Sonntag, 27. Juli 2025

Sonntagsnotizen - Und wieder fällt ein Krankenhaus ...

Diesmal Schwabach. Nicht, weil die Menschen dort nicht krank wären. Sondern weil niemand mehr Verantwortung übernimmt, wenn es nicht profitabel ist.

Die Diakoneo-Klinik ist insolvent. Der Träger hat einen zweistelligen Millionenbetrag investiert, vergeblich einen Käufer gesucht, und dann das Handtuch geworfen. Die Stadt Schwabach hat ihre Anteile für einen symbolischen Euro abgegeben. Und jetzt klammert man sich an ein Strukturgutachten – als könnte Papier retten, was politischer Wille längst aufgegeben hat.

Deutschland 2025: Krankenhäuser schließen nicht, weil sie schlecht sind. Sondern weil das System sie verrechnet.
Gesundheitsversorgung rechnet sich nicht mehr. Nicht in Schwabach. Nicht in der Fläche. Nicht für die Zukunft.
Ein Insolvenzverwalter übernimmt das Kommando – nicht, weil das Plan war, sondern weil es der letzte Rettungsanker ist. Drei Monate Zeit. Drei Monate Lohnfortzahlung. Drei Monate Hoffnung auf eine Reanimation im Systemstillstand.
Doch sind wir ehrlich: Wir leben in einem Land, das Krankenhäuser sterben lässt – und dann pfiffige Kampagnen zur Pflegeausbildung startet. Wir feiern Systemrelevanz – aber schneiden das System aus dem relevanten Haushalt.

Die Wahrheit ist nicht neu. Sie ist nur unbequem: Wir haben zu lange zugesehen. Zu lange verwaltet. Zu lange verklärt. Pflege? Wird romantisiert. Kliniken? Werden privatisiert. Verantwortung? Wird delegiert.

Und nun?
Ein Krankenhaus, das gebraucht wird.
Eine Region, die versorgt werden muss.
Ein Gesundheitssystem, das innerlich längst kollabiert – und nur noch notbeatmet wird.
Schwabach ist kein Einzelfall. Schwabach ist das Symptom.
Und wer jetzt noch von „positiven Signalen“ redet, sollte sich fragen, wie viel Naivität eigentlich in ein Positionspapier passt.
Die Frage ist nicht: Wie retten wir diese Klinik? Sondern: Wann retten wir endlich unsere Integrität?
Zitiert aus: Pflege der Zukunft, Facebook


Wir hatten unter der Überschrift "Sonntagsnotizen - Die Überflüssigen der Dienstgemeinschaft" bereits im April 2017 die "negativen Bilanzen des (dort genannten) Krankenhauses" angesprochen. Und wir erlauben uns nunmehr nach über 8 Jahren und einer Pandemie, die gezeigt hat, dass es keine Überkapazitäten sondern nur fehlende Reservekapazitäten gibt, zwei Anmerkungen:
1. Es stimmt: die Refinanzierung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf "Gesundheit" krankt - wir sparen unsere Krankenhäuser zu Tode. Das belegen auch die Krankenhausschließungen 2025 aktuell.
In diesem Jahr hat das "Krankenhaussterben" mit zwei kirchlichen Häusern begonnen. In Würzburg wurde die Theresienklinik geschlossen. Das Krankenhaus wurde mehr als 100 Jahre von der Kongregation der Schwestern des Erlösers betrieben. Diese haben sich aus aufgrund finanzieller Schwierigkeiten und den Auswirkungen der Krankenhausreform zur Schließung gezwungen gesehen.
Ebenfalls zum 1.1.2025 wurde die Klinik des Diakoniewerks München-Maxvorstadt geschlossen. Im Vorfeld hatte die Betreibergesellschaft, die Diakoniewerk München-Maxvorstadt KöR, Insolvenz angemeldet.

2. Das Sterben der Krankenhäuser in kirchlichem Besitz belegt zugleich, dass diese Häuser nicht "gemeinnützig" oder "uneigennützig" und "caritativ" sondern nach brutalen wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben werden (müssen). Mit Blick auf das Sonntagsevangelium vom "barmherzigen Samariter" (Lk 10, 25-37) bleibt festzustellen: solche Einrichtungen handeln eben nicht mehr barmherzig und selbstlos. Da hilft auch das verschämte "g" für "gemeinnützig" bei "gGmbH" nichts. Das ist wohl letzlich nur "Etikettenschwindel". Denn jede dieser - nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten betriebenen - Einrichtungen braucht Gewinne, um Rücklagen zu bilden und investieren zu können. Damit wird aber eine solche Einrichtung "mit Absicht der Gewinnerzielung" betrieben - und sie ist zumindest "am Markt tätig", was nach Prof. Thüsing *) ausreicht, um als Wirtschaftsbetrieb gewertet zu werden.
Dann aber handelt es sich um Betriebe, die von der Befreiung caritativer Einrichtungen vom Betriebsverfassungsgesetz oder (bei öffentlich-rechtlich konstituierten Trägern) den Personalvertretungsgesetzen der Länder nicht befreit sind. Dann verlangt der Gesetzgeber die Bildung von Betriebs- oder Personalräten, weil nur so die Rechte der Mitarbeitenden in Wirtschaftsbetrieben auch umfassend geschützt werden können.



*) Hanau / Thüsing, »Grenzen und Möglichkeiten des Outsourcings aus dem kirchlichen Dienst« in KuR 2002, RNr. 350, S. 119 ff; ausführlicher und mit weiteren Nachweisen in unserem Beitrag vom 14. März 2016, Anmerkung 2)

Montag, 21. Juli 2025

Kirchliches Selbstordnungsrecht vs. Grundrechte?

In einer Gruppe "Gleiches Recht für kirchlich Beschäftigte" ist soeben dieses Posting versandt worden.
Von Seiten der Kirchen wird das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 140 GG oft als "Supergrundrecht" genutzt – auf Kosten anderer Freiheiten:

❌ Kündigung nach Kirchenaustritt
https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/mein-arbeitsplatz/kirchliche-betriebe/++co++37e33a9a-62e3-11f0-8a87-c569f8999ec9

❌ Verbot medizinischer Schwangerschaftsabbrüche
https://taz.de/Petition-fuer-Schwangerschaftsabbrueche/!6098321/

❌ Diffamierung liberaler Richterkandidatinnen
https://nd.digital/editions/nd.DerTag/2025-07-19/articles/18917439?code=eyJhbGciOiJkaXIiLCJlbmMiOiJBMjU2Q0JDLUhTNTEyIn0..soEv0WzubWsT9UgGnfnn4Q.9U-gZ_ttu2yf8ofpmnAIcYLlHjo1AAd4mPUvi-wz8a8.n4KQRi3XiSOlqPg3xciH5qtfIWVqEH3AbnAGjxMhOWo

Ob Arbeitnehmer:innen, Schwangere oder Verfassungsrichterinnen – immer wieder stellt sich die Frage:
Wie viel Macht darf die Kirche im Staat haben?
Ihr wollt Prof. Volz unterstützen
https://innn.it/keinmord
Das gibt uns Anlass, uns wieder einmal dem von der Kirche beanspruchten "Selbstbestimmungsrecht" zu widmen. Besteht das denn wirklich so, wie von den Kirchen in Anspruch genommen? Volljuristen haben die "Unart", für ihre jeweiligen Mandanten zu argumentieren. Sonst wäre eine Strafverteidigung schlecht möglich. Andererseits sollte die Aera der "Rechtfertigungsjuristen" seit den dunklen Jahren des letzten Jahrhunderts vorbei sein.

Freitag, 18. Juli 2025

Fusion braucht Sicherheit - am Beispiel Darmstadt

Es wird immer mehr zum Normalfall - kirchliche und weltliche Träger fusionieren oder geben ihre Einrichtungen auf, damit diese "von der anderne Coleur" überommen und weiter geführt werden können.

Ein aktueller Fall spielt derzeit in Damrstadt.
Beim geplanten Zusammenschluss des (evangelischen) Elisabethenstifts und des Städtischen Klinikums in Darmstadt pocht ver.di darauf, dass alle Beschäftigten durch den TVöD und das Betriebsverfassungsgesetz abgesichert sind.
Quelle und mehr: ver.di

Freitag, 11. Juli 2025

§ - Kündigung wegen Kirchenaustritts: was meint der EuGH?

Wir haben uns schon öfter mit dem Thema beschäftigt. Wieder einmal muss sich der EuGH mit einer Besonderheit aus dem kirchlichen Nebenarbeitsrecht befassen. Einem Bericht der AFP zufolge dürfte diese Kündigung - wieder einmal - problematisch sein:
Wenn eine katholische Organisation einer Angestellten wegen ihres Kirchenaustritts kündigt, kann das nach einem neuen Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Diskriminierung sein. Diese Auffassung vertrat die zuständige Generalanwältin Laila Medina in ihren am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Schlussanträgen zu einem Fall aus Deutschland. Es ging um eine Sozialpädagogin, die in einem katholischen Verein für Schwangerschaftsberatung arbeitete. (Az. C-258/24)
...

Generalanwältin Medina vertrat nun die Ansicht, dass sich die Kündigung in einem solchen Fall nicht rechtfertigen lasse. Eine Kündigung wegen Kirchenaustritts sei nur dann möglich, wenn der Beruf es erfordere, Kirchenmitglied zu sein, und wenn die Arbeitnehmerin öffentlich gegen das Ethos der Kirche handle.Ein Kirchenaustritt allein bedeute noch nicht, dass die Mitarbeiterin die Grundprinzipien und Werte der Kirche nicht weiter befolge und ihre Pflichten nicht mehr erfülle, erklärte die Generalanwältin.
Die europäischen Richterinnen und Richter müssen sich nicht an das juristische Gutachten halten. Sie orientieren sich aber bei ihren Urteilen oft daran. Ein Termin für das Urteil wurde noch nicht bekanntgegeben. Den konkreten Fall muss später das deutsche BAG entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des EuGH berücksichtigen.
Etwas ausführlicher wird die Sachlage in der Pressemitteilung Nº 91/2025 des EuGH vom 10. Juli 2025 über den Schlußanträge des Generalanwaltes in der Rechtsache C-258/24 Katholische Schwangerschaftsberatung wieder gegeben:

Samstag, 5. Juli 2025

Samstagsnotizen: Darüber kann man nachdenken:

Es ist ein bemerkenswerter Vortrag, den Bischof Dr. Overbeck am Montag beim Tag der Mitarbeitendenvertretungen gehalten hat: Sehr entschieden stellt der Ruhrbischof klar, dass rechtsextremistische Haltungen und Aktivitäten mit dem Dienst in der Kirche nicht vereinbar sind. Und zwar deshalb, weil hier "tragende Grundsätze" des Christentums in Frage gestellt sind - allen voran das christliche Menschenbild, das jedem Menschen eine unantastbare Würde zuspricht und eng mit dem Gebot der Nächstenliebe und der gesamten christlichen Soziallehre vebunden ist. "Rechtsextreme Ideologie ist eine Form von Illoyalität gegenüber der Kirche selbst, weil sie ihren Grundprinzipien widerspricht", sagt Bischof Overbeck - und macht in seinem Vortrag auf die große Gefahr der gegenwärtigen rechtsextremen Bewegungen für unsere Demokratie und unser freiheitliches Zusammenleben aufmerksam.
zitiert nach Generalvikar Klaus Pfeffer, Bistum Essen, bei Facebook

Mehr: Katholische Kirche Bistum Essen - Bischof Overbeck: Rechtsextremismus widerspricht christlichem Menschenbild

Es gehe vor allem darum, in den kirchlichen Organisationen und Einrichtungen eine Debatte darüber anzuregen, „um ein Bewusstsein für die Bedeutung unserer Werte zu stärken und auf die Gefahren extremistischer Parteien hinzuweisen“.
Bei möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen gebe es keinen Automatismus, hob der Bischof hervor, sondern immer den Blick auf den Einzelfall: „Wir schauen hin, wir sprechen an, und wenn nötig ziehen wir Konsequenzen – abgestuft nach der Schwere des Falls und der Stellung der Person.“, so der Bischof.
Über die historische Beziehung zwischen dem rechtsextremen Gedankengut und kirchlichen Eigenarten haben wir ja schon mehrfach berichtet - und die Debatte darüber längst angestoßen. Ob auch diesbezüglich Konsequenzen folgen? Oder werden wieder nur halbherzig die Konsequenzen gezogen, die von den Mitarbeitenden zu beachten sind - bis hin zu neuartigen Loyalitätsvorgaben?

Freitag, 4. Juli 2025

Kircheninfo Nr. 45 erschienen

Aus dem Inhalt:
🤓 Wieso Tarifverträge in kirchlichen Betrieben in Norddeutschland keine Seltenheit sind,
wie Ihr die anstehenden MAV-Wahlen richtig vorbereitet oder
wie Ihr den im Weimarer Appell unterstützen könnt!

Interessiert?
📲 Dann holt Euch die neue Ausgabe der Kirchen.Info hier: https://gesundheit-soziales-bildung.verdi.de/.../++co...

Donnerstag, 3. Juli 2025

AK Caritas - gestaffelte Übernahme des Empfehlungsbeschlusses der Bundeskommission in den Region

Inzwischen haben alle Regionalkommission getagt und weitgehend - zu unterschiedlichen Zeitpunkten - die Übernahme der Empfehlung der Bundeskommission beschlossen. Noch ist die Akzeptanz des Empfehlungsbeschlusses nicht überall auch "in trockenen Tüchern".
1) Allgemeine Tarifrunde
Die RK Ost (zu der auch Hamburg gehört) hat die allgemeine Tarifrunde im Rahmen ihres Eckpunktebeschlusses bestätigt und startet also am 1. Januar 2026 mit den Gehaltssteigerungen (zzgl. 2,5% +1 Urlaubstag). In allen anderen Regionen wurden die Beschlüsse der Bundeskommission 1:1 umgesetzt; hier geht es schon im Juli 2025 los.

2) Tarifrunde für Ärztinnen/Ärzte:
In der RK NRW wurde die Tarifeinigung für die Ärzte noch nicht umgesetzt und das Vermittlungsverfahren eingeleitet. In allen anderen Regionen wurde der Beschluss der Bundeskommission 1:1 umgesetzt; hier erhöhen sich die Gehälter ab Juli 2025. Alle Ergebnisse auf www.akmas.de/tarif
Quelle: AK-MAS Facebook jetzt kommt es also (ausgerechnet in NRW auf die Vermittler und ansonsten auf die Inkraftsetzung durch die Bischöfe der einzelnen (Erz-)Diözesen an. Und dass individualrechtliche Vereinbarungen allemal vorrangig sind, müssen wir hier nicht extra betonen. Das gilt auch, wenn eine abweichende Vereinbarung gegenüber den bischöflichen Vorgaben erfolgt (§ 305 b BGB).

Wäre es da nicht sinnvoller, gleich "das Original" zu akzeptieren?

Dienstag, 1. Juli 2025

§ BAG - gleiche Tätigkeit muss nicht immer gleich bezahlt werden ... Nachfrage und Überlegungen

Darüber berichtet der SPIEGEL online:
Ähnliche Aufgaben, monatlich bis zu 550 Euro weniger Gehalt: Das kann unter Umständen rechtens sein, urteilen die Richterinnen und Richter am Bundesarbeitsgericht. Grund ist die Tarifautonomie.
und weiter berichtet der SPIEGEL:
Hierzu betonen auch die Richterinnen und Richter, dass die Tarifparteien zwar den Gleichheitsgrundsatz beachten müssen. Gleichzeitig verschaffe ihnen die Tarifautonomie aber Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielräume. Die gerichtliche Kontrolle sei daher »auf eine Willkürkontrolle beschränkt«. Eine Ungleichbehandlung sei nur dann gegeben, wenn »ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlt«.

Diese Begründung lässt aufhorchen - denn kirchliche Regelungen sind keine Tarifverträge, sondern nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (AGBs - §§ 305 ff BGB), also vom Arbeitgeber einseitig bereitgestellte Regelungen. Daran ändert auch nichts, dass vor einer Inkraftsetzung durch die Bischöfe als "Kirchenrecht" irgendwann einmal in irgendeiner Form irgendwie bestimmte Vertreter der Mitarbeitenden beratend eingebunden waren (wie das geschieht ist für jeden der "Dritten Wege" unterschiedlich geregelt). Das macht neugierig - sollte diese "Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz" in AGBs nicht gelten, auch oder selbst, wenn diese kirchlichen AGBs das vorliegende Tarifvertragsrecht des öffentlichen Dienstes mehr oder weniger detailgetreu abschreiben?

Ein Blick in das Urteil (und letztendlich in das Gesetz) erleichtert die Rechtsfindung.
Also erst einmal das Urteil: