Freitag, 15. September 2023

Whistleblowing in der Kirche? Neue Schutzvorschrift in Kraft

Im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen und der Frage, was denn die Kirchenoberen gewusst (und vertuscht) haben könnten, war es auch im kirchlichen Arbeitsrecht in der Diskussion: Whistleblowing - das "Durchstechen" von vertraulich gekennzeichneten oder so vermutbaren Informationen über (vermutlich) rechtswidriges Verhalten (Rechtsverstöße, die in einem Unternehmen bzw. allgemein gesagt bei einem Beschäftigungsgeber begangen wurden, im Grunde um alles, was irgendwie strafbar ist oder größere Geldbußen auslöst). Über diese speziellen Vertuschungsvorwürfe hinaus deuten die vielfältigen Finanzskandale in kirchlichen Einrichtungen darauf hin, dass es auch in anderen Gebieten der kirchlichen Tätigkeiten, insbesondere im Bereich der Finanzverwaltung, diverse Unsauberkeiten gab und immer noch geben könnte.
Es ist nicht auszuschließen, dass eine MAV mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen aus solchen Handlungen befasst wird. Wir möchten daher auf eine neue Rechtslage hinweisen:
Im Juli ist das Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG)in Kraft getretenen, das Whistleblower in Unternehmen und in der Verwaltung besser schützen soll.
Der Blick in's Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Hier daher erst einmal ein kurzer Hinweis auf den Gesetzestext:
§ 1 Zielsetzung und persönlicher Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt den Schutz von natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen (hinweisgebende Personen).
(2) Darüber hinaus werden Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.
...
§ 3 Begriffsbestimmungen
(1) Für dieses Gesetz gelten die Begriffsbestimmungen der folgenden Absätze. ...
(9) Beschäftigungsgeber sind, sofern mindestens eine Person bei ihnen beschäftigt ist,
1. natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts,
2. rechtsfähige Personengesellschaften und
3.sonstige, nicht in den Nummern 1 und 2 genannte rechtsfähige Personenvereinigungen.
(10) Private Beschäftigungsgeber sind Beschäftigungsgeber mit Ausnahme juristischer Personen des öffentlichen Rechts und solcher Beschäftigungsgeber, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer juristischen Person des öffentlichen Rechts stehen.
...
eine Kirchenklausel, die kirchliche Einrichtungen von der Anwendung des Gesetzes ausnimmt, haben wir nicht gefunden. 
Daher gilt auch in kirchlichen Einrichtungen:
§ 35 Ausschluss der Verantwortlichkeit
(1) Eine hinweisgebende Person kann nicht für die Beschaffung von oder den Zugriff auf Informationen, die sie gemeldet oder offengelegt hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern die Beschaffung nicht als solche oder der Zugriff nicht als solcher eine eigenständige Straftat darstellt.
(2) Eine hinweisgebende Person verletzt keine Offenlegungsbeschränkungen und kann nicht für die bei einer Meldung oder Offenlegung erfolgte Weitergabe von Informationen rechtlich verantwortlich gemacht werden, sofern sie hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe der Informationen erforderlich war, um einen Verstoß aufzudecken.

§ 36 Verbot von Repressalien; Beweislastumkehr
(1) Gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien sind verboten. Das gilt auch für die Androhung und den Versuch, Repressalien auszuüben.
(2) Erleidet eine hinweisgebende Person eine Benachteiligung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und macht sie geltend, diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz erlitten zu haben, so wird vermutet, dass diese Benachteiligung eine Repressalie für diese Meldung oder Offenlegung ist. In diesem Fall hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt hat, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte.

§ 37 Schadensersatz nach Repressalien
(1) Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien ist der Verursacher verpflichtet, der hinweisgebenden Person den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Ein Verstoß gegen das Verbot von Repressalien begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder eines anderen Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg.

§ 38 Schadensersatz nach einer Falschmeldung
Die hinweisgebende Person ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Meldung oder Offenlegung unrichtiger Informationen entstanden ist.
Darüber hinaus möchten wir noch auf folgende Regelung verweisen:
§ 39 Verbot abweichender Vereinbarungen
Vereinbarungen, die die nach diesem Gesetz bestehenden Rechte hinweisgebender Personen oder sonst nach diesem Gesetz geschützter Personen einschränken, sind unwirksam.
Diese Regelung korrespondier mit einer Bestimmung des BGB, die für kirchliche Regelungen des "Dritten Weges" anzuwenden ist:
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist ...
Im Frage-Antwort-Stil gibt Rechtsanwalt Dr. Patrick Bruns, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Autor der aktuellen Kommentierung des HinSchG, auf community.beck einen Überblick über die Hintergründe und den Inhalt des Gesetzes:
Im Juli trat das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Unternehmen müssen nun u.a. sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einrichten. Rechtsanwalt Dr. Patrick Bruns (Fachanwalt für Arbeitsrecht) – Autor mehrerer Werke des Verlages C.H.BECK – gibt im folgenden Interview einen interessanten Überblick über das neue Gesetz.

1. Was ist der Hintergrund des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG)? ...
....

           6. Gilt das Gesetz auch für Behörden?

Das HinSchG gilt auch für Behörden, wenn der Rechtsträger, ... mindestens 50 Beschäftigte hat. Das Problem ist, dass einige Bereiche aus dem Schutz ausgenommen sind, ...

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