Ein aktueller Fall spielt derzeit in Damrstadt.
Beim geplanten Zusammenschluss des (evangelischen) Elisabethenstifts und des Städtischen Klinikums in Darmstadt pocht ver.di darauf, dass alle Beschäftigten durch den TVöD und das Betriebsverfassungsgesetz abgesichert sind.Quelle und mehr: ver.di
Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft ver.di pochen darauf, dass die Interessen der Belegschaften bei der Fusion nicht unter die Räder kommen: Sie fordern, dass das Betriebsverfassungsgesetz und der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) verbindlich gelten.
Beides ist nötig:
Individualrechtlich können die Beschäftigten nur über der TVöD weiterhin von den Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes profitieren. Die Arbeitsbedingungen im Elisabethenstift sind bisher nach den Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie (AVR Diakonie) geregelt. Dabei handelt es sich nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung um sogenannte "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (AGBs) - also ähnlich dem "Kleingedruckten" beim Staubsaugerkauf. Diese sind nicht nur materiell schlechter. Die Beschäftigten können auch keinen direkten Einfluss nehmen, da die Regelungen hinter verschlossenen Türen in einer sogenannten Arbeitsrechtlichen Kommission festgelegt werden.
Da die Anwendung der AVR Diakonie nur über eine einzelvertragliche Inbezugnahme rechtswirksam ist (§ 305 a BGB), kann - und muss - die Änderung zur Anwendung des TVöD entsprechend § 305 b BGB auch einzelvertraglich vereinbart werden. Dabei kann dann auch vereinbart werden, wie unbillige Härten oder Nachteile vermieden werden können.
Kollektivrechtlich - also im Bereich der Mitbestimmung - gilt bisher im Elisabethenstift das kirchlich-evangelische Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG). Das sieht nicht nur deutlich weniger Rechte als das Betriebsverfassungsgesetz vor. Mangels umfassenderer Rechte bleibt auch die Freistellungsregelung hinter dem des Betriebsverfassungsrechts zurück. Dies führt auch zu einer geringeren Zahl der Vertreter und reduziert damit die Möglichkeit der intensivern persönlichen Begleitung. Eine solche ist aber gerade bei einem Betriebsübergang besonders notwendig.
Die Überleitung vom MVG zum Betriebsverfassungsrecht (oder umgekehrt) ist rechtlich nicht geregelt. In Anwendung der EU-Richtlinie 2001/23/EG (vgl. dazu unsere Blogbeiträge) ist eine "vertretungslose Zeit" zwingend zu vermeiden. Daher empfiehlt es sich, die Anwwendung des Betriebsverfassungsrechts zeitgleich mit der beabsichtigten Fusion zu vereinbaren. Denn fehlende Mitwirkung eines Vertretungsorganes führt zu erheblichen rechtlichen Unsicherheiten. Das kann auch nicht im Interesse der Geschäftsführung sein.
Das MVG ist nur anwendbar, wenn es sich um eine caritativ (also uneigennützig) tätige Einrichtung der evangelischen Kirche handelt. Es kann jedenfalls spätestens mit REchtswirksamkeit der Fusion nicht mehr angewendet werden.
= Formal fehlt der Synode die Rechtsetzungsmöglichkeit für eine solche "gemischte Holding", die eben keine Einrichtung der evangelischen Kirche mehr ist.
= Materiell muss man fragen, wo es sich bei einer solchen "gemischten Holding" um eine caritativ tätige Einrichtung handelt.
Die Frage der uneigennützigen, also caritativen Betätigung stellt sich für dasElisabethenstift im Übrigen jetzt schon. Nicht jede kirchliche Einrichtung ist caritativ tätig. Und man kann auch ein Krankenhaus oder Altenheim nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und damit nicht "uneigennützig" betreiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ihr könnt Eure Kommentare vollständig anonym abgeben. Wählt dazu bei "Kommentar schreiben als..." die Option "anonym". Wenn Ihr unter einem Pseudonym schreiben wollt, wählt die Option "Name/URL". Die Eingabe einer URL (Internet-Adresse) ist dabei nicht nötig.
Wir freuen uns, wenn Ihr statt "Anonym" die Möglichkeit des Kommentierens unter Pseudonym wählt. Das Kommentieren und Diskutieren unter Pseudonym erleichtert das Austauschen der Argumente unter den einzelnen Benutzern.