Donnerstag, 2. Mai 2019

Kardinäle im Streit - Kasper will kirchliche Verwaltungsgerichte als Machtbegrenzung

Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper widersprach seinem Mitbruder, Kardinal Gerhard Müller, der es für unmöglich hält, dass in Verwaltungsgerichten Laien über Bischöfe zu Gericht sitzen könnten. „Das sehe ich anders. Es geht ja nicht um ein Urteil über Personen, sondern über deren Entscheidungen“, sagte Kasper.


Diese Bemerkenswerte Aussagen finden sich in aktuellen Berichten u.a. von Radio Vatikan, wonach Kardinal Kasper die Einführung innerkirchlicher Verwaltungsgerichte als Beschwerde-Instanzen fordert. Als Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal würde eine solche Einrichtung der Autorität eines Bischof nichts wegnehmen. 
Es handele sich um
"Formen von Machtbegrenzung, die sich bewährt haben"
"Wenn wir zu Recht über arroganten, selbstverliebten Klerikalismus und Machtmissbrauch in der Kirche klagen, dann müssen wir doch auch sehen, welche Formen von Machtbegrenzung und Machtkontrolle sich anderswo bewährt haben, etwa in demokratischen Gemeinwesen."
Quelle:
Wir stehen der Forderung von Kardinal Kasper noch etwas unschlüssig gegenüber. Soll es hier darum gehen, anstelle der staatlichen Strafgerichte eigene, vom Staat unabhängige Gerichte zu installieren, die vorrangig gegenüber staatlichen Gerichten agieren - wie es ähnlich bei den kirchlichen Arbeitsgerichten und den kirchlichen Datenschutzgerichten bereits festzustellen ist?
Oder geht es darum, auch kirchenrechtliche Konsequenzen zu ziehen, die - bis hin zur Entlassung aus dem priesterlichen Dienst - dem Staat nicht möglich sind? Handelt es sich dann um Strafgerichte oder um Verwaltungsgerichte, die ähnlich wie bei den kommunalen und staatlichen Beamten disziplinarrechtliche Befugnisse haben?
Können solche innerkirchlichen Gerichte tatsächlich unabhängig agieren?
Es stimmt, der vielfache Missbrauch von Minderjährigen oder auch anderen Abhängigen trägt - genauso wie die Finanzskandale - nicht zur Glaubwürdigkeit unserer Kirche bei. Und ursächlich für diese vielen Symptome einer Krankheit ist ein klerikales Verhältnis zur weltlichen Macht, ein klerikaler Machtmissbrauch. Den finden wir übrigends auch im spezifisch kirchlichen Arbeitsrecht.
Ich persönlich wünsche mir eine Kirche, die glaubwürdig in der Welt ethische, moralische und soziale Ansprüche offensiv vertreten kann. Dazu gehört dann auch, dass sich "die Kirche" selbst an die eigenen Forderungen hält, sich an den eigenen Maßstäben messen lässt. Und was das spezifisch kirchliche Arbeitsrecht betrifft - das steht gerade in seinen spezifischen Ausprägungen diametral entgegen gesetzt zur eigenen Soziallehre, zum päpstlichen Lehramt. Wie will die Kirche da glaubwürdig die Arbeitnehmerschaft für sich zurück gewinnen? 
  
Gestern, am 1. Mai, fanden bundesweit gewerkschaftliche Demonstrationen statt, die vielfach unter dem Zeichen der kommenden Europawahl und eines zunehmenden nationalpopulistischen Diskurses standen. Auch die Katholische Arbeitnehmerbewegung war dabei. Sie drängt darauf, die Arbeitssituation europaweit in den Blick zu nehmen und alle mit ins Boot zu holen.
"Es geht nicht um den Profit, sondern um den Menschen. Der Mensch muss menschenwürdig leben können und sich nicht kaputt arbeiten, um anschließend doch kein Geld zu haben. Das passiert in Deutschland noch viel zu oft"
Müssen wir jetzt nochmals anmerken, dass das ideologisch begründete Festhalten am "Dritten Weg" gerade im Bereich der caritativen Dienste allgemeinverbindliche Regelungen zum Ausschluss dieser Probleme verhindert - dass also die Kirchen mit ihrem eigenständigen kirchlichen Arbeitsrecht ("Dritter Weg") genau diese Probleme billigend in Kauf nehmen?   
Ein Arbeitsrecht mit solchen nationalen Besonderheiten ist mit dem Drängen der KAB nicht vereinbar - auch, wenn es Besonderheiten im kirchlichen Bereich sind.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hebt bezüglich besonderer Anforderungen auf das Ethos der jeweiligen Religionsgemeinschaft ab. Nun steht es uns nicht zu, über das Ethos der über zwanzig protestantischen Kirchengemeinschaften in Deutschland zu urteilen.
Aber wir meinen, dass das Ethos der katholischen Kirche in Deutschland nicht anders sein kann als in Frankreich, Italien oder Polen.
Wir meinen, dass das das Ethos der katholischen Kirche in Salzburg nicht anders sein kann als in Berchtesgaden, in Straßburg nicht anders als in Freiburg, in Lüttich nicht anders als in Aachen.
Und was "katholische Lehrmeinung" ist, wird nicht nur im Katechismus zu lesen sein.
Ein Beispiel:
Die Grundordnung (GrO) verlangt bestimmte Loyalitätspflichten, die (nicht nur) in der Rechtsprechung auf massive Kritik gestoßen sind. Das betrifft beispielsweise auch Einstellungsvoraussetzungen.
Das universelle Kirchenrecht der lateinischen Kirche, der CIC, der ja auf theologischer Grundlage aufbaut, setzt kirchenrechtlich verbindlich fest, welche Tätigkeiten (Kirchenamt) nur mit Katholiken besetzt werden können, und was ein Kirchenamt ist, ist dort auch verbindlich geregelt. Die GrO- und in Bayern auch die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) sind enger, sie weichen von den universalkirchlichen Vorgaben ab.
Ist das jetzt wirklich theologisch begründbar und daher dem "Ethos der katholischen Kirche" geschuldet?
Ein weiteres Beispiel:
Die katholische Soziallehre bekennt sich eindeutig zum Gewerkschaftsprinzip. Wir haben in diesem Blog immer wieder darauf verwiesen. Die Sozialenzyklika "Mater et magistra" schließt die Anerkennung von Tarifverträgen ausdrücklich ein.
Ist die Weigerung der katholischen Kirche in Deutschland, mit den Gewerkschaften zu kooperieren, jetzt wirklich theologisch begründbar und daher dem "Ethos der katholischen Kirche" geschuldet?     

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