteien oder Organisationen, die extremistische Haltungen und Positionen vertreten. Ferner sei die Übernahme von Ämtern oder Aufgaben in solchen Parteien ein Ausschlussgrund.

Das Bistum erwähnt die AfD nicht eigens, bezieht sich aber ausdrücklich auf das Papier "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" der Deutschen Bischofskonferenz. Darin grenzen sich die katholischen Bischöfe deutlich von der AfD ab und bezeichnen sie als für Christen unwählbar. Das Bistum Dresden-Meißen betont, es lehne jede Form von Extremismus ab, da derartige Gesinnungen auf Ab- und Ausgrenzungen zielten, die sowohl die Menschenwürde als auch die Solidarität teilweise oder ganz infrage stellten.
Vor diesem Hintergrund scheint nun eine "Entwarnung" angezeigt zu sein:
Gewerkschaftliche Betätigung - inclusive des Aufrufs zum Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen - kann danach kein "kirchenfeindliches Verhalten" sein. Denn hierbei handelt es sich um keine extremistischen Betätigungen, sondern um Handlungen, die verfassungsrechtlich ausdrücklich geschützt sind.

Nun könnte man ja einwenden, für die Beurteilung komme es "auf die Sichtweise der jeweiligen Kirche" an. Und wenn die Kirche nun einmal einen Arbeitskampf als "kirchenfeindliches Verhalten" empfinde, dann ... dann antworten wir:
Mooooment amoi. So geht's ned: 
Denn
1. besteht die kirchliche Regelungsbefugnis nur im Rahmen der für alle geltenden Gesetze, und dass das Koalitionsrecht mit dem diesem inharent geltenden Arbeitskampfrecht ein - sogar verfassungsrechtlich geschütztes - für alle geltendes Recht ist, kann wohl niemand ernsthaft bestreiten, und
2. zumindest in der katholischen Kirche ist die gewerkschaftliche Betätigung ausdrücklich gefordert (Würzburger Synode, Beschluss Kirche und Arbeiterschaft) und gefördert (päpstliche Sozialenzykliken) - und das Streikrecht nicht nur dort sondern auch im Katechismus der katholischen Kirche umfassend und ausnahmslos für alle Berufe bestätigt. "Kirchenfeindlich" wäre eher das Gegenteil - den Arbeitnehmern dieses "Notwehrrecht" abzusprechen und sich so auch gegen das päpstliche Lehramt zu stemmen.

Merksatz: 
Jeder Arbeitgeber behauptet gerne, dass in seinem Betrieb nicht gestreikt werden dürfe - aber wenn ein Personalreferent, ein Pfarrer oder auch ein Bischof das behaupten, wird noch lange keine Glaubenswahrheit aus so einer Behauptung. 

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