Montag, 31. Januar 2022

Online-Buchvorstellung am 1. Februar um 19:30 Uhr: Gewollt. Geliebt. Gesegnet.

Queer-Sein in der katholischen Kirche ist nicht unser Kernthema - wer aber so lebt, sich als "Queer" outet oder geoutet wird, muss aufgrund der Loyalitätspflichten mit Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung rechnen. Und damit wird auch unser Thema "Arbeitsrecht" tangiert, zumal Gewerkschaftsmitglied einen garantierten Rechtsschutz - etwa im Falle einer Abmahnung oder Kündigung - haben
(vgl. Art. 4 Abs. 1 und 5 Grundordnung - GrO; strengere Anforderungen sind aufgestellt in den von der DBK erlassenen „Richtlinien über persönliche Anforderungen an Diakone und Laien im pastoralen Dienst im Hinblick auf Ehe und Familie“ (von 1995):
vgl. Arbeitsrechtliche Einbeziehung als Sonderregelung zur KAVO in NW, online-abd
vgl. die Inkraftsetzungen als Kirchenrecht im ABl Limburg 1996, Nr. 6, S. 35; ABl. Rottenburg Internet u.w.
Damit die Kirche in der Gegenwart ankommt
»Gott liebt jeden Menschen« – Sätze wie diesen hört man häufig in der Kirche, aber sie scheinen nicht für alle zu gelten. Wer sich zum Beispiel nicht als Mann oder Frau definiert oder in einer homosexuellen Partnerschaft lebt, wird schnell schief angesehen, abgewertet und ausgegrenzt. ...
Herder-Verlag mit Link zur Online-Buchvorstellung auch "hier klick"

Vor einer Woche: Benedikt korrigiert sich ...

Niemand soll sagen, dass sich nicht auch die ver.di Mitglieder im kirchlichen Dienst um Fairness und Objektivität bemühen. Gerade weil wir Gewerkschafter sind, ist das vielmehr unser Selbstverständnis. Daher möchten wir das Thema doch noch einmal aufgreifen:

Nach einer Woche kommt nämlich langsam etwas mehr Klarheit in die Diskussion.
Vorab - wenn Papst Franziskus schreibt:
Papst warnt vor vorschnellen Urteilen
Franziskus lehnt vorschnelle Urteile ab: „Wie oft sagen wir etwas ohne Anhaltspunkte oder nur aufgrund von Hörensagen und meinen, wir seien im Recht, wenn wir über andere streng urteilen“, schrieb der Papst an diesem Samstag auf Twitter.
dann gilt das auch für Vorwürfe nach Rom.
Bischof Oster hat nun eine klare Verteidigungsposition bezogen:
Dass Erzbischof Joseph Ratzinger 1980 in einer Sitzung zur Aufnahme des Missbrauchstäters H. aus der Diözese Essen in München dabei gewesen sei, sei längst bekannt, so Oster. "Und ebenso war schon bekannt, dass es in dieser Sitzung nicht um einen Einsatz von H. in der Seelsorge ging, sondern um dessen Aufenthalt zur Therapie in München."
(nichts anderes haben wir auch schon am Dienstag gebloggt). Und Kardinal Schönborn, Wien, bestätigt Ratzinger sogar einen starken Willen zur Aufklärung in der "Causa Groer".
Könnte es wirklich so gewesen sein, dass die erste Stellungnahme zum Gutachten nicht von Ratzinger selbst verfasst wurde? Sie liest sich jedenfalls sehr juristisch, um nicht zu sagen, "kirchenrechtlich inspieriert" und so gar nicht dem Duktus Ratzingers entsprechend. "In dubio pro reo" - das sollte auch für einen emeritierten Papst gelten.

Samstag, 29. Januar 2022

Morgen: 30.01.2022 um 21:45 Uhr in der ARD bei Anne Will

Missbrauch, Lügen, Vertuschung – ist diese Kirche noch zu retten?

Immer wieder berichten Betroffene von sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Auch der emeritierte deutsche Papst Benedikt XVI. ist jetzt in einen solchen Fall verwickelt. Ein gerade veröffentlichtes Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising liefert erschreckende Zahlen: Rund 500 Kinder und Jugendliche berichten von sexualisierter Gewalt. Wie konnten Verantwortliche diese und vergleichbare Verbrechen so lange vertuschen und relativieren? Müssten Politik und Staat stärker in die Aufklärung und Strafverfolgung eingreifen? Sind Sonderrechte der Kirchen noch zu rechtfertigen? Gehörten Privilegien wie das kirchliche Arbeitsrecht abgeschafft? Ist die katholische Kirche überhaupt zu Reformen fähig?
Das Thema diskutieren Bischof Georg Bätzing, Matthias Katsch, Katrin Göring-Eckardt, Ingrid Matthäus-Maier und Christiane Florin (Quelle und mehr)

Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer Kirche (5)

Wir fühlen uns wie Matros:innen auf einem lecken Schiff. Wir gehen durch den Rumpf des Schiffes und sehen die Löcher in der Schiffswand. Es sind viele kleine Löcher und doch hängen die meisten irgendwie miteinander zusammen. Es sind viele, zu viele Lecks und wir sind viel zu wenige für diese Situation ausgebildeten Matros:innen an Bord – viel zu wenige, die die Krise als produktiven Zustand annehmen können, anstelle noch weiter Wasser aus dem Schiffsbauch zu schöpfen und einzelne Löcher zu stopfen.
Quelle: Redaktion Feinschwarz 18. Januar 2022 - Fragen an eine zukünftige Gestalt von Kirche. Logbucheintrag von einem schwankenden Schiff

23.01.2022 Bischof Dieser fordert Reformen beim Umgang mit Sexualität
"Wenn nichts geschieht, sind wir endgültig weg"
Der Bischof von Aachen fordert einen anderen Umgang mit homosexuellen Menschen, ein Schuldbekenntnis der Kirchen sowie eine kluge und mutige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt. ...
(Quelle: Domradio) während der Würzburger Bischof Jung erklärt, dass "hier nicht sobald mit einer Änderung zu rechnen ist" (Quelle)
Der Mainzer Bischof Kohlgraf meint:
[Nun] müsse das Arbeitsrecht bei der "Bewertung der verschiedenen Lebensformen" weiter entwickelt werden.
(Quelle).
Mehrere deutsche Bischöfe (und Generalvikare) haben also erklärt, nun das kirchliche Arbeitsrecht in den Blick zu nehmen (Quelle).
Der Münsteraner Bischof Felix Genn [erklärte], es gebe für homosexuelle Mitarbeitende in seinem Bistum keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. "Außerdem ist es seit einigen Jahren im Bistum Münster bereits so, dass auch der persönliche Familienstand keine Relevanz für die Anstellung oder Weiterbeschäftigung bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung hat"
(Quelle)
Und was ist mit den anderen MitarbeiterInnen? Mit den LaientheologInnen, KatechetInnen, KirchenmusikerInnen, KüsterInnenn (MesnerInnen) oder ReligionslehrerInnen? Ist der "Ernst der Lage wirklich allen Bischöfen deutlich" geworden? Man kann daran zweifeln. So meint auch Prälat Peter Beer "Diese Kirche kann sich nicht selbst aufklären. Das ist eine bittere Erfahrung." (Quelle)

Gerade haben queere Beschäftigte völlig zu Recht ihre Diskriminierung durch das rigide Arbeitsrecht für die rund eine Million Mitarbeitenden der katholischen Kirche und der Caritas angeprangert. Immer noch können beide Institutionen, die in Deutschland zu den größten Arbeitgebern nach dem Staat zählen, Menschen wegen einer eingetragenen Partnerschaft oder einer gleichgeschlechtlichen Ehe kündigen. Die katholischen Bischöfe arbeiten schon seit Jahren an Reformen. Bisher ließen sie sich noch so kleine Fortschritte aber oft nur mit Arbeitsgerichtsurteilen abringen.
(Zitiert aus der ZEIT)

Wie schnell sich dennoch die Erkenntnis wandelt: Noch im Sommer 2018 konnte der Caritasverband die Kirchengewerkschaft ver.di im DGB auffordern, sich mit Sitz und Stimme an den AK zu beteiligen und damit den bestehenden kirchlichen Sonderweg einschließlich der Loyalitätspflichten im Arbeitsrecht hinzunehmen. Jetzt kann es vielen mit der Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes anscheinend nicht schnell genug gehen. Jedenfalls schreibt das Domradio (Köln)
Zahlreiche Bischöfe haben sich positiv zur Kampagne #OutInChurch von queeren katholischer Menschen geäußert. Doch das kirchliche Arbeitsrecht hält mit dieser Entwicklung noch nicht Schritt - wie schnell können Änderungen kommen?
...
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode betonte, die Zeugnisse der Kampagne mahnten eine "längst überfällige Debatte" an: Es brauche dringend "für alle Seiten verlässliche Lösungen" bezüglich des Arbeitsrechts.
...
Unterdessen sagte der Arbeitsrechtler Hermann Reichold der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstag), die Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechts könne "in dieser Form keinen Bestand haben". Weltliche Gerichte würden "immer kritischer", kirchliche Arbeitgeber würden künftig eine wachsende Zahl von Prozessen verlieren. Geplant sei die Vorlage eines reformierten Arbeitsrechts noch für dieses Jahr, sagte Reichold, der den Verband der Diözesen Deutschlands bei dieser Reform berät. "Die bisherige Verurteilung von Homosexualität wird aller Voraussicht nach bei der Reform des Arbeitsrechts wegfallen. Man wird dann wahrscheinlich einfach darüber hinweggehen."...
Und was ist mit dem Rest? Wieder nur "zu kurz gesprungen"? Nur das aufgeben, was auch nach Erkenntnis der blindesten aller Beteiligten ohnehin nicht mehr zu halten ist?

Datenschutz bei der katholischen Kirche

Der Vatikan ist einer von drei Staaten in Europa - daneben sind es Monaco und San Marino - die scheinbar immer noch ganz ohne Datenschutzrecht auskommen.
Dennoch gilt auch im Vatikan ein umfassender Datenschutz 1).
2008 erließ nämlich Papst Benedikt XVI. das Gesetz Nr. LXXI, »Legge sulle fonti del diritto« (LFD, »Gesetz über die Rechtsquellen«). Nach Art. 12 LFD gilt auf neun benannten Gebieten das am 1. Januar 2009 (dem Datum des Inkrafttretens des LFD) in Kraft gewesene italienische Recht automatisch, inklusive völkerrechtlicher Verträge. Zu den benannten Rechtsgebieten gehört auch „Telekommunikation und damit zusammenhängende Dienste, sowohl für Festnetz als auch mobile Netze, mit allen Komponenten“. Diese Inkorporation ist nicht ungewöhnlich. So verweist das universelle Recht der lateinisch-katholischen Kirche (CIC) unter can. 1290 auf die uneingeschränkte Geltung des weltlichen Vertragsrechts. Es handelt sich um einen "dynamischen Verweis", der auch Änderungen des weltlichen Rechs einschließt. Dies steht freilich in der Regel unter dem Vorbehalt, dass das so inkludierte Recht mit dem Kirchenrecht nicht in Konflikt steht. Schon die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" benennt aber ein "Recht auf guten Ruf, Ehre und auf geziemende Information" sowie "auf Schutz der privaten Sphäre" (GS 26). 
Und mit CIC gilt nun auch can. 220 CIC 2)
Niemand darf den guten Ruf, den jemand hat, rechtswidrig schädigen und das persönliche Recht eines jeden auf den Schutz der eigenen Intimsphäre verletzen.
Mit c. 220 wird kurz und prägnant zusammen gefasst, was auch der wesentliche Zweck des weltlichen Datenschutzrechts ist. Der c. 220 schützt die Rechte aller Menschen, nicht nur der Gläubigen - er stellt nach kirchlicher Meinung somit eine naturrechtliche Norm dar, verpflichtet aber nach c.1 CIC/1983 nur die Gläubigen.

Nun mag man einwenden, für die nichtkatholischen Mitarbeiter der Kurie und Kirchenverwaltungen - für die can. 220 ja eben nicht verpflichtend ist - sei eine adäquate Verpflichtungsnorm erforderlich. Dafür genügt aber - wie im Vatikan auch - das "geltende staatliche Recht". Und selbst wenn es den can. 220 nicht gäbe - es bestünde auch ohne diese Kirchennorm kein Widerspruch zum weltlichen Recht. Somit wird selbst im Vatikan durch die Anwendung des staatlichen Rechts Italiens ein umfassender Datenschutz gewährleistet, ohne dass es eigener datenschutzrechtlicher Bestimmungen bedarf.
Wieso dann die Deutsche Katholische Kirche eigene Regelungen für erforderlich hält, die weit in den Persönlichkeitsschutz auch von Nichtkatholiken eingreifen, konnte uns noch niemand erklären.


1) vgl. Dario Morelli 2012, Aufsatz in „Stato, Chiese e pluralismo confessionale“
2) vgl. Tollkühn, Martina, Das Recht auf Information und den Schutz der Privatsphäre. Eine kanonistische Studie zur Geltung von c. 220 CIC/1983 in kirchlichen Beschäftigungsverhältnissen (= KRR31), Münster 2020

Freitag, 28. Januar 2022

Zum europäischen Datenschutztag

haben wir vor einem Jahr einen weiteren Beitrag aus unserer Reihe "Warum die Kirche kein eigenes Datenschutzrecht haben darf" gepostet. Dennoch schwurbeln immer wieder "Halbwissende" über eine verfassungsrechtliche Sonderstellung der Kirchen, die sich auch im Datenschutz (!) aus den Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung (sic !) zu Religionsgemeinschaften und Kirchen ergeben soll. So schreibt etwa intersoft consulting services:
In Deutschland haben die Kirchen seit über 100 Jahren eine rechtliche Sonderstellung, die ihnen auch die Möglichkeit eröffnet, über eigene Datenschutzgesetze abweichende Regelungen festzulegen, die staatliche Vorgaben ersetzen können.
NEIN - NEIN - NEIN und nochmals NEIN !
Die ständige Wiederholung von Irrtümern macht diese nicht zur Wahrheit - die Erde ist keine Scheibe, auch wenn die Kirche das über Jahrhunderte hin behauptet hat. Und sexueller Mißbrauch ist auch dann sexueller Mißbrauch, wenn es nicht zur Berührung von Geschlechtsorganen oder gar zur Penetration kommt.

Die sogenannte "rechtliche Sonderstellung" war nichts anderes als die Eingliederung der Kirchen in das staatliche Rechtssystem, das nach den Wirren des Kulturkampfes von der (z.B. preußischen) Staatskirche zur heutigen Stellung als vom Staat unabhängige Rechtssubjekte (wie jeder Verein auch) geführt hat, die über die Besetzung der Pfarrämter selbst entscheiden, das Kirchenvermögen selbst verwalten und z.B. das Sakramentenrecht eigenständig regeln. Die Kirchen sind sowohl nach den verfassungsrechtlichen Regelungen wie auch nach den Konkordatsverträgen nur
- zur Selbstordnung und Selbstverwaltung (nicht Selbstbestimmung)
- der eigenen Angelegenheiten (= res sacra, und nicht der Angelegenheiten und Daten von Dritten = allenfalls res mixta)
- im Rahmen der für alle geltenden Gesetze (der Staat bestimmt also wo diese Grenzen liegen)
befugt.
Daraus eine allumfassende rechtliche Sonderstellung für die seinerzeit noch nicht einmal absehbare Verarbeitung der Daten von Dritten abzuleiten ist schlechterdings absurd.

Einige Beispiele für den exzessiven Irrsinn der Kirchen?

Donnerstag, 27. Januar 2022

Bisherige Entscheidungen des kirchlichen Datenschutzes ...

Die katholischen Datenschutzaufsichten hatten sich bisher mit der Bewertung konkreter Dienste sehr zurückgehalten. Negative Äußerungen unter anderem in Tätigkeitsberichten gab es vor allem zu WhatsApp. Die Katholische Datenschutzaufsicht (KDSA) Ost sieht seit Mitte Dezember 2021 offiziell auch die Verwendung des Messengers Telegram für die dienstliche Kommunikation in kirchlichen Einrichtungen als nicht zulässig an.

Warum man dafür eine eigene Datenschutzaufsicht benötigt, erschließt sich der Redaktion nicht.

Die katholischen "Datenschutzgerichte" sind weiter nicht durch überragende Medienpräsenz aufgefallen. Das deutet darauf hin, dass die - wohl wenigen - Verfahren nicht Streitkunkte betreffen, die für die Öffentlichkeit besonders relevant erscheinen. So hat zwar die Frage des "Kirchenaustritts" inzwischen auch die Datenschutzgerichte erreicht, ob die zugrundeliegende Frage aber (angesichts zunehmender Marginalisierung der Kirchen) von besonderer Bedeutung für die Öffentlichkeit ist, kann dahingestellt werden.

Allenfalls interessant wird im kommenden Jahr wohl nur die Frage, ob das Katholische Datenschutzzentrum Nürnberg trotz der heftigen Bedenken an der Zulässigkeit eines innerkirchlen, dem Staat nicht unterstehenden Datenschutzes noch in diesem Jahr eröffnet wird - und ob dann die Nachfolge des bayerischen Diözesandatenschutzbeauftragten Jupp Joachimski (80 Jahre) geregelt werden kann.

Mittwoch, 26. Januar 2022

Staatliche Gerichte zum kirchlichen Datenschutz

In unserem Blog wird immer wieder über die kirchliche "Selbstbestimmungsmanie" berichtet und dabei - i.d.R. im Kontext zum Europäischen Datenschutztag am 28. Januar - auch das Thema "Datenschutz" angesprochen. Hier haben wir u.a. zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C-25/17 berichtet. Das führen wir natürlich fort.
Eine der zuletzt bekannt gewordenen Entscheidungen stammt vom AG Pankow. Nach den Tweets eines Verfahrensbeteiligten zum Urteil v 10.01.22, Az.4C27/21 (zu Art.15 DSGVO ggü. kirchl. Trägern) soll für Auskünfte aus kirchlichen Datensammlungen gelten:
Eine bloße strukturierte Zusammenfg. genügt […] nicht, da sie den Auskunftsbegehrenden nur unvollständig über die Datenverarbeitg. informiert. (vgl. BGH a.a.O.). Der Anspruch sei auch nicht an Zahlen eines Entgeltes gebunden. Ein solches sieht weder §17 (3) S.1 KDG […] noch Art. 15 (3) S.1 DSGVO vor. Soweit § 630 g BGB ein Entgelt vorsieht, […] ist aufgrund des Vorrangs des Europarechts kein Raum (vgl.LG Dresden, Urteil v 29.05.20 – 6 O 76/20).

Mit anderen Worten: hört auf, fürstbischöfliche weltliche Regelungsbefugnisse zu beanspruchen und unterwerft Euch den ohnehin für alle und damit auch für Kirchens geltenden staatlichen Normen!

Tatsächlich könnte das Münchner Mißbrauchsgutachten einen Erdrutsch zum behaupteten (von den Kirchen beanspruchten) sogenannten "Selbstbestimmungsrecht" der Kirchen und Religionsgemeinschaft auslösen. So berichtet N-TV:
Auch Staat steht in der Kritik
Missbrauch in Bistum - Rufe nach mehr Kontrolle
und führt u.a. aus:
"Beißhemmung" gegen Kirche müsse aufhören
Im Gegensatz zum Papst pochen Kritiker darauf, dass die Kirche in vollem Umfang dem weltlichen Recht unterworfen wird. "Nachdem das eine Never-Ending-Story zu sein scheint, sollte der Staat alle Kindertagesstätten und Schulen unter Beobachtung stellen, bei denen es eine Trägerschaft der katholischen Kirche gibt, oder sogar über einen Entzug der Trägerschaft nachdenken", forderte der Strafrechtsprofessor Holm Putzke. Die Kirchen müssten von Gesetzes wegen genauso behandelt werden wie jede andere Vereinigung. "Für irgendeine besondere Rücksichtnahme, man kann es auch als 'Beißhemmung' bezeichnen, besteht überhaupt kein Anlass", sagte Putzke.

Dienstag, 25. Januar 2022

Verfehlter Befreiungsschlag - abschließend zur gestrigen Korrektur und zum gestrigen Coming Out von mehr als 100 Mitarbeitenden katholischer Einrichtungen

Primär kommentieren die Medien die gestrige Erklärung von Benedikt XVI. zum "Fall H.". Dazu vorab:
Die nun bestätigte Zustimmung des damaligen Erzbischofs Ratzinger zur Aufnahme von H. im Bistum ist auch seit März 2010 bekannt:
Aufgrund von Recherchen der SZ hatte das Münchner Ordinariat am Freitag bestätigt, dass mit Zustimmung des damaligen Erzbischofs und heutigen Papstes Joseph Ratzinger 1980 ein pädophiler Pfarrer in das Bistum kam, um eine Therapie zu beginnen.
(Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 15.03.2010).
Dessen letzter Einsatzort im Erzbistum - die Kurseelsorge in Bad Tölz - könnte auch zur besonderes intensiven "Durchleuchtung" dieses "Falles" in einem Sonderband des Gutachtens geführt haben, weil einer der Gutachter der Kanzlei WSW selbst aus Bad Tölz stammt.
Da blieb dann auch gar nichts anderes mehr übrig, als diese Kenntnis zur Aufnahme von H. zu bestätigen.

Dennoch hat die späte Erinnerung nicht ungeteilte Zustimmung in den Medien gefunden.

Montag, 24. Januar 2022

Heute: Montag, 24. Januar 2022, 20:30 Uhr | Die Story im Ersten: Wie Gott uns schuf (rbb)

Exklusive ARD-Dokumentation und multimediales Projekt von Hajo Seppelt, Katharina Kühn, Marc Rosenthal und Peter Wozny
Gläubige im Dienst der katholischen Kirche in Deutschland wagen in der exklusiven ARD-Dokumentation den gemeinsamen Schritt an die Öffentlichkeit. Menschen, die sich als nicht-heterosexuell identifizieren, erzählen vom Kampf um ihre Kirche – manchmal sogar mit dem Risiko, dadurch ihre Arbeit zu verlieren.

Es sind Priester, Ordensbrüder, Gemeindereferentinnen, Bistums-Mitarbeitende, Religionslehrende, Kindergärtnerinnen, Sozialarbeiter und viele mehr, die von Einschüchterungen, Denunziationen, tiefen Verletzungen, jahrzehntelangem Versteckspiel und Doppelleben berichten. Die Katholikinnen und Katholiken berichten von einem System, in dem Druck, Angst und Willkür die Mitarbeitenden in Ungewissheit lassen, was genau passiert, wenn sie zu ihrer sexuellen Orientierung oder Identität stehen. Während in einem Bistum offenbar viel geduldet wird, die Menschen zum Teil sogar große Unterstützung erfahren, gibt es im Nächsten harte Konsequenzen, bis zur Auflösung des Arbeitsvertrags.
Weitere Informationen finden Sie hier:
https://www.rbb-online.de/unternehmen/presse/presseinformationen/programm/2022/01/rbb-ARD-katholische-kirche-presse-wie-gott-uns-schuf.html

Dazu auch der SPIEGEL Online:
Aktion von Katholiken
125 Kirchenmitarbeiter outen sich
Mit einer großen Outing-Aktion prangern katholische LGBTIQ+ die Doppelmoral der Kirche an. Sie fordern, endlich das diskriminierende Arbeitsrecht der Institution zu kippen.
das Domradio
24.01.2022 Queere Menschen fordern Erneuerung der katholischen Kirche
Weil Gott sie so geschaffen hat
Öffentlich sprechen 120 queere Menschen darüber, dass sie ihre sexuelle Orientierung in der katholischen Kirche lange Zeit verheimlicht haben - und nun nicht mehr schweigen wollen.
und "katholisch.de"
Outing in Film und Kampagne
"#OutInChurch": Queere Menschen fordern Erneuerung der Kirche
Öffentlich sprechen 125 queere Menschen darüber, dass sie ihre sexuelle Orientierung in der katholischen Kirche lange Zeit verheimlicht haben – und nun nicht mehr schweigen wollen. Die Kampagne "#OutInChurch" schließt dabei an bestehende Debatten an. ....

"#OutInChurch": 125 Mitarbeitende der katholischen Kirche haben Coming-out als queer | GMX 
sowie nicht zuletzt die Aktion selbst:
#OutInChurch - für eine Kirche ohne Angst.

Neben der Homepage www.outinchurch.de (Start 23.1. um 24 Uhr) wird am Montag, dem 24.1. im Abendprogramm der ARD der Film „Wie Gott uns schuf“ des Filmemachers Hajo Seppelt laufen. Er ist aber bereits ab 6.00 Uhr morgens in der Mediathek verfügbar. (https://www.rbb-online.de/unternehmen/presse/presseinformationen/programm/2022/01/rbb-ARD-katholische-kirche-presse-wie-gott-uns-schuf.html). In dem Film werden 100 Personen aus unserer Gruppe vorgestellt - einige etwas ausführlicher. Mit jeder Person wurde ein Einzelinterview geführt. Zusammenschnitte dieser Interviews werden ebenfalls in der ARD Mediathek verfügbar sein.

Ihr könnt euch vorstellen, dass dieses Projekt nicht nur viel Kraft und Energie gekostet hat, sondern zugleich auch enorm empowernd war. Nun bin ich froh, dass es uns mehr oder weniger gelungen ist das Projekt weitestgehend „geheim“ zu halten.

Wir werden am Montag nicht nur viel Medienaufmerksamkeit bekommen, sondern auch breite Unterstützung, die wir in den letzten Wochen organisiert haben.
Auf unserer Website wird es einen Bereich geben, wo sich Menschen/Gruppen mit uns und unseren Forderungen solidarisieren können. Ich zähle auf euch :-).
....

Breaking news: Benedikt XVI. korrigiert Aussage für Münchner Missbrauchsgutachten

meldet u.a. Radio Vatikan:
Benedikt XVI. korrigiert Aussage für Missbrauchsgutachten
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat eine wesentliche Aussage zum Münchner Missbrauchsgutachten korrigiert. Entgegen seiner bisherigen Darstellung habe er doch an der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an diesem Montag.
ebenso GMX Papst Benedikt XVI. räumt Falschaussage bei Missbrauchsgutachten ein. 
Ergänzend berichtet katholisch.de
An einer Münchner Ordinariatssitzung, in der es um einen Missbrauchspriester ging, wollte Benedikt XVI./Joseph Ratzinger nicht teilgenommen haben. Jetzt korrigiert er diese Aussage: Der Fehler sei aber "nicht aus böser Absicht heraus geschehen".

Der frühere Papst Benedikt XVI. hat eine wesentliche Aussage zum Münchner Missbrauchsgutachten korrigiert. Entgegen seiner bisherigen Darstellung habe er doch an der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Fehler sei aber "nicht aus böser Absicht heraus geschehen", sondern "Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme". Dies tue ihm "sehr leid", und er bitte, dies zu entschuldigen. ...
Da wir über die von ihm zunächst bestrittene Teilnahme berichteten, geben wir natürlich auch die jetzige Korrektur wieder.
Das ändert aber nichts am Eindruck, den ebenfalls katholisch.de wie folgt wiedergibt:
Münchner Gutachten: Eine moralische Bankrotterklärung der Kirche

Erzbistum Köln: 2,8 Millionen Euro für Gutachten zu Missbrauchsfällen - Zahlungen an Betroffene rund 1,3 Millionen Euro

berichtete der WDR am 5. Dezember letzten Jahres.

Noch Fragen?

Ach ja:
Für das Jahr 2022 rechnet das Erzbistum Köln somit mit einem Jahresfehlbetrag von rund 27,5 Millionen Euro. Gordon Sobbeck, Finanzdirektor und Ökonom des Erzbistums erklärt: „Das aktuelle Defizit können wir aus Rücklagen ausgleichen. Damit bleibt die Kirche handlungsfähig und kann ihren Aufgaben nachkommen. Für die kommenden Jahre werden jedoch Umsteuerungen in der Finanzplanung nötig sein, für die wir jetzt die Voraussetzungen schaffen.“
...
Dafür gibt es zwei Ansatzpunkte: Zum einen lässt sich die Effizienz der Aufgabenerledigung steigern. Zum anderen gilt es bestehende Aufgaben und Strukturen auf den Prüfstand zu stellen, Schwerpunkte zu definieren und sie aktiv an die veränderte wirtschaftliche Situation anzupassen.
„Um langfristig leistungsfähig zu bleiben, wird es entscheidend sein, dass wir eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen,“ zeigt sich Finanzdirektor Sobbeck überzeugt. „Es gilt für jeden von uns in dieser herausfordernden Zeit ein Stück Verantwortung für unsere Kirche zu übernehmen. Nur wenn wir jetzt vorausschauend handeln, werden wir künftig noch den Raum haben, um weiter gestalten zu können.“

Sonntag, 23. Januar 2022

Sonntagsnotizen: Das Gesetz des Schweigens bricht auf

kommentiert die ZEIT und führt unter anderem aus:
Ratzingers früherer Generalvikar Gerhard Gruber, ehedem zweitmächtigster Mann im Erzbistum, nahm 2010 die Schuld auf sich. Er erklärte, der Chef habe die Vorgeschichte des Priesters gar nicht gekannt. Als die Gutachter ihn 2021 fragten, hat Gruber widerrufen. Und sagte, 2010 habe ihn der neue Generalvikar Peter Beer zu der Aussage gedrängt, um Benedikt zu schützen. Beer hat diese Darstellung wiederum in seiner Stellungnahme an die Gutachter zurückgewiesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der ZEIT: wir schätzen Eure Arbeit - aber manchmal müssen wir Euch bitten, sorgfältiger zu formulieren. Im Wortprotokoll der Pressekonferenz heißt es:
12.55: Georg Löwisch (Die Zeit): Wissen Sie, von wem Generalvikar Gruber gedrängt wurde, Papst Benedikt XVI. zu schützen?
Ulrich Wastl (WSW) antwortet: Gruber hat ausgesagt, ihm sei gesagt worden, dass Generalvikar Beer das so wünscht.
Beer ist also nicht direkt an Gruber herangetreten - was aber für die Aussage der ZEIT erforderlich wäre. Das hatte vielmehr ein Dritter so übermittelt.
Beer ist - das bestätigt auch die Süddeutsche Zeitung (print) vom 22./23.01.2022, S. 2 - dafür bekannt geworden, die Aufklärung und konsequentes Vorgehen vorangetrieben zu haben.
"Zeitzeugen seien sich allerdings einig, dass Beer als einer von wenigen und gegen erbitterten Widerstand innerhalb der Erzdiözese für umfassende Aufklärung, Aufarbeitung und konsequentes Vorgehen gegen Verdächtige gesorgt habe. ... Ohne ihn wäre die Kirche bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch weniger weit."
Dieser "unbedingte Aufklärungswille" betrifft auch die von Generalvikar Prälat Peter Beer eingesetzte Arbeitsgruppe zur Überprüfung von Altfällen - u.a. der "Causa H." - wie Radio Vatikan berichtete. Das angebliche Drängen auf die alleinige Übernahme von Verantwortung passt nicht zu diesem Verhalten.
Und wenn das Beer nicht selbst war, dann muss es eine sehr hochrangige Person gewesen sein, der Gruber entsprechend vertraut hat. So "blind" vertraut hat, dass er eine Rückfrage beim vermeintlich Drängenden anscheinend nicht für opportun hielt. Dann kommen allerdings nur wenige Personen in Betracht. Gruber sei von seinem Nachfolger im Amt des Generalvikars (so die NZZ 21.01.2022) zur Übernahme der Alleinverantwortung gedrängt - so hieß es bereits 2010 -  worden. Von 1990 bis 2009 war aber Dr. Robert Simon als Nachfolger von Gruber der Generalvikar im Erzbistum.

Verdi: Ultimatum für bessere Bedingungen an Uniklinken

berichtet die "ZEIT" - wann kommen kirchliche Einrichtungen?

Samstag, 22. Januar 2022

Caritaspräsidentin für Reform des kirchlichen Arbeitsrechts (?)

ohne Fragezeichen berichtet das katholisch.de und zitiert Welskop-Deffaa:
"Der grundsätzliche Ausschluss des Streikrechts in der Grundordnung könnte die Frage aufwerfen, ob sich hier nicht der gleiche Geist ausdrückt, der auch die Missbrauchsfälle so bedrückend macht"
Liebe Eva-Maria: der "grundsätzliche Aussschluss des Streikrechs" ist höchstrichterlich längst als obsolet und rechtswidrig erkannt. Mit der gnadenhalber erfolgten Einräumung eines solchen Rechts wird heute keine Gewerkschaft mehr geködert - mit Ausnahme vielleicht von christlichen Gewerkschaften, die bekanntlich gegenüber den Arbeitgebern besonders christlich sind.

Nachtrag:
Bernhard Emunds, Wirtschaftsethiker im Nell-Breuning-Institut, Theologe, Ökonom und "synodaler Weggefährte" bezeichnet die Aussage von Welskop-Defaa in einem Tweet als
Schönes Signal von @NYwelskop:
und führt dazu aus:
Es ist dringend geboten, dass endlich Bewegung ins kollektive Arbeitsrecht der Kirchen kommt!
Auch Stefan Sell greift auf Twitter die Nachricht auf - allerdings ohne Bewertung. Dafür sind die Reaktionen nicht uninteressant.

Soweit sich Protestanten zum "Dritten Weg" äussern, sei das unbenommen. Für Katholiken gilt die Treue zum päpstlichen Lehramt und der Katechismus, der das Streikrecht ausdrücklich legitimiert. Und für die Ökonomen katholischer Einrichtungen die im universellen Kirchenrecht (CIC) enthaltene Verpflichtung, die päpstlichen Sozialenzykliken genauestens zu beachten. Damit sind wir beim Gewerkschaftsprinzip und dem Tarifvertrag (Mater et magistra), nicht aber bei irgendwelchen protestantisch häretischen Sonderwegen ("Dienstgemeinschaft") der Deutschen katholischen Kirche.

Samstagsnoitzen: Wie weiter mit unserer Kirche (4)

Grundlegende Veränderungen seien notwendig
Bischof Overbeck: Katholische Kirche wegen Missbrauchs in Existenzkrise

  • Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sieht die katholische Kirche in einer existenziellen Krise.
  • Als einen der Hauptgründe nennt er den geistlichen und sexuellen Missbrauch in der Kirche.
  • Ein Zusammenbruch der bisherigen Strukturen sei fast unausweichlich.
berichtete "Kirche und Leben" letzten Samstag. (Quelle 2: Domradio)


Dem ersten Teil der Meldung stimmen wir gerne zu. Die Kirche braucht grundlegende systemische Veränderungen, nicht nur den Rücktritt oder die Entlassung von einzelnen Symbolpersonen. Unsere Kirche hat sich insgesamt zunehmend von der Lebenswirklichkeit der Gläubigen entfremdet. Sie ist in einem vorkonziliaren Muster "stehen geblieben" während sich die freiheitlich demokratische Gesellschaft zunehmend entwickelt hat. Ein "weiter so" führt nur in den Abgrund.
Beim zweiten Teil müssen wir widersprechen. Die Kirche ist nicht "wegen Missbrauchs" in der Existenzkrise, sondern wegen dieser Entfremdung und der Vertuschung der Amtskirche. Mißbrauch gibt es in der gesamten Gesellschaft - in Familien und Vereinen - ohne dass das Modell "Familie" oder "Verein" dadurch in's Wanken geriete. Mißbrauch ist nichts "kirchenspezifisches", auch wenn wegen der z.T. kruden Sexualmoral der Kirche und einiger Einrichtungen auch sexuell verklemmte Personen angezogen werden sollten. Und die finden dann mit dem "geistlichen Mißbrauch" auch noch die Möglichkeit, ihre Gelüste durch klerikale Machtausübung zu verbrämen.
Spezifisch ist nun aber der Umgang mit dem Mißbrauch. Mißbrauch von Einzeltätern wurde so systemisch zu einem Problem der gesamten Kirche (vgl. Matthäus 7, 16). Aus dem Bemühen, das "Antlitz strahlend zu halten" ist so unbeabsichtigt die Kreation einer hässlichen Fratze geworden.
Wir zitieren Bischof Overbeck aus der o.g. Meldung nochmal:
Die Kirche sei in einer Krise, „die von uns sowohl spirituell als auch strukturell Entscheidungen abverlangen wird, die zu einer echten Neu-Werdung unserer Kirche führen müssen“. Vieles stehe massiv infrage, was bislang nicht hinterfragbar schien, aber „unser Gott ist ein Gott des Weges – und nicht des Stillstands. Seine Wege führen nicht zurück, sondern nach vorn“.
Dann sollten wir uns unter Verweis auf Matthäus 7, 13 - 15 auch gemeinsam bemühen, dass unsere Kirche dabei nicht "auf halbem Weg" in einer Sackgasse stecken bleibt.

Anlässlich der Vorlage des Münchner Mißbrauchsgutachtens

Freitag, 21. Januar 2022

Wie kann die Kirche Glaubwürdigkeit zurückgewinnen?

fragt heute das Domradio (Köln) aus aktuellem Anlass und verweist auf die Forsa-Umfrage:
Vertrauen zu christlichen Kirchen auf Tiefpunkt

Wie wäre es etwa damit, die z.T. unsäglichen Loyalitätsverpflichtungen der Grundordnung über Bord zu werfen? Was dann von der Grundordnung übrig bleibt ist - mit Verlaub - diametral der eigenen Soziallehre entgegen gesetzt, und gehört auch auf den Müll der Geschichte.
Glaubwürdigkeit? Das heißt in unserem Kontext schlicht und ergreifend, das umzusetzen, was im universellen Kirchenrecht und in den päpstlichen Sozialenzykliken zum Arbeitsrecht einschließlich des Gewerkschaftsprinzipes dokumentiert ist.

Dazu ist auch eine komplette systemische Änderung der kirchlichen Verantwortungsstrukturen erforderlich. Denn das kirchliche (Straf-)Recht dient primär und zuerst dem Schutz der Kirche. Für den Schutz der Arbeitnehmer oder / und auch der Opfer von Übergriffen aller Art ist das "weltliche Recht" gefordert. Das aber wird gar nicht mehr beansprucht, solange die (irrige) Meinung vorherrscht, mit dem kirchlichen Rechtsweg sei bereits "alles nötige" getan.

Donnerstag, 20. Januar 2022

Heute: Kirche und Gesellschaft - leider ...

Mit dem Rummel um das heute veröffentlichte Missbrauchsgutachten für die Erzdiözese München und Freising kommen wir nicht umhin, uns auch mit diesem Thema auseinander zu setzen.

1. Sogar im "tiefkatholischen Bayern" überschlagen sich die Austritte und erreichen immer neue Rekorde (Quelle)
2. Ja, das Vertrauen der Menschen in Deutschland ist nach Angaben des forsa-Instituts auf einem Tiefpunkt (Quelle). Es scheint uns aber "zu kurz gesprungen", das ursächlich auf den geistlichen und sexuellen Missbrauch zu reduzieren. Das Problem ist viel weitergehender.
2.a) Der (Macht-)Missbrauch ist eine Folge der theologischen Überhöhung geistlicher Berufe, und der damit einhergehende Klerikalismus führt zwangsläufig zum Verdrängen, Verschweigen und zur systemischen Vertuschung - weil nicht "am Lack gekratzt werden" darf.
2.b) Verdrängung, Vertuschung und Wegschauen sind das eigentliche Missbrauchs-Problem der Institution Amtskirche.
"Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird." (Lk 12,1-2)
Und weil das "Verdrängen und Wegschauen" zur Erhaltung der Machtkultur gehört, sind auch nicht diejenigen die "Bösen", die ihre Stellung missbrauchen sondern diejenigen, die auf die Fehler hinweisen und auf deren Behebung drängen. Dass das universelle Kirchenrecht die Gläubigen dazu ausdrücklich berechtigt und bisweilen sogar dazu verpflichtet (Can. 212 § 3 CIC) wird dabei geflissentlich und gerne übersehen.

Und jetzt kommt etwas das im Getöse der Missbrauchsdebatte untergeht:
3. Der Kern des Problems ist doch auch, dass die "klerikale Amtskirche" keinen Bezug mehr zur Lebenswirklichkeit der Gesellschaft hat.

Mittwoch, 19. Januar 2022

Erzbistum Köln: Arbeitsgericht kippt Kündigung wegen Bürostuhl

berichtet die Tagesschau und führt aus:
Die Mitnahme eines Bürostuhls ins Homeoffice rechtfertigt keine fristlose Kündigung. ...

Die Mitarbeiterin hatte zu Beginn der Corona-Pandemie einen ergonomischen Bürostuhl mit nach Hause ins Homeoffice genommen und war deswegen entlassen worden. Dies dürfe nicht zur fristlosen Kündigung führen, da es allenfalls eine Pflichtverletzung sei, begründete das Gericht seine Entscheidung.
In der konkreten Situation 2020, nach relativ frischem Ausbruch der Corona-Pandemie, sei es turbulent zugegangen. Da habe auch die Arbeit in einem Homeoffice zunächst einmal organisiert werden müssen. Das müsse man berücksichtigen. ... Der Argumentation des Erzbistums, der Stuhl habe aber erheblichen Wert und dies habe (die gekündigte Klägerin) nicht so einfach machen dürfen, folgte die Kammer nicht.

Auch, dass das Erzbistum die seit April 2020 als arbeitsunfähig gemeldete (Klägerin) wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt hatte, sei hinfällig, entschied das Arbeitsgericht. Das Erzbistum habe nicht den notwendigen medizinischen Sachverstand eingeholt. Die Bezüge vom vergangenen August bis Januar ... seien nebst Zinsen nachzuzahlen. ...
weitere Quellen:
FAZ: Bistum-Kündigung für mitgenommenen Bürostuhl ist unwirksam
Domradio: Keine fristlose Entlassung möglich
Katholisch.de: Frau war wegen Mitnahme ihres Bürostuhls ins Homeoffice entlassen worden ... Niederlage für das Erzbistum Köln vor Gericht
Kölner Stadt-Anzeiger: Bürostuhl-Posse ... – Gericht zweifelt an Rechtmäßigkeit
SPIEGEL online: Homeoffice in der Pandemie - Erzbistum Köln verliert Streit über Kündigung wegen mitgenommenem Bürostuhl
Süddeutsche Zeitung: Mitarbeiterin wegen Bürostuhl gekündigt - Gericht äußert Zweifel
ZEIT online: Bistum unterliegt im Streit um Kündigung wegen Bürostuhl

Anmerkung:

Dienstag, 18. Januar 2022

EuGH stärkt Rechte von Leiharbeitern - EuGH zu Lehrkräften im Fach Katholische Religion: nötige Kirchenbescheinigung rechtfertigt befristete Arbeitsverträge

Die Rechtsprechung des EuGH war hier - insbesondere in Zusammenhang mit Loyalitätspflichten - immer wieder ein Thema. EU-Recht geht vor, sagt der Europäische Gerichtshof, selbst wenn sich die Mitgliedstaaten auf ihre Verfassung berufen.
Schon die allerersten EuGH-Urteile zu Anfang der 60er Jahre haben den Vorrang des Europarechts selbst vor dem nationalen Verfassungsrecht begründet. Die Römischen Verträge waren zunächst Verträge, die die Mitgliedsstaaten zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit verpflichteten. Dann aber interpretierte der EuGH diese zwischenstaatlichen Verträge als eine supranationale Rechtsordnung, aus der die Wirtschaftssubjekte unmittelbar Individualrechte gegenüber ihren Staaten ableiten können. Und zwar Rechte, die die nationale Gesetzgebung und die nationale Verfassung ausschalten können.
(Quelle: Interview der Hans-Böckler-Stiftung). Das ist auch logisch. Wer gemeinsam mit anderen agiert - auch schon bei Spiel und Sport - muss sich den gemeinsamen Regelungen unterwerfen. Sonst wird aus der Gemeinsamkeit schnell Zerfall. Daher berichten wir immer wieder von Urteilen des EuGH, die sich auf das Arbeitsrecht auch bei Arbeitnehmern im Kontext mit kirchlichen Einrichtungen auswirken.


Die Entscheidung Az. C-514/20 zu Überstundenzuschlägen wird u.a. von der Tagesschau besprochen:
Der EuGH hat die Rechte von Leiharbeitern bei der Berechnung von Zuschlägen für Überstunden gestärkt: Diese müssten auch in Monaten genehmigt werden, in denen sie wegen Urlaubs nicht auf eine Mindestzahl reiner Arbeitsstunden kommen.
weitere Quellen:
Ihre Vorsorge.de: EuGH stärkt Rechte von Zeitarbeitern
t-online: Deutsche Zeitarbeitsregel verstößt teils gegen EU-Recht
Zeit online: EuGH stärkt Zeitarbeiter bei Berechnung von Überstundenzuschlägen
Selbstredend, dass das auch für kirchliche Einrichtungen gilt. Wir haben nicht die Möglichkeit, jede kirchliche Regelung auf die Übereinstimmung mit den Anforderungen des EuGH "abzuklopfen".
Wie in den AVR der Caritas Überstunden definiert und Zuschläge geregelt sind, beschreibt Wolfram Schiering hier "klick"



Der EuGH hat weiter eine Entscheidung in der Rechtssache C-282/19 zu Lehrkräften im Fach Katholische Religion getroffen. Nach der PRESSEMITTEILUNG Nr. 1/22 vom 13. Januar d.J. wird die Erfordernis eines von einer kirchlichen Stelle ausgestellten Befähigungsnachweises (Missio canonica bzw. Nihil obstat) nicht in Frage gestellt. Diese Erfordernis rechtfertigt zudem befristete Arbeitsverträge mit staatlichen Stellen:
Es liegt keine Diskriminierung wegen der Religion oder im Hinblick auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses vor
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 1/22

Montag, 17. Januar 2022

@Rechtslupe nimmt die Eingruppierung eines Abteilungsleiters in einem katholischen Krankenhaus "unter die Lupe"

zum Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. November 2021 – 4 ABR 1/21
Mitarbeiter in der Pflege leiten im Regelfall dann einen Bereich oder eine Abteilung iSd. Entgeltgruppe P 14 des Anhangs D zur Anlage 31 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas), wenn ihnen mehrere Stationen mit eigenen Stationsleitungen fachlich unterstellt sind. Aus dem Begriff „in der Regel“ wird aber deutlich, dass im Ausnahmefall auch andere Faktoren für die Bewertung maßgeblich sein können, ob ein Bereich oder eine Abteilung geleitet wird.
Quelle und mehr auf rechtslupe.de

Sonntag, 16. Januar 2022

Zum Gedenken: Nikolaus Groß

Wir gedenken heute des sel. Nikolaus Groß (1898-1945); eines Bergmanns, Gewerkschafters und Aktivisten der Katholischen Arbeiterbewegung, der aufgrund seines Widerstands gegen den NS und vermuteten Verbindungen zum Attentat vom 20. Juli in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde.

Foto: Wikipedia

Samstag, 15. Januar 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer Kirche (3)

Die Vorsitzende der Münchner Aufarbeitungskommission - Psychologin Michaela Huber zweifelt an Reformbereitschaft der Kirche.
Sie müsse einsehen, "dass sie kein eigener Kosmos sein kann, der außerhalb der Gesellschaft existiert, der seine eigenen Rechte, seine eigene Justiz hat". Dies sei "nicht zeitgemäß". Zugleich zweifelt die 57-Jährige an der Reformbereitschaft der Kirche. Ein hierarchisches System von der Basis her zu verändern, sei fast unmöglich. "Das Einzige, das die Kirche tun kann, ist, dass sie sich sofort einem anderen Menschenbild verschreibt und sich oben an der Kirchenspitze etwas ändert."
berichtet "Kirche und Leben".

Neues zur Tarifrunde Sozial- und Erziehungsdienste:

im Mitgliedernetz von ver.di sind die entsprechenden Informationen eingestellt:
Aufwertung der Sozialen Arbeit - Mehr braucht mehr!

Steigende Anforderungen, während der Druck auch auf die Soziale Arbeit nicht nur wegen der Corona-Pandemie immer weiter steigt: Wir brauchen endlich bessere Arbeitsbedingungen und die Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst und kämpfen dafür!

2020 hatten wir schon mal Anlauf genommen und mussten dann wegen Corona mit vollem Schwung bremsen, aber nun geht unsere Tarifrunde für bessere Bedingungen der sozialen Arbeit wieder an den Start! Soziale Arbeit, das sind die Kolleg*innen in den Kitas, im „Ganztag“, in der Sozialarbeit und Behindertenhilfe – Soziale Arbeit hält die Gesellschaft zusammen und den Laden am Laufen, durch die Betreuung der Kleinen, durch den Einsatz da, wo Menschen Unterstützung brauchen. Für das alles wächst zwar der Bedarf stetig, aber nicht die Anerkennung und Wertschätzung.

Wir sind uns daher total einig, was wir wollen:
  • Bessere Arbeitsbedingungen!
  • Mehr Fachkräfte!
  • Ordentliche Bezahlung!
Die konkreten Forderungen hat die Bundestarifkommission öffentlicher Dienst (BTK öD), mit ihren rund 100 Mitgliedern am 17. Dezember 2021 beschlossen.

Mehr Infos im Flugblatt
aktuell also das Forderungsflugblatt https://mitgliedernetz.verdi.de/gruppen/wsp/278/areas/8873/documents/1572/details

Donnerstag, 13. Januar 2022

Vorteile von Tarifverträgen - tarifvertragliche Friedenspflicht, oder: Gewerkschaftsnews zum kirchlichen Arbeitsrecht

Auf der "hohen Ebene" ist es um die speziellen Konflikte zwischen Gewerkschaft und kirchlichen Oberen ja relativ ruhig geworden - aber es "gärt" immer noch auf den unteren Ebenen der Gewerkschaft. Im Gewerkschaftsforum ist erst jetzt wieder ein neuer Artikel veröffentlicht worden, der die Beschränkungen für die Arbeitnehmer aufspießt:
Im Koalitionsvertrag ist die Situation der kirchlichen Beschäftigten kein großes Thema
5. Januar 2022
...
Wir möchten hier betonen, dass die Beanspruchung eines Sonderarbeitsrechts durch die Kirchen unsererseits nicht so umfassend wie beansprucht zugestanden wird. Die Sonderrolle gilt für das Betriebsverfassungsrecht, weil sowohl das Betriebsverfassungsgesetz wie die Personalvertretungsgesetze die Kirchen ausdrücklich ausnehmen. Das ist im Tarifrecht nicht der Fall. Das Tarifvertragsgesetz gilt auch für die Kirchen - wie für jeden anderen Arbeitgeber auch. Und die Kirchen können - wie jeder andere Arbeitgeber - von der "negativen Koalitionsfreiheit" Gebrauch machen und Tarifverträge mit Gewerkschaften ablehnen. Das ist verfassungsrechtlich gesichert und legitim.
Genauso legitim ist dann aber, dass die Arbeitnehmer - bis hin zum Erzwingungsstreik - entsprechenden Druck ausüben dürfen. Auch das ist höchstrichterlich längst geklärt. Denn die Tarifvertragliche "Friedenspflicht" gilt eben nur während der Geltung eines Tarifvertrages.
Natürlich behauptet jeder Arbeitgeber gerne, dass in seinem Betrieb nicht gestreikt werden dürfe. Aber wenn das der Pfarrer oder ein Bischof meinen, dann wird noch lange keine Glaubenswahrheit aus dieser Meinung.
Es bleibt spannend.

Mittwoch, 12. Januar 2022

Vorteile von Tarifverträgen - manches geht nur mit ...

Viele Regelungen und Optionen des Arbeitsrechts können in Deutschland nur durch Tarifverträge genutzt werden - offenbar weil der Gesetzgeber unterstellt, dass nur starke Gewerkschaften in der Lage sind, Nachteile diverser Regelungen zu erfassen und ungerechtfertigte Belastungen der Arbeitnehmer abzuwehren.
Die Gesetzgebung lautet dann in der Regel "durch Tarifvertrag kann" oder ähnlich, und dadurch sind zumeinst Abweichungen von gesetzlichen Grundregelungen ermöglicht.
Einen Teil dieser Regelungen haben wir hier bereits angesprochen.
So erinnern wir an unseren Bericht AVR Caritas - Zusatzversorgung Anlage 8 auch künftig rechtswidrig? und die Ausführung, dass ein Wechsel von der gesetzlich vorgesehenen "Leistungszusage Betriebsrente" zur eingeschränkten "Beitragszusage" nur durch Tarifvertrag möglich ist. Denn die Reduzierung auf die Beitragszusage - der Arbeitgeber haftet lediglich noch für die ordnungsgemäße Abführung der Beiträge, nicht aber für die Höhe der zugesagten Betriebsrente - stellt zweifelsfrei eine perspektivische Belastung der Arbeitnehmer dar (vgl. unser Beitrag "Zur Finanzierung der (kirchlichen) Zusatzversorgung" vom September letzten Jahres). In der Regel ist eine starke Gewerkschaft in der Lage, die Solidität der Kasse, bei der eine Rentenzusage abgesichert wird, zu beurteilen und ggf. Maßnahmen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit zu ergreifen. So wurde in § 15a ATV-K eine Eigenbeteiligung der Arbeitnehmer bei wenigen, einzeln ausdrücklich benannten Versorgungskassen vereinbart. Bei den dort nicht aufgeführten Kassen bestand keine Sorge über deren Leistungsfähigkeit, ein Eigenbeitrag der Arbeitnehmer war also weder geboten noch nötig.
Eine andere Regelung ist die sogenannte "Ausschlussfrist", mit der gesetzliche Verjährungsfristen (in der Praxis nahezu ausschließlich zu Lasten der Arbeitnehmer) verkürzt werden (vgl. unser Beitrag vom November 2019).
Nur ein Tarifvertrag kann (unter bestimmten Voraussetzungen) "Allgemeinverbindlich" erklärt werden (§ 5 TVG). Das ist so, weil nur Tarifverträge eine "normative Wirkung" haben. "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (wie die AVR Caritas) fehlt aufgrund des Vorranges der Individualabrede (§ 305 b BGB) schon die nötige "Wirkmächtigkeit" - ganz abgesehen davon, dass solche Vertragsrichtlinien wegen der Möglichkeit zur Abweichung grundsätzlich nicht geeignet sind, die Basis für die Refinanzierung von Entgeltzahlungen durch Dritte zu bilden. Wenn solche Vertragsrichtlinien dennoch die Grundlage für eine Bezuschussung sind, dann führt jede einzelne Abweichung zu Lasten der Arbeitnehmer zwangsläufig zum Vorwurf des Subventionsbetruges (§ 264 StGB).
In unserem Zusammenhang darf auch auf die sogenannten "Klauselverbote" (§§ 309, 308 BGB) verwiesen werden, die bei "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" unzulässig sind.

Resümee?
Nicht alles, was kirchliche Arbeitgeber gerne im "Dritten Weg" regeln wollen, ist zulässig. Nicht alles hält einer Inhaltskontrolle stand.

Dienstag, 11. Januar 2022

Vorteile von Tarifverträgen - Schlecht bezahlt trotz Vollzeitjob

Eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt, in welchen Regionen und Branchen der Anteil der Geringverdiener am höchsten ist.
Im Gastgewerbe (68,9 Prozent), in der Leiharbeit (67,9) und der Land- und Forstwirtschaft (52,7) fielen mehr als die Hälfte der Vollzeitkräfte in die Kategorie Geringverdiener. In der Metall- und Elektroindustrie waren es dagegen nur 7,6 Prozent, in der Finanz- und Versicherungsbranche 4,2 Prozent und im öffentlichen Dienst sogar nur 2,5 Prozent der Vollzeitbeschäftigten.
(Quelle 1: Tagesschau). Quelle 2: SPIEGEL

Das sind - wenig erstaunlich - gerade die Branchen, die einen geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und dementsprechend nur rudimentäre Tarifverträge haben. Dort fehlt es an den Druckmöglichkeiten, um unwilligen Arbeitgebern höhere Verdienste abzutrotzen.
Es liegt nahe, dass in Betrieben, in denen ein Tarifvertrag gilt, seltener Niedriglöhne gezahlt werden als in Betrieben, in denen das nicht der Fall ist. Das könnte, so die Autoren, auch eine Erklärung für den Ost-Faktor sein: In Ostdeutschland ist die Tarifbindung deutlich niedriger als im Westen - berichtet woa der SPIEGEL
Auch im katholisch-kirchlichen Bereich liegt ein relativ geringer Organisationsgrad vor. Die vergleichsweise besseren Gehälter dort sind im Wesentlichen zwei Ursachen zu verdanken:
1) der Übernahme der Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und
2) dem Fachkraftmangel, der die Übernahme dieser Tarifabschlüsse zur Personalaquise erzwingt.

Damit besteht aber auch ein unmittelbares Interesse der MitarbeiterInnen katholischer Einrichtungen, einen möglichst guten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zu unterstützen. Wir partizipieren an diesen Tarifabschlüssen - und können uns z.B. mit Elterninformationen, Demonstrationen und Unterschriftssammlungen auch selbst aktiv für gute Tarifabschlüsse "im Bezugssystem" einsetzen. Und selbstverständlich - kirchliche Einrichtungen werden nicht als "Streikbrecher" gegenüber öffentlichen Einrichtungen tätig.

Montag, 10. Januar 2022

Vorteile von Tarifverträgen - auch für Arbeitgeber

Beschäftigte in Betrieben, in denen ein Tarifvertrag gilt, haben bessere Chancen auf eine lang anhaltende Beschäftigungsdauer – und damit auf höhere Rentenansprüche – als Arbeitnehmer in tarifungebundenen Unternehmen.
berichtet "Ihre Vorsorge.de" unter Verweis auf eine Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) an der Universität Duisburg-Essen .
...
Tarifverträge führen zu mehr Stabilität in der Beschäftigung
Müssen wir extra ausführen, dass sich das gerade bei einem Fachkräftemangel auch für die Arbeitgeber positiv ausirkt - Tarifverträge als relevante Grundlage für die "Haltearbeit" der MitarbeiterInnen? Und klar: kirchliche Regelungen des "Dritten Weges" sind keine Tarifverträge, sondern nur "Allgemeine Geschäftsbedingungen".

Unser gesamter Blog befasst sich überwiegend mit dem Thema "Tarifverträge" und den beiderseitigen Vorteilen, die diese für alle Beteiligten bieten.
(ein Arbeitgeber wirbt mit Tarifvertrag um Personal)

Samstag, 8. Januar 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer katholischen Kirche? (2)

der Theologe und Kirchenrechtler Christoph Ohly aus Köln beklagte die synodale Rede von der "Macht in der Kirche"
Der Begriff "Macht" sei ein vornehmlich politischer. Die Macht, die in den Händen des Volkes und in denen der von ihm gewählten Repräsentanten liege, werde geteilt und in ihrer Ausübung einer gegenseitigen Kontrolle unterstellt. Diese politische Macht sei jedoch der Kirche als dem "Volk Gottes vom Leib Christi her" (Joseph Ratzinger) fremd.

...
Schon Christus habe seine Jünger vor einem Machtdenken gewarnt und diese getadelt, weil sie untereinander darüber gesprochen hätten, wer von ihnen der Größte sei.
(Quelle 1: katholisch.de; Quelle 2: Kirche und Leben)

Ein interessanter Ansatz - wenn denn die weltliche Macht der Kirchenfürsten als oberste Gesetzgeber, Kläger und Richter etwa in Sachen des kirchlichen Arbeitsrechts nicht auf die in der Kirche gegenwärtige "heilige Vollmacht" beruht, also nicht auf die von Christus selbst übertragenen sakramentalen Vollmachten zurück geht, dann hat diese weltliche Macht auch in der Kirche keinen Bestand.
Und der moralische Führungsanspruch, auf den sich die Kirchen gerne berufen, ist (nicht nur) "durch Missbrauch aufgezehrt", wie der Hamburger Historikers Thomas Großbölting feststellt:
Deshalb würden Privilegien der Kirchen wie das eigene Arbeitsrecht, die Sitze in den Rundfunkräten oder die historisch bedingten Staatsleistungen zunehmend in Frage gestellt.
(Quelle: Kirche und Leben).

Dann aber sollte es angezeigt sein, diesen Ballast schnellstmöglichst - unverzüglich, wie das im Juristendeutsch heißt - selbst abzuwerfen, und sich bei der Beschäftigung von Arbeitskräften auf den Kern der eigenen Soziallehre zu besinnen. Für die Mitglieder der katholischen Kirche gilt für die päpstlichen Sozialenzykliken ohnehin:
hier
handelt es sich um eine Form lehramtlicher Schreiben des Papstes, die (zunächst) jedoch keinen rechtsverbindlichen Charakter besitzen. In solchen Lehr- oder Mahnschreiben legt der Papst zumeist spezifische Fragen des kirchlichen Lehramts dar. In der Vergangenheit hat es sich eingebürgert, Enzykliken einem bestimmten Themenbereich zuzuordnen. Darunter ragen besonders die Sozialenzykliken hervor: Die erste Enzyklika dieses Genres, "Rerum Novarum", wurde von Papst Leo XIII. im Jahr 1891 veröffentlicht.
...
Das Kirchenrecht legt fest, dass Gläubige diesem ordentlichen Lehramt des Papstes "nicht Glaubenszustimmung, wohl aber religiösen Verstandes- und Willensgehorsam" entgegen zu bringen haben. Das gilt etwa für die Inhalte päpstlicher Enzykliken, aber auch für die meisten Erlasse in Apostolischen Schreiben oder Konstitutionen.
(Quelle katholisch.de)

Den rechtsverbindlichen Charakter der Sozialenzykliken stellt aber das universelle Kirchenrecht her. In can. 1286 CIC ist eindeutig und unmißverständlich geregelt:
Die Vermögensverwalter haben:
1° bei der Beschäftigung von Arbeitskräften auch das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens gemäß den von der Kirche überlieferten Grundsätzen zu beachten;
2° denjenigen, die aufgrund eines Vertrages Arbeit leisten ...
Da bleibt kein Platz für ein kircheneigenes Arbeitsrecht, das hinter den weltlichen Anforderungen zurück bleibt. Diese sind jedenfalls in Deutschland schon weitgehend im Einklang mit den Vorgaben der Sozialenzykliken.

Montag, 3. Januar 2022

Erinnerung: Digitale Konferenzen für ver.di Mitglieder - Kita, Ganztags, Hort - Sozialarbeit - Behindertenhilfe

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

die ver.di Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst hat die Kündigung der Tätigkeitsmerkmale und der Regelungen zum Gesundheitsschutz zum 31.12.2021 beschlossen. Die erste Verhandlungsrunde findet im Januar 2022 statt. Nun heißt es gemeinsam den Ablauf der Tarifrunde mit kreativen Ideen und konkreten Absprachen vorzubereiten. Worte der Anerkennung und Applaus haben gutgetan. Doch jetzt braucht es mehr!

In branchenspezifischen Videokonferenzen möchten wir euch über den aktuellen Stand der Tarifbewegung informieren und gemeinsam mit euch diskutieren, wie wir noch mehr Beschäftigte dafür gewinnen, sich unserer Solidargemeinschaft anzuschließen und sich für ihre eigenen Belange starkzumachen.

Termine

Kita & Ganztag / Hort: am Dienstag, den 11.01.2022 von 17-19 Uhr
Sozialarbeit (inklusive Kinder- und Jugendhilfe): am Mittwoch den 12.01.2022 von 17-19 Uhr
Behindertenhilfe: am Montag, den 17.01.2022 von 17-19 Uhr
Hier geht es direkt zur Anmeldung "klick"

Der Zugang für die Videokonferenz (Webex) wird ca. 2-3 Tage vor Veranstaltungsbeginn verschickt.

Bei der Gelegenheit dürfen wir auf die aktuelle Situation in den USA verweisen:
Jobmarkt in den USA
Die neue Macht der Arbeitnehmer

Die Pandemie hat den US-Arbeitsmarkt komplett verändert: Viele sind nicht länger bereit, niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Die Folge: eine Streik- und Kündigungswelle.
berichtet die Tagesschau zum Stand: 30.12.2021 07:49 Uhr
Audeo: Streiken oder Kündigen? Die neue Macht der US-Arbeiter

Sonntag, 2. Januar 2022

Sonntagsnotizen: Was wollen wir?

Der ehemalige Bundesrichter und Herausgeber eines Standardkommentars zum Strafrecht, Thomas Fischer, bringt es in einem Gastbeitrag für den SPIEGEL auf den Punkt:
Nach Art. 140 GG gilt (auch) für die Katholische Kirche Art. 137 der Weimarer Reichsverfassung fort. Sie ist daher eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie ordnet ihre inneren Angelegenheiten selbst »innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes«. Die Katholische Kirche ist, wie die evangelischen Landeskirchen, keine »Staatskirche«, also nicht Teil der staatlichen Organisation, ihr aber in Manchem angenähert. Vor allem gelten für sie die Regeln des öffentlichen Rechts, jedenfalls entsprechend, soweit nicht glaubens-inhaltliche Gründe zwingend entgegenstehen (siehe »Quote« usw.).

Samstag, 1. Januar 2022

Samstagsnotizen: Wie weiter mit unserer katholischen Kirche? (1)

In einem unmissverständlich klaren Interview hat sich Erzbischof Dr. Gänswein, Privatsekretär des emeritierten Papstes Benedikt XVI., zum Synodalen Weg geäussert. Einige Passagen sind hier zum Nachlesen wiedergegeben. Wir dokumentieren einige der Texte auch in unserem Blog, obwohl wir uns aus den theologischen Diskussionen auch um mißbrauchende Triebtäter und vertuschende Obere heraus halten müssen - und wollen, aber ein wesentlicher Kern der Aussagen ist auf das kirchliche Arbeitsrecht als "Mittel zum Machterhalt" anzuwenden - gute Arbeitsbedingungen werden nicht fair zwischen starken Gewerkschaften und der Amtskirche vereinbart, sondern (nur in Deutschland) zwischen Verbandsfunktionären verhandelt und dann per "Gnadenakt" gewährt.
Wie wir dazu kommen: